
Ma'na al-Nakba, Constantin Zureik 1948
Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Markus Schaub X Bluesky
Da gerade Mai ist, möchte ich mich in diesem Artikel ein wenig mit der sogenannten „Nakba“ (Arab. Katastrophe) beschäftigen, ein Wort, das durch viele Missverständnisse und Umdeutungen heute eine völlig andere Bedeutung hat wie 1948.
Der Begriff „Nakba“ wurde von Constantin Zureik 1948 in seinem Buch „Ma’na an-Nakba “ („Die Bedeutung der Nakba“) geschaffen, in dem er die Unfähigkeit der Arabischen Armeen zur Vernichtung Israels kritisierte. So schrieb er „Die Niederlage der Araber in Palästina ist kein kleiner Rückschlag oder vorübergehendes Übel, sondern eine eindeutige Katastrophe“. In seinem Buch verband Zureik den Begriff „Nakba“ auch mit tiefstem Judenhass und schrieb darin Hasstriaden von der „Christusmörder“ Verleumdung über Juden hätten den Holocaust selbst verursacht hin zu Juden würden die Welt beherrschen und all die anderen antisemitischen Stereotypen, die es gibt (1,2).
Erst viel später wurde der Begriff „Nakba“ auf die arabischen Fluchtbewegungen während des Israelischen Unabhängigkeitskriegs umgedeutet. Trotzdem erkennt man die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs noch heute daran, das der sogenannte „Nakba-Tag“ am 15. Mai zelebriert wird, dem Tag, an dem 6 Arabische Staaten Israel den Krieg erklärten und nicht am 14. Mai, dem Tag, an dem Israel seine Unabhängigkeit erklärte.
Der Palästinakrieg (1948)

Das Arabische Nationalisten einen unabhängigen jüdischen Staat nicht tolerieren würden, war bereits vorher mehr als deutlich. Besonders gewalttätig waren dabei die Pogrome von 1920 (Angeführt von Musa Kazim al-Husseini) und 1929, sowie der „Arabische Aufstand“ ab 1936 – jeweils angeführt von Großmufti (und von der Nazi-Propaganda als SS-General beworbenen) al-Husseini. Auch als dann die Vereinten Nationen 1947 in ihrer Generalversammlung dafür stimmten den sogenannten „Teilungsplan“ dem UN-Sicherheitsrates zur Abstimmung einzureichen, hat es auch nur wenige Stunden gedauert, bis Amin al-Husseini zum Bürgerkrieg gegen die jüdische Bevölkerung im Mandatsgebiet aufrief, der dann zum besagten Angriffskrieg der Arabischen Staaten gipfelte.
Das Israel seinen Unabhängigkeitskrieg gegen die Arabische Übermacht gewann war dann aus Sicht Arabischer Nationalisten eine große Katastrophe, da sie fest auf einen Sieg eingeschworen waren. So veröffentlichte die ägyptische Zeitung Akhbar el-Yom am 11.10.1947 ein Interview mit Abdul Rahman Hassan Azzam, bekannt als Azzam Pascha, der 1. Generalsekretär der Arabischen Liga, in dem er siegessicher sagte: „Ich persönlich hoffe, dass die Juden uns nicht zu diesem Krieg zwingen, denn es wird ein Vernichtungskrieg und ein gefährliches Massaker [an den Juden] sein, das in die Geschichte eingehen wird, ähnlich wie das Mongolenmassaker und die Kreuzzüge.“ (3).
Um nun die Katastrophe der arabischen Niederlage zu verarbeiten wurde ein neues Narrativ gebraucht und so der Begriff der „Nakba“ umgedeutet und die arabische Mitverantwortung bei den Fluchtbewegungen völlig ignoriert. So verlangten die arabischen Armeen von der arabischen Bevölkerung das Land zu verlassen, um Platz für die Soldaten zu schaffen, wie eine Ansprache des damaligen irakischen Premierministers Nuri Said zeigt: „Wir werden das Land dem Erdboden gleich machen und jeden einzelnen Ort, an dem Juden Schutz suchen, von der Landkarte ausradieren. Die Araber sollten ihre Frauen und Kinder an sichere Orte bringen, bis die Kämpfe vorüber sind.“ (4). Verstärkt wurden diese Fluchtbewegungen noch durch maßlose Übertreibungen des Massakers von Deir Yassin, bei dem über 100 arabische Kämpfer und Zivilisten getötet wurden. Eigentlich sollten diese Berichte den Kampfgeist fördern, bewirkten allerdings das genaue Gegenteil (5,6).
