Disclaimer: Ich nutze für Musikstreaming einen anderen Dienst als Spotify, der auch nicht ohne Kritik ist, aber das hat auch weitere Gründe – unter anderem Werbefreiheit auf anderen Plattformen des Anbieters, welche für mich sonst fast unbenutzbar wären.
Als ich vor kurzem mit mehreren Piraten aktiv war und Musik lief, kam kurz das Gespräch auf, wie die – zugegeben gut klingende, aber stilistisch doch eher einheitliche – Playlist zustande kam. Antwort war „Spotify“ – wie es aussah fand das niemand besonders kritisch. Aber Spotify ist, nicht nur meiner Meinung nach, ein anderes Kaliber als Deezer, YouTube Music, SoundCloud, Amazon Music etc. Als Mitglied der Piratenpartei sollte man sich, wie auch bei anderen Diensten im Internet, fragen: Unterstütze ich mit der Nutzung dieser, also bewusst dieser Plattform, wirklich meine Werte? Die Antwort lautet aus meiner Sicht: Nein
Hier sind meine Gründe, warum Spotify für uns nicht tragbar sein sollte
Datenschutz: Spotify, die Datenkrake
Die Piratenpartei steht für den Schutz persönlicher Daten. Doch Spotify, ein Gigant der Streaming-Welt, scheint davon wenig zu halten. Hörgewohnheiten, Standortdaten, Vorlieben – all das sammelt Spotify in rauen Mengen. Und was passiert damit? Ein großer Teil dieser Daten wird genutzt, um personalisierte Werbung zu erstellen oder an Dritte weiterzugeben [1]. Auch sexuelle Interessen, politische Einschätzung, selbst ob man Kinder hat und was diese hören – all dies wird erfasst und verarbeitet. Und bei „Werbepartnern“ und Datenhändlern mit Daten aus anderen Quellen verknüpft. Legal und illegal – Kontrollmechanismen gibt es de facto keine. Und ja, 2019 musste Spotify eine Geldstrafe zahlen, weil es sich weigerte, Nutzern vollständige Auskunft über die gesammelten Daten zu geben – ein klarer Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) –> Portokasse [2].
Das Konzept der Datensparsamkeit, das für uns Piraten zentral ist, scheint in der Welt von Spotify nicht zu existieren. Wer seine Privatsphäre schätzt, hat hier also schon verloren.
Ausbeutung der Kreativen: Spotify zahlt mit Peanuts
Wir alle wissen: Ohne Kreative gibt es keine Inhalte. Doch was zahlt Spotify den Künstlerinnen und Künstlern, deren Musik uns tagtäglich begleitet [4]? So gut wie nichts. Ein Stream bringt den meisten Künstlern weniger als 0,003 Euro ein. Und jetzt kommt’s: Ab 2024 plant Spotify, nur noch Songs zu vergüten, die mehr als 1.000 Streams im Jahr erreichen [5] [6] [7]. Ein Todesstoß für kleine und unabhängige Künstler. Oder Podcasts.
Viele Musikerinnen und Musiker leben trotz Millionen Streams am Existenzminimum, während Spotify sich mit Milliardenumsätzen brüstet. Wie passt das zu unserem Einsatz für faire Bezahlung und Rechte von Kreativen? Spoiler: gar nicht. Es gibt Alternativen, die Künstler wirklich unterstützen. Bandcamp ist nur ein Beispiel – und zumindest einen Blick wert (nein, ich bekomme kein Geld für diese Empfehlung).
Ethische Geschäftspraktiken: Von Transparenz keine Spur
Spotify stellt sich gerne als Förderer der Musik dar, doch die Realität sieht anders aus. Die Plattform priorisiert Inhalte großer Labels, während unabhängige Künstler oft hinten runterfallen. Warum? Weil Mainstream mehr Streams bedeutet – und Streams bedeuten Geld. Das System beutet kleine Künstler noch stärker aus als die GEMA. Ja, das geht!
Noch problematischer ist die zunehmende Integration von KI-generierten Inhalten. Was Spotify als „Innovation“ verkauft, könnte bald zu einer Verdrängung echter Kreativer führen. Von „Künstlicher Intelligenz“ generierte Inhalte, die auf der Musik echter Künstler basieren, aber ohne Lizenzgebühren zu zahlen – das ist nicht nur ethisch fragwürdig, sondern ein Schlag ins Gesicht für alle, die Musik wirklich selbst machen.
Warum das alles uns Piraten angeht
Als Piraten setzen wir uns für Transparenz, Fairness im Umgang mit Kreativen und den Schutz von Daten ein. Spotify verstößt gegen all das: Es ignoriert Datenschutzstandards, beutet Kreative aus und verfolgt intransparente, profitorientierte Geschäftsmodelle. Über die Analyse politischer und sexueller Orientierung bietet es den „Werbepartnern“ mehr Möglichkeiten der Einflussnahme über Werbung. Besonders besorgniserregend ist aus meiner Sicht die Möglichkeit, über die Verknüpfung der Hörgewohnheiten der Kinder und Jugendlichen deren politische Willensbildung – auf anderen Plattformen – im Erwachsenenalter zu beeinflussen.
Wenn wir glaubwürdig bleiben wollen, müssen wir uns fragen: Wollen wir eine solche Plattform unterstützen? Die Antwort liegt auf der Hand.
Was wir stattdessen tun können
Es gibt Alternativen zu Spotify, die Künstler unterstützen und Datenschutz ernster nehmen. Bandcamp, Resonate oder auch lokale Plattformen sind Schritte in die richtige Richtung. Wir könnten diese Alternativen privat fördern – durch unsere Nutzung – und durch klare politische Statements. Man kann sich Musik auch einfach kaufen (und ggf. von DRM – einer Art Kopierschutz für digitale Medien – befreien) statt Streamen, das soll sogar jede Menge Energie sparen – ein Beitrag zum Klimaschutz. 😉
Die Nutzung von Spotify ist für mich, der ich mich den Werten der Piratenpartei verpflichtet fühlt, vollkommen untragbar. Schon gar nicht, wenn Kinder zu den Nutzenden gehören. Es ist an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen und Alternativen zu nutzen, die sowohl Kreative respektieren als auch die Privatsphäre der Nutzer schützen. Oder das Nutzungsrecht an der Lieblingsmusik zu kaufen.
Denn letztlich sollten wir für die Werte einstehen, die uns ausmachen – auch, wenn das bedeutet, uns von scheinbar bequemen Lösungen, die unseren Musikgeschmack „kennen“, zu verabschieden.
[1] https://www.fluter.de/was-macht-spotify-mit-meinen-daten?
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