Am 30. Juli hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sein Urteil zur Änderung des Bundeswahlgesetzes von 2023 verkündet und es dabei in weiten Teilen für verfassungskonform erklärt. Doch was hat das Gericht nun genau entschieden?
Die Änderungen des Bundeswahlgesetzes
Den Kern des Bundeswahlgesetzes stellt die Limitierung der Abgeordneten auf 630 Abgeordnete und die Abschaffung von Ausgleichs- und Überhangmandaten dar. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate durch die Ersttimmen bekommt, als sie ihrem Zweitstimmenanteil nach zustehen würde. Da dadurch die Verhältnisse im Bundestag verändert werden, wird dies mithilfe von Ausgleichsmandaten für die anderen Parteien kompensiert, um wieder die entsprechenden Sitzverhältnisse gemäß der Zweitstimmenverteilung herzustellen. Diese Praxis führt dazu, dass die bisherige Mindestanzahl von 598 Abgeordneten mit jedem Jahr stärker überstiegen wurde: 2013 hatte der Bundestag 631 Abgeordnete (33 Überhang- und Ausgleichsmandate), 2017 waren es bereits 709 (111) und nun 2021 sind es 733 (davon 136 Überhang- und Ausgleichsmandate).
Die zweite Änderung durch das neue Bundeswahlgesetz ist die Abschaffung der sog. Grundmandatsklausel, welche es ermöglichte, die 5 %-Sperrklausel zu umgehen, wenn man mindestens drei Direktmandate erreicht hat. Von dieser Regelung profitierte bei der letzten Bundestagswahl 2021 die Linke, weil sie keine 5 % der Zweitstimmen erreicht hat, jedoch drei Direktmandate. Auch für die CSU ist diese Regelung relevant, weil sie als Partei nur in Bayern antritt und somit bei den Wahlen regelmäßig um die 5 % erreicht.
Die Entscheidung des BVerfG
Das BVerfG hat nun diese Gesetzesänderung auf ihre Verfassungskonformität beurteilt und ist zu dem Schluss gekommen, dass das Gesetz in weiten Teilen mit dem Grundgesetz vereinbar ist, es beanstandet jedoch die Abschaffung der Grundmandatsklausel. Zum sog. Zweitstimmendeckungsverfahren bestätigt das BVerfG, dass es nicht gegen die im Grundgesetz festgelegten Grundsätze “allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl” verstößt. Das BVerfG betont außerdem, dass Wahlkreisabgeordnete keine Vertreter ihres Wahlkreises sind, sondern dem ganzen Volk verpflichtet sind (Art. 38 GG) und dass die CSU, nur weil sie fast alle Direktmandate in Bayern gewinnt, ihr diese nicht automatisch zustehen und sie dadurch nicht Vertreterin Bayerns im Bundestag ist.
Anders verhält es sich mit der 5 %-Sperrklausel, welche laut dem Urteil einen Verstoß gegen die Gleichheit der Wahl darstellt, da Stimmen für Parteien mit mehr als 5 % anders behandelt werden. Dieser Verstoß ist jedoch gerechtfertigt, da sie dazu dient, die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu gewährleisten und eine Zersplitterung in viele Kleingruppen im Bundestag zu verhindern. Für den Fall der CSU im Speziellen legt das BVerfG fest, dass die Stimmen von CDU & CSU für die 5 %-Sperrklausel zusammen genommen werden dürfen. Diese Bevorzugung ist in Ordnung, weil sie 1) aufgrund gleichgerichteter, politischer Ziele eine gemeinsame Fraktion bilden werden, 2) sie auch bisher eine gemeinsame Fraktion hatten und 3) untereinander durch den Verzicht auf Landeslisten nicht konkurrieren. Parteien, die also ohnehin eine Fraktion bilden würden und gemeinsam über 5 % erreichen, sind damit also auszunehmen. Deshalb hält das BVerfG eine 5 %-Hürde wie sie im neuen Bundeswahlgesetz stand, für nicht verhältnismäßig, weil durch den Wegfall der Grundmandatsklausel keine alternative Möglichkeit für den Einzug in den Bundestag mehr besteht.
Es entschied also, dass bei der nächsten Bundestagswahl 2025 das neue Wahlrecht zwar gilt, jedoch mit der Einschränkung, dass die Grundmandatsklausel in ihrer vorherigen Form bestehen bleibt.
Was bedeutet das für die Piratenpartei?