Kritik an diesem Vorgehen kam bereits früh von Khalid al-Azm (ab dem 17.12.1948 Premierminister Syriens), der in seinen Memoiren schrieb: „Fünftens: Die arabischen Regierungen luden die palästinensische Bevölkerung ein, aus ihrem Land zu fliehen und in benachbarten arabischen Ländern Zuflucht zu suchen, nachdem sich nach den Ereignissen von Deir Yassin der Terror in ihren Reihen ausgebreitet hatte. Diese Massenflucht kam den Juden zugute, und die Lage stabilisierte sich mühelos zu ihren Gunsten. Seit 1948 fordern wir die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat, während wir sie zwangen, diese zu verlassen. Zwischen der Einladung an die Flüchtlinge und der Aufforderung an die Vereinten Nationen, über ihre Rückkehr zu entscheiden, vergingen nur wenige Monate“ (7).
Auch wenn keine direkte systematische Vertreibung arabischer Flüchtlinge durch die arabischen Führer gab, verstärkten solche Aufrufe die Fluchtbewegungen durch Krieg und vorherigen Bürgerkrieg noch einmal zusätzlich.
Zahlen und Fakten

Insgesamt zählten die Vereinten Nationen im Oktober 1948, als die Ägyptische Armee zum größten Teil zerschlagen war, 472.000 arabische Flüchtlinge, davon 237.000 Binnenflüchtlinge und 235.000 Flüchtlinge in Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten und Irak (8). Die spätere, höhere Zahl von ~700.000 Flüchtlingen entstand dadurch, das die UN die genaue Zahl der Flüchtlinge nicht zählen konnte, da viele Einheimische Berechtigungsscheine für humanitäre Hilfe kauften, fälschten oder die Namen von Verstorbenen nutzen (9). Aus diesem Grund vermutete bereits 1952 der arabische Nationalist und damaliger Mitarbeiter im Nachrichtenbüro der Vereinten Nationen, Fayez Sadegh, das die UNRWA als Arbeitsgrundlage die Anzahl jüdischer Flüchtlinge aus arabischen Ländern übernommen hat und auf die arabischen Flüchtlinge zu übertragen (10,11), da die Zahl sehr nah an die 638.567 jüdischen Flüchtlinge und Immigranten ist, die zwischen dem 15. Mai 1948 und Ende Juni 1951 von Israel aufgenommen wurden (10, 12)
Durch das heutige Narrativ der „Nakba“ wird die Vertreibung von Juden aus den Arabischen Staaten teils ignoriert, teils geleugnet und teils umgedichtet. Allerdings sind die Flucht und Vertreibung von rund 900.000 Juden klar belegt, wie auch die ersatzlose Enteignung von ca. 100.000 km² (4x Israel) jüdischen Grundbesitzes und (Inflationsbereinigt) rund 300 Milliarden US-Dollar jüdisches Vermögen in arabischen Staaten (13).

Dadurch das die jüdischen Flüchtlinge nie von der UN anerkannt wurden, bekam Israel auch keine Unterstützung, so das bis in die 1960er hunderttausende Flüchtlinge und Einwanderer in 127 großen Zeltstädten leben mussten, den sogenannten Ma’abarot (14). Über die Zustände in den Ma’abarot hat der berühmte Regisseur Ephraim Kishon 1964 den Film „Sallah Shabati“ („Tausche Tochter gegen Wohnung“) gedreht (15).
