Der Jahrestages des Einmarsches sowjetischer Truppen zur Niederschlagung des Prager Frühlings hat mich dazu inspiriert, einmal alle von Russland/der Sowjetunion ausgehenden verbrecherischen Angriffskriege zusammenzufassen. Denn die Geschichte der sowjetischen und russischen Militärpolitik ist ein komplexes Geflecht aus Macht, Ideologie und geopolitischen Interessen. Sie reicht vom frühen Kalten Krieg bis in die Gegenwart und zeigt eine bemerkenswerte Kontinuität in den Zielen Moskaus.
Von der Unterstützung kommunistischer Verbündeter in Asien und Osteuropa bis hin zu den jüngsten Ereignissen in der Ukraine zieht sich ein roter Faden: Moskau setzt auf militärische Macht, um seine Einflusssphäre zu sichern und zu erweitern. Schauen wir uns einmal genauer an, wie sich diese Politik über die Jahrzehnte entwickelt hat.
Der Koreakrieg (1950–1953)
Der Koreakrieg war einer der ersten großen Tests für die Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg. In einem geteilten Korea versuchten die kommunistischen Nordkoreaner, das gesamte Land unter ihre Kontrolle zu bringen. Nachdem das prowestliche Südkorea fast vollständig erobert wurde unterstützten die USA und ihre Verbündeten den Süden. Die Sowjetunion hielt sich mit eigenen Truppen zwar zurück, spielte aber eine entscheidende Rolle hinter den Kulissen: Sie lieferte Waffen, Militärberater und half beim Luftkrieg (unter anderem mit der Lieferung modernster Düsenjäger). Hier wurde deutlich, dass Moskau bereit war in Konflikte einzugreifen, solange es keine direkte Konfrontation mit den USA riskierte.
Der Ungarische Volksaufstand 1956
Im Herbst 1956 erhob sich das ungarische Volk gegen die stalinistische Regierung in Budapest. Die Menschen forderten Reformen und das Ende der sowjetischen Besatzung. Moskau reagierte hart: Sowjetische Panzer rollten in Budapest ein und schlugen den Aufstand erbarmungslos nieder. Diese Ereignisse zeigten, dass die Sowjetunion keine Abweichungen von ihrer Linie in Osteuropa duldete und bereit war Gewalt einzusetzen um ihre Vormachtstellung zu sichern.
Der Prager Frühling (1968)
Zwölf Jahre später wiederholte sich die Geschichte in der Tschechoslowakei. Der „Prager Frühling“ brachte eine Reformbewegung an die Macht, die mehr Freiheit und Unabhängigkeit von Moskau wollte. Doch auch hier griff die Sowjetunion ein. Im August 1968 marschierten sowjetische Truppen gemeinsam mit anderen Warschauer-Pakt-Staaten (der Einsatz von Truppen der DDR wurde in letzter Sekunde abgeblasen) in die Tschechoslowakei ein und erstickten die Reformen im Keim. Für Moskau war klar: Osteuropa sollte unter seiner Kontrolle bleiben – koste es, was es wolle.
Der 17. Juni 1953 in der DDR
Schon einige Jahre vor den Ereignissen in Ungarn und Prag hatte die Sowjetunion gezeigt, wie ernst es ihr mit der Kontrolle über Osteuropa war. Am 17. Juni 1953 brachen in der DDR landesweite Proteste aus, ausgelöst durch Unzufriedenheit mit der stalinistischen Führung. Wieder griff Moskau ein: Panzer und Soldaten wurden entsandt, um den Aufstand niederzuschlagen. Auch hier zeigte sich, dass die Sowjetunion entschlossen war jeden Widerstand gegen ihre Vorherrschaft zu brechen.
Der Sowjetisch-Afghanische Krieg (1979–1989)
Der Einmarsch in Afghanistan war vielleicht die größte militärische Fehlkalkulation der Sowjetunion. Was als schnelle Operation geplant war, um die kommunistische Regierung in Kabul zu stützen, entwickelte sich zu einem blutigen, langwierigen Guerillakrieg. Die sowjetischen Truppen kämpften gegen die Mudschaheddin, die von den USA und anderen westlichen Ländern unterstützt wurden. Der Krieg zermürbte die Sowjetarmee und trug erheblich zum Untergang der Sowjetunion bei. Hier zeigte sich, dass Moskaus militärische Ambitionen nicht immer auf Erfolg stießen – vor allem, wenn sie auf massiven Widerstand trafen.
Weitere Sowjetische Interventionen und Konflikte
Neben den großen Konflikten wie in Ungarn oder Afghanistan war die Sowjetunion auch in zahlreichen anderen militärischen Auseinandersetzungen verwickelt. Ob in Afrika, wo sie kommunistische Bewegungen in Ländern wie Angola und Mosambik unterstützte, oder im Nahen Osten, wo sie Ägypten und Syrien in ihren Kriegen gegen Israel beistand – die Sowjetunion verfolgte eine global ausgerichtete Militärpolitik. Ihr Ziel: Die Ausbreitung des Kommunismus und die Schwächung westlicher Einflusssphären.
