
TocaMe09 - on the way to the venue DIKTATUR DER SICHERHEIT|CC BY-SA 2.0|Sven Steinmeyer
Ein Gastkommentar von RA Prof. Dr. Andreas Gran, LL.M.
Die Unmöglichkeit, Gräueltaten in unserer Welt zu verhindern, macht Angst, sie verunsichert uns. Rechtsgeschichtlich wurde deshalb schon oft versucht, Täter vorab zu erkennen, deren Taten zu antizipieren. Nun wollen Politiker abermals demonstrativ „Sicherheitsgesetze“ verabschieden, um uns in Sicherheit zu wiegen, gerade vor der vorgezogenen Wahl, medienwirksam und auf Sorgen basierend. Diese Aktivität reiht sich ein in Chatüberwachung, Gesichtserkennung und dergleichen. Nachvollziehbar sind die Bemühungen insoweit, als nun Verantwortliche beim Staat gesucht werden, der bekanntermaßen einen Fürsorgeauftrag hat. Es muss allerdings unbedingt besonnen im Sinne des Rechtsstaats vorgegangen werden, damit sicherheitspolitischer Aktionismus nicht freiheitliche Bürgerrechte verdrängt, denn „Freiheit stirbt mit Sicherheit“.
Auch nach dem neuen, schrecklichen Anschlag sollten staatliche Eingriffe nicht bedenkenlos ausgeweitet werden. Die ersehnte Sicherheit wird das nicht gewährleisten, sondern ein unbeschwertes öffentliches Leben kaum noch ermöglichen. Täter, die zu solch abscheulichen Taten fähig und skrupellos genug sind, werden sich nicht abschrecken lassen und es gibt leider unzählige Mittel, um weitreichend Gewalt anzuwenden. Wir erleben das anschaulich in den Kriegsregionen. Wo also soll die Grenze gezogen werden?
Rechtsstaatlich bedenklich ist insbesondere, wenn pauschal „prophylaktische“ Eingriffsrechte ausgeweitet werden. Bei ausreichendem Verdacht ist das längst möglich. Trotz der emotional durchaus nachvollziehbaren öffentlichen Sorge müssen Bürger weiterhin zugleich vor (potentieller) staatlicher Übergriffigkeit geschützt werden. Andernfalls wird das dann entstandene Kontroll- und Verbotsnetz selbst unkontrollierbar.
Führen denn liberale Bedenkenträger etwas im Schilde, wenn sie sich gegen Überwachung wehren? Nein, wer das kritisch sieht, kann schlicht antizipieren, wie systematisch Schritt für Schritt ein Kontrollstaat entstehen kann, der dann schlimmstenfalls mit autokratischen Mitteln jede Opposition verhindert. Wenn jetzt von demokratischen Volksvertretern das Fundament für autoritäre Staatskontrollen geschaffen wird, könnte eine autokratische Regierung die Vorarbeiten nutzen, damit regierungskritisches Handeln unmöglich wird. Sollten eines Tages Autokraten an die Macht kommen, werden sie dankbar sein für die Vorbereitungen und dann leicht politisch Unliebsames verfolgen können, weil die freiheitliche Demokratie aus Verängstigung die Strukturen geschaffen hat.
Hinzu kommt ein Störgefühl, wenn Obrigkeit in private Lebensbereiche eindringt, weil die Basis dafür von der unvorsichtigen Bevölkerung geschaffen wurde, anscheinend mit Bereitschaft, Fremden den Inhalt der Handtasche, des Aktenkoffers oder des Handys zeigen zu müssen. Wir verhalten uns zudem paradox, wenn wir in anderen Ländern mit militärischer Unterstützung gegen Autokratien intervenieren und hierzulande selbst nicht aufpassen. Wer unser Grundsetz schützen will, muss es konsequent respektieren, bei Presse-, Meinungs-, Versammlungsfreiheit und bei der sog. allgemeinen Handlungsfreiheit. Freiheit schützt man nicht, indem man sie abschafft. Autokratische Mittel von demokratischen Parteien sind nicht Schutz vor Autokratie, sondern deren Rechtfertigung.
Fazit
Anstrengungen zur Kriminalitätsbekämpfung sind wichtig und von grundsätzlich guter Absicht getragen, aber doch stets auch kritisch zu betrachten.