Tunesien, das Urlaubsparadies, ist im Umbruch. 24 Jahre lang hatte Zine el-Abidine Ben Ali, der 1984 durch die Jasmin-Revolution an die Macht gekommen war, das Land in der Hand und hat es zu relativem Wohlstand geführt. Ein nicht unerheblicher Teil dieses Wohlstandes kam ihm selbst zugute und er musste jetzt, nach massiven Unruhen, fliehen. Eine Übergangsregierung wurde gegründet, offiziell um freie Wahlen vorzubereiten. Doch auch diese Regierung ist umstritten.
Ein Mitglied dieser Übergangsregierung ist Slim Amadou (bekannt als @slim404). Er ist Blogger, Twitterer und Internetaktivist und daher vielen Piraten ein Begriff. Nach Bekanntgabe seiner Berufung in die Regierung (als Staatssekretär für Jugend uns Sport) hat er dem Fernsehsender TF1 unter dem Titel „SLIM AMEMOU: J’étais en prison, j’entre au gouvernement“ (dt: „Ich war im Gefängnis, ich komme in die Regierung“) am 18. Januar 2011 das erste französischsprachige Interview gegeben.
Auffällig sind darin zwei Aussagen: er ist, entgegen der landläufigen Meinung, kein Pirat, und Twitter stürzt kein Regime.
Eine Transkription für nicht-Frankophone:
Es war ganz einfach so, dass mich jemand aus der Regierung angerufen hat. Das war ca. ½ Stunde nach der Bekanntgabe der Neubildung der Regierung. Er hat mir den Posten angeboten und ich habe angenommen. So einfach war das.
Sie sind also nicht schon am Wochenende über die Entwicklung informiert worden?
Nein, überhaupt nicht.
Was hat Sie dazu gebracht, anzunehmen?
Es war die einzige Möglichkeit, am Wiederaufbau des Landes aktiv teilzunehmen. Es war eine sehr leichte Entscheidung, weil alternativlos. Ich werde den Präsidenten der Republik und meinen Schirm-Minister in allen Belangen der Jugend und des Sports beraten. Da ein Großteil der Jugend des Landes an der Revolution aktiv teilgenommen hat, auch über das Internet, denke ich, dass das eine gute Wahl war, aber das werden wir sehen.
Wie würden Sie sich, für die französischen Zuhörer, die Sie vielleicht noch nicht kennen, beschreiben?
Ich bin Internetaktivist, ich bin Blogger. Mein Twitter-Konto und mein Blog wurden in Tunesien zensiert. Ich bin Unternehmer. Ich habe ein kleines Consulting-Unternehmen. Wir machen Web-Anwendungen für andere Unternehmen. Ich bin 33 Jahre alt.
Hatten Sie früher schon mal Probleme mit der Polizei, wegen Ihrer Online-Aktivitäten. Wurden Sie schon mal festgenommen/eingesperrt?
Letzte Woche war ich eingesperrt. Ich wurde wegen meiner Blog-Aktivitäten festgenommen. Insbesondere wegen der ‚Anonymus‘-Angriffe aus die staatlichen Seiten. Früher bin ich schon einmal festgenommen worden, im Mai 2010, weil ich versucht hatte, eine Demonstration gegen die Internetzensur zu organisieren.
Ihr erster Tweet nach ihrer Nominierung war die Frage, wer denn ihr Schirm-Minister ist.
Ja, das zeigt, wie weit ich von der Politik entfernt war. In Tunesien war die Politik so fern, festgefahren, so unbeweglich, dass sich die Jugend, ich inbegriffen, sehr davon entfernt hat. Ich war nie Mitglied einer politischen Partei, ich habe niemals am politischen Leben teilgenommen. Ich war ein einfacher kleiner Unternehmer. Ich habe mich mit der Internetpolitik beschäftigt, und auch daran teilgenommen. Da habe ich auch an einem Forum teilgenommen.
Denken Sie, dass diese Revolution die erste ‚Internet-Revolution‘ ist?
Ich weiß nicht, ob man sie Internet-Revolution nennen kann. Das ist nur ein Teil davon. Es sind Menschen, die auf die Straße gegangen sind. Das Internet war nur das Medium, weil es kein anderes gab. Es ist ein wichtiger Teil der Kommunikation. Man kann die Menschen nicht ohne Kommunikation mobilisieren. Das Internet hatte hier also eine Rolle, aber die Regierung wurde auf der Straße gestürzt.