Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Pascal Fouquet, von der Piratenpartei Schweiz.
Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände und Computerexperten warnen eindringlich vor der UNO-Cybercrime-Konvention. Sie schafft nicht nur massive Überwachungsbefugnisse, sondern ermöglicht es Regierungen weltweit, globale Kontrollmechanismen einzusetzen, um gezielt gegen Dissidenten, Journalisten, Whistleblower und weitere unliebsame Personen vorzugehen.
Die Konvention ignoriert grundlegende Menschenrechte wie Meinungsfreiheit oder Privatsphäre und versäumt es, Datenschutzprinzipien zur Verhinderung von Machtmissbrauch festzulegen. Die Durchsetzung des Abkommens führt zur Schaffung einer weltweiten Infrastruktur, die sämtliche digitalen Interaktionen erfassen und protokollieren kann. Eine Bedrohung, die jeden Menschen der Welt betrifft – von Tahiti bis Berlin. Die UNO-Konvention zur Cyberkriminalität ist ein globaler Überwachungspakt.
Das ist nicht das erste Konvention.
Mit der rasanten Verbreitung des Internets in den 1990er-Jahren kam es auch zu schädlichen Handlungen mit Hilfe der neuen Technologie. Um diese einzudämmen, brachte der Europarat die Budapest-Konvention auf den Weg. Darin enthalten sind sowohl konkrete Straftatbestände als auch das Verfahrensrecht, das regelt, mit welchen Befugnissen diese verfolgt werden sollen. 2004 in Kraft getreten, schlossen sich weitere, hauptsächlich westlich-demokratische Staaten an.
2019 verabschiedete die Achse der Autokratien, Russland, China und Iran mit weiteren Nichtunterzeichnern der Budapest-Konvention ihrerseits eine UNO-Resolution gegen Cyberkriminalität. Während die Unterzeichner der Budapest-Konvention grundsätzlich ein ähnliches Rechtsverständnis haben, setzt sich die UNO aus deutlich heterogeneren Staaten zusammen, was am Ende in einem Werk resultierte, das westlichen Werten wie Freiheit, Demokratie und Privatsphäre wenig Platz einräumte. In den Verhandlungen für die neue Konvention wurde gar versucht, Blasphemie aufzunehmen. Die Cybercrime-Konvention stellt den kleinsten gemeinsamen Nenner der Menschenrechte dar und spiegelt damit zwangsläufig das Grundrechtsniveau autoritärer Staaten und Diktaturen wider.
Unterschiede zur Budapest-Konvention
Die Budapest-Konvention betrifft nur Straftaten, die mit einem Computer verübt werden können. Die UNO-Cybercrime-Konvention geht einen Schritt weiter und umfasst auch analoge Straftaten, die man mit der Technologisierung zunehmend besser überwachen kann.
Am 11.November 2024 verabschiedete das Third Committee, weitgehend unbemerkt von der Bevölkerung, den finalen Text, der den internationalen Rechtsrahmen für Strafverfolgungsbehörden bilden soll. Dieser beinhaltet nicht nur die Echtzeiterfassung, wer mit wem kommuniziert (Vorratsdatenspeicherung) und was dabei besprochen wird (Chatkontrolle), sondern auch die Überwachung aller Finanzströme. Zusätzlich sollen Social-Media-Posts, -Bilder oder -Videos systematisch auf Urheberrechtsverstöße hin analysiert werden. Besorgniserregend ist auch, dass Journalisten weltweit daran gehindert werden sollen, mit Whistleblowern zusammenzuarbeiten.
Man sollte meinen, dass westliche Demokratien gegen dieses Vorhaben Sturm laufen. Tatsächlich konnten sich diese lange Zeit nur mäßig für den Überwachungspakt erwärmen. Sie wurden dann mit einem Passus beschwichtigt, man möge doch bitte bei all der Totalüberwachung die Grund- und Menschenrechte achten. Was letztlich eine Farce ist; schließlich werden viele der vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen bei uns längst praktiziert oder stehen auf der Wunschliste der Nachrichtendienste oder der Polizei.
Mit der Konvention erhalten viele Eingriffe in das Grundrecht der Privatsphäre, die in den letzten Jahren erfolgreich verhindert werden konnten, den Segen. Mit Segen der UNO, die eigentlich unsere Menschenrechte schützen sollte.
Die Vertreter der westlichen Länder haben der Konvention nur mit Bauchschmerzen zugestimmt, sie dann aber dennoch gemeinsam mit autoritären Staaten unter Applaus verabschiedet. Die Regime freuen sich: Sie können in Zukunft Andersdenkende auf der ganzen Welt verfolgen. Westliche Staaten werden auch dann Rechtshilfe leisten müssen, wenn die vorgeworfenen Handlungen nach den eigenen Rechtsnormen gar nicht strafbar sind. Was bei uns als freie Meinungsäußerung gilt, wird in anderen Staaten als Hochverrat geahndet.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen dürfte dem Überwachungspakt endgültig zustimmen – eine Ablehnung wäre nach den jahrelangen Verhandlungen ungewöhnlich. Es wird ein schwarzer Tag für die Demokratien der Welt. Mit der Zustimmung machen diese sich zum Handlanger repressiver Regime und autoritärer Machthaber. Es zeigt, wie weit die Unterwanderung der Demokratien durch autoritäre Überwachungsmechanismen bereits fortgeschritten ist.