Für uns bedeutet das ganze zuerst einmal, dass sich nichts ändert. Die 5 %-Sperrklausel bleibt bestehen und wird vom BVerfG sogar noch bestärkt. Sie ist zwar “nicht in vollem Umfang erforderlich”, damit bezieht sich das BVerfG aber auf die Neuregelung und meint damit die Verschärfung durch den Wegfall der Grundmandatsklausel, die Höhe wird als sinngemäß und unter den jetzt geltenden Umständen angemessen bewertet. Des Weiteren verwirft das BVerfG auch leider eines der Hauptargumente von Gegnern der Sperrhürde, dass diese für zu viele unberücksichtigte Stimmen sorge. Ein drastisches Beispiel wäre hier zwar keine Bundestagswahl, aber bei der letzten Landtagswahl im Saarland wurden ca. 22 % der abgegebenen Stimmen für die Sitzverteilung im Parlament nicht berücksichtigt (9,9 % Sonstige, 4,99 % Grüne, 4,8 % FDP und 2,6 % Linke). Zu dieser Argumentation sagte das BVerfG, dass dies nichts daran ändert, dass die 5 %-Hürde ihren Zweck der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Parlamentes erfüllt. Damit könne man erst argumentieren, wenn es derart drastische Ausnahmen angenommen hat, dass die Integrität der Wahl gefährdet sein könnte, was aktuell nicht ersichtlich sei.
Die Piratenpartei wird also wohl wie andere Kleinparteien noch länger mit der Sperrhürde zu kämpfen haben und die einzige Chance auf einen Einzug in den Bundestag bleiben wohl entweder 5 % der Zweitstimmen oder das Erreichen von drei Direktmandaten. Wie realistisch das in absehbarer Zeit ist, muss ich an dieser Stelle wohl nicht extra erwähnen.
Redaktionsmitglied Julian Häffner
Ich bin 20 Jahre alt und seit 2019 Mitglied der Piratenpartei. Ich studiere aktuell Lehramt an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Außerdem bin ich Vorsitzender im Kreisverband Nürnberger Land & Roth und stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes Mittelfranken der Piratenpartei. Seit 2021 bin ich zudem Mitglied der Redaktion der Flaschenpost.
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598 ist die magische Zahl, der zulässigen Angeordneten, aufgeteilt 50/50 Direktmandate und Listen, Wobei die Listen einen Wahlvorschlag darstellen, der einer individuellen Bestätigung durch den Wähler bedarf, Lösung kumulieren und panaschieren. Bei der Betrachtung des Wahlrechts kommt es zu einer Ungerechtigkeit in einem BL lokal antretender Parteien gegenüber Bundesweit agierender. Diese partizipieren insgesamt nicht von den Zweitstimmen aus anderen Bundesländern.
Allein dieses Beispiel zeigt. das man umdenken muss. Volksvertreter werden lokal in den Bundesländern gewählt, damit sie das Volk repräsentativ vertreten. Gemäß der Bevölkerung und der Wahlberechtigten, müssen deshalb die598 Sitze auch auf die BL verteilt werden.
Die Folge wären zwar das es auf Grund von Rundungen einzelne Überhänge geben würde, aber die wären vor der Wahl festgelegt.
Eine weitere Lösung wäre ein völliger Umbau der heutigen Landesstrukturen. 6 in etwa gleich große Bundesländer bemessen an der Bevölkerung, mit eigenen Landesteilen, die sich geografisch aus den heutigen Bundesländern zusammensetzen. Diese bisherigen BL, wären dann mit heutigen Regionalregierungen in Bevölkerungsreichen BL gleichzusetzen. Zusammen mit einem neuen Wahlrecht ließe sich so viel verändern.
Auch ließen sich die Aufgaben in der BuReg völlig anders verteilen. An der Spitze ein “Dreigestirn” aus Finanz, Außen, Innenressort unter Leitung des Bundeskanzler. den bisherigen Ministerien untergeordnet sind.
Fazit ohne ein völliges umdenken und eine Neuaufstellung, kommt da immer nur ein teures verschlimmbessern bei raus. Dazu haben sich zu viele Problem in diesem Land viel zu lange zu massiv angehäuft.
Noch eines, medizinische und Altersversorgung zu einem bezahlbaren und wirtschaftlichem Standard sind staatliche Aufgaben.
Das ganze politischee System gehört auf den Müllhaufen keine von den Parteien taugt noch was. Linksgrün unwählbar wegen Migrationspolitik. FDP/CDU zu korrupt und AfD macht sehr vieles richtig ist aber unwählbar da zu extrem, BSW also Stalinisten für Putin geht auch gar nicht. Ich bin für echte Volksdemokratie
Also wie in der Schweiz mit Volksabstimmungen über alles. Also das Parteien nix mehr entscheiden dürfen ohne Zustimmung des Volkes. Ja dafür bin ich. Früher hab ich auch Piraten gewählt, wegen Basisdemokratie. Ich wähle nur noch Basisdemokratische Parteien oder gar nicht. Im Moment aus gründen halt gar nicht mehr. Aber mal nachgefragt, wann führt ihr denn endlich “Liquid Democracy” nun endlich ein ?
Wenn da Piraten wieder direkte Demokratie macht kann man die ja vielleicht wieder wählen.