Wir alle kennen Fabeln aus der Antike (Fuchs und Rabe), unserer Kindheit (Hase und Igel) oder aus Büchern wie der “Farm der Tiere”. Ich habe mich, quasi als Fingerübung für mögliche weitere, dieser weitgehend verwaisten Form der “Erzählung mit belehrender Absicht” angenommen und eine Fabel geschrieben – sie ist aber etwas dystopisch geworden. Sorry!
Es war einmal …
Es war einmal eine große, freie Republik der Vögel, stark und weitgehend gerecht, aber regiert von eher unfähigen und korrupten, aber irgendwie immer wieder gewählten Vögeln. Doch es herrschte Aufruhr, denn einige Zeitungen – und vor allem Kreischer im Internet – berichteten davon, dass ein paar sesshaft gewordene Zugvögel, vor allem Finken, Chaos und Zerstörung im Land verursachen würden. Und vor allem – mehr als die einheimischen Vögel – gar nicht nett wären, nicht grüßen würden und überhaupt, sie würden schlecht riechen und komische Dinge glauben. Täglich gab es Berichte über angebliche und ein paar tatsächliche Schäden die diese, übel als “Schmutzfinken” bezeichneten, Zugvögel anrichteten.
Der Vogelkanzler und sein Kabinett wollten das erst nicht glauben, versuchten dann erfolglos was zu ändern und waren dann ratlos – denn trotz aller Anstrengungen und Strategien konnten sie das Problem nicht in den Griff bekommen, die Gerüchte verstummten nicht. Um das Problem zu lösen und um die “Schmutzfinken” zu finden und auszuschalten ließ der Vogelführer, auf Anraten der Blaumeisen, alle möglichen Lauschmaschinen bauen. Diese Geräte wurden überall, auch in den Nestern der Bürger, installiert, zeichneten jedes Gespräch auf und meldeten alles, was gesucht war, an die normale und die Geheime Vogelpolizei (GeVopo). Sogar die Schreibfedern waren verzaubert, sodass alles, was geschrieben wurde, durch die GeVopo nachgelesen werden konnte. Aber es half nichts, die Berichte wurden immer zahlreicher und es gab immer mehr Beschwerden der Spatzen, Tauben und Raben – sie verlangten nach einer Lösung.
Da trat Geyermeier auf den Plan – er war der Anführer einer größeren Partei von Geiern, Falken und sehr vielen dummen Tauben. Geyermeier hatte, gemeinsam mit seinen Parteifreunden und mit Hilfe eines Kriegerfürsten aus dem Ausland, alle Gerüchte über die “Schmutzfinken” in Umlauf gebracht, um die Vogelbevölkerung zu täuschen und Angst zu schüren. Er versprach, die “Schmutzfinken” aus der Republik zu vertreiben und verlangte als Bedingung, sofort zum Hauptmann der Grenzwache und seine Freundin, eine Harpyie, später zum Chef der GeVopo ernannt zu werden – sowie neue Gesetze um “Schmutzfinken” rauszuwerfen. Der Vogelkanzler, von der seltenen Gattung der Haubentaucher, verzweifelt und ohne Alternativen, stimmte seinem Angebot zu. Er beförderte Geyermeier und versprach ihm alles andere, wenn er es schaffen würde, die Republik zu “befreien”.
Geyermeier und seine Parteifreunde taten, was sie versprachen, die Pirole der Grenzwache, die Blaumeisen der normalen Polizei und die Tölpel der GeVopo halfen gerne – und diese griffen dabei auch zu brutalen Methoden. Mit Schnabelhieben und Krallen jagten sie die “Schmutzfinken” aus dem Land und erschlugen dabei nicht wenige. Innerhalb weniger Monate war die Republik “Schmutzfinkenrein”, allerdings auf Kosten vieler unschuldiger Leben.
Der Verrat
Doch als Geyermeier und seine Freunde ihre Belohnung erhalten wollten, verweigerte der Vogelkanzler diese und kündigten Geyermeier als Chef der Grenzwache. Der Vogelkanzler sagte, dass Geyermeier und seine Freunde keine solche Belohnung verdienten – denn die Methoden seine zu brutal gewesen und würden an die Zeit der Flugsaurier erinnerte.
Wütend über diesen Verrat beschlossen Geyermeier und seine Freundin, Chefin der GeVopo, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sie führten einen Staatsstreich durch, erschossen den Vogelkanzler sowie sein Kabinett und alle Abgeordneten anderer Parteien. Dann verhafteten Sie alle andersdenkenden Vögel und verurteilten sie, so lange im Steinbruch Steine zu klopfen bis sie daran starben. Geyermeier übernahm die Macht im Land und errichtete ein strenges Regime – unter tatkräftiger Unterstützung der Blaumeisen, der Pirole und vor allem der willigen Tölpel der GeVopo.
Die Schar der Spatzen, Tauben und Raben, die anfangs erleichtert war, die “Schmutzfinken” losgeworden zu sein, erkannte bald, dass sie nun unter einer Tyrannei lebte. Der einstige Retter war zum Unterdrücker geworden, und die Republik der Vögel befand sich in einer neuen Ära der Dunkelheit. Im Verborgenen formierte sich zwar ein Widerstand der Möwen und Albatrosse, doch dieser hatte keine Chance – die Blaumeisen überwachten jedes Gespräch und lasen jeden Brief mit. Die Lauschmaschinen und die verzauberten Schreibfedern machten es unmöglich, geheime Botschaften auszutauschen oder Pläne zu schmieden. Jeder Versuch, gegen das Regime aufzubegehren, wurde im Keim erstickt und der Widerstand wurde erschlagen oder in den Steinbruch gesendet.
Unterdessen begann der Kriegerfürst, der sich als Flugsaurier entpuppte, ein Nachbarland der Republik nach dem anderen zu überfallen und zu erobern. Die Schrecken und das Leid, das er brachte, waren beispiellos. Geyermeier und seine Freunde, obwohl sie nun die Macht hatten, blieben still – sie dachten der Kriegerfürste sei ein Freund! Und als die Armeen des Kriegerfürsten an die Grenzen der Republik der Vögel kamen und angreifen wollten, da kapitulierte Geyermeier kampflos und feige. Die Schar Spatzen und Tauben, bereits unterdrückt und überwacht, hatte weder die Mittel noch den Mut, sich zu wehren. Der Kriegerfürst eroberte die Republik der Vögel ohne Widerstand und gliederte es in sein wachsendes Reich ein.
Die einst freie Republik der Vögel war nun unter fremder Herrschaft, und die Vögel lebten in ständiger Angst und Unterdrückung. Ein dunkles Zeitalter brach an.
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt nur noch wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