Die Tschetschenienkriege (1994–2009)
Nach dem Ende der Sowjetunion stand Russland vor neuen Herausforderungen. Eine davon war die Bewältigung separatistischer Bewegungen innerhalb der eigenen Grenzen, insbesondere in Tschetschenien. Der erste Tschetschenienkrieg (1994–1996) war für Moskau ein Desaster, das mit einem Waffenstillstand endete, der kaum jemandem gefiel. Doch mit dem zweiten Tschetschenienkrieg (1999 – 2009), nun unter der Führung von Wladimir Putin, ging Russland mit brutaler Härte vor und konnte die Region zumindest oberflächlich befrieden. Dieser Konflikt war ein Vorbote für Putins spätere aggressive Außenpolitik.
Der Georgienkrieg (2008)
Im Sommer 2008 eskalierte der Konflikt zwischen Georgien und den abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien. Russland griff ein und führte einen Blitzkrieg gegen Georgien, offiziell, um die russische Bevölkerung in diesen Gebieten zu schützen. In Wirklichkeit war es aber ein Signal an die gesamte Region: Moskau duldet keine Annäherung seiner Nachbarn an den Westen. Der Georgienkrieg zeigte, dass Russland unter Putin bereit war militärische Gewalt einzusetzen um seine geopolitischen Interessen durchzusetzen.
Der Krieg gegen die Ukraine (2014 – heute)
2014 setzte Russland einen weiteren Meilenstein in seiner Außenpolitik: Die Annexion der Krim und die Unterstützung der Separatisten im Osten der Ukraine. Diese Aktionen folgten auf den Machtwechsel in Kiew, der pro-westliche Kräfte an die Spitze brachte. Russland wollte seine Einflussmöglichkeiten nicht verlieren und griff zu drastischen Mitteln. Die Annexion der Krim und der anschließende Krieg im Donbass führten zu schweren Spannungen mit dem Westen und internationalen Sanktionen. Hier offenbarte sich die Bereitschaft Russlands internationale Normen zu brechen um seine eigenen Interessen zu wahren.
Die großangelegte Invasion der Ukraine im Februar 2022 war der bisherige Höhepunkt der russischen Außenpolitik unter Putin. Unter Vorwänden wie der „Entnazifizierung“ und dem Schutz russischsprachiger Menschen begann Russland einen Krieg, der schnell zu einem internationalen Brennpunkt wurde. Die Invasion brachte unermessliches Leid über die Ukraine und führte zu einer noch nie dagewesenen Konfrontation zwischen Russland und dem Westen. Dieser Krieg stellt die bisher dramatischste Zuspitzung der russischen Militärpolitik dar und zeigt, wie weit Moskau bereit ist zu gehen, um seine geostrategischen Ziele zu verfolgen.
Fazit: Ein roter Faden in der Außenpolitik
Die militärische Außenpolitik der Sowjetunion und Russlands hat sich über die Jahrzehnte entwickelt, aber eine zentrale Konstante bleibt: Der Wille, Einfluss und Kontrolle zu wahren, notfalls mit Gewalt. Von der Unterstützung ideologischer Verbündeter in fernen Ländern bis hin zu direkten militärischen Interventionen in der eigenen Nachbarschaft – Moskau hat immer wieder bewiesen, dass es bereit ist, militärische Mittel einzusetzen, um seine Ziele zu erreichen. Mit Putin an der Spitze hat Russland diese Politik noch einmal verschärft und versucht seine frühere Großmachtstellung wiederzuerlangen.
Ein kurzer Blick auf die US-amerikanischen Konflikte
Parallel dazu haben die USA seit dem Koreakrieg eine ebenso aktive, wenn auch globalere Militärpolitik betrieben. Vom Korea- und Vietnamkrieg über die Kriege in Afghanistan und den drei Irakkriegen bis hin zu zahlreichen kleineren Interventionen (zum Beispiel in Grenada) – die USA haben weltweit militärische Macht eingesetzt, um ihre Interessen zu schützen, Rohstoffe zu sichern und ihre Vorstellung von Demokratie zu verbreiten.
Während die Sowjetunion und Russland sich hauptsächlich auf ihre unmittelbare Nachbarschaft konzentrierten, verfolgten die USA eine Strategie der globalen Präsenz. Beide Supermächte haben im Laufe der Jahre gezeigt, dass sie bereit sind ihre Ziele notfalls mit militärischer Gewalt durchzusetzen – auch wenn die Ziele und Mittel sich unterscheiden.
In Ihren Mitteln unterschieden Sie sich vor allem in Ihrem Menschenbild von der Sowjetunion/Russland. Die USA versucht, wie alle westlichen Staaten, eigene Soldaten zu schützen, nimmt aber – erkennbar ohne große Skrupel – zivile Opfer billigend in Kauf (gut erkennbar im Vietnamkrieg). Kriegsverbrechen sind nicht Teil der Strategie auch wenn sie nicht zu verhindern sind und werden angelegentlich verfolgt. Die Sowjetunion und Russland gingen und gehen sowohl mit den eigenen Soldaten, als auch der Zivilbevölkerung, absolut unbarmherzig um. Soldaten zu “verheizen” oder der Beschuss von Wohngebäuden, Schulen und Krankenhäusern sind Teil der Strategie – Kriegsverbrechen sind klar erkennbarer Teil der Strategie und werden de facto nicht verfolgt.
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt nur noch wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