Trotz dieser Flüchtlingskrise in Israel hat die Israelische Delegation bei der Lausanner Konferenz 1949 zwei Vorschläge zur Rückkehr und Versorgung der arabischen Flüchtlinge unterbreitet, die beide von arabischer Seite her abgelehnt wurden. Der erste Vorschlag war der Gazaplan, Israel annektiert Gaza und übernimmt die Verantwortung für alle dort lebenden Flüchtlinge. Der zweite Vorschlag war. das 100.000 Araber sofort nach Israel zurück dürfen, weitere im Laufe der Zeit (16, 17).
Ein weiteres Problem bei der Flüchtlingsfrage besteht in Form der UNRWA, die ein reiner Anbieter von Dienstleistungen ist und im Gegensatz zum UNHCR, kein Mandat hat um Lösungen zu schaffen und dem UNHCR nicht gestattet ist in Gebieten zu operieren, in denen bereits das UNRWA tätig ist (18, 19). Deshalb besteht das palästinensische Flüchtlingsproblem bis heute weiter, wohingegen die jüdischen Flüchtlinge in Israel vollständig integriert wurden.
Wie man also sieht, ist das Thema „Nakba“ weit komplexer als es meisten Dargestellt wird, von dem die gesamte Weltgemeinschaft betroffen ist und die Schuld nicht allein bei Israels Unabhängigkeitskrieg zu suchen ist.
Weitere Artikel von mir zum Thema Nahostkonflikt:
- Von Berlin nach Teheran, Antisemitismus bei der Berlinale 2024, https://die-flaschenpost.de/2024/03/02/von-berlin-nach-teheran/
- Der Einfluss von Muslimbruderschaft, IRA und NS-Ideologie beim Eurovision Song Contest 2024, https://die-flaschenpost.de/2024/05/18/der-einfluss-von-muslimbruderschaft-ira-und-ns-ideologie-beim-eurovision-song-contest-2024/
- Die Arbeitsstruktur von BDS, https://die-flaschenpost.de/2025/02/13/arbeitsstrukturen_von_bds/
- Die Ursprünge des antisemitischen Antizionismus, https://die-flaschenpost.de/2025/04/29/die-urspruenge-des-antisemitischen-antizionismus/
Quellen:
- Mosaic, The Perennial Power of the Nakba https://mosaicmagazine.com/essay/israelzionism/2023/09/the-perennial-power-of-the-nakba/
- The False “Nakba” Narrative, BESA Center https://besacenter.org/nakba-false-narrative/
- Azzam Pascha und das bedeutsame Massaker https://users.cecs.anu.edu.au/~bdm/yabber/yabber_azzam.html
- Myron Kaufman: The Coming Destruction of Israel; NY: TheAmerican Library Inc. 1970, S. 26-27.
- Sharif Kanaana und Nihad Zitawi: „DeirYassin“, Monograph Nr. 4, Dokumentationsprojekt über zerstörte palästinensische Dörfer; Bir Zait: Dokumentationszentrum der Bir-Zait-Universität 1987, S. 55.
- Sharif Kanaana, „Reinterpreting Deir Yassin“, Bir-Zait-Universität,April 1998.
- Khaled Al `Azm, Mudhakarat (al-Dar al Muttahida lil-Nashr, Beirut, 1972), Volume I, pp. 386–7
- Progress report of the United Nations Mediator on Palestine submitted to the Secretary-General for transmission to the Members of the United Nations:
Supplement to part 3 of the Progress Report of the United Nations Mediator on Palestine (A/648), 1948, https://digitallibrary.un.org/record/703171?v=pdf - Assistance to Palestine refugees : interim report of the Director of the United Nations Relief and WorksAgency for Palestine Refugees in the Near East, UNRWA 1951, https://digitallibrary.un.org/record/704901?v=pdf
- Fayez Sayegh, „Palestine Refugees“, Washington, AMARA Press, 1952, Seite 20, https://archive.org/details/palestinerefugee00saye/mode/2up
- Offizielle Biografie von Fayez Sadegh bei der Palästinensischen Enziklopädiebehörde, https://web.archive.org/web/20170228102814/http://www.palestinapedia.net/%D9%81%D8%A7%D9%8A%D8%B2-%D8%B5%D8%A7%D9%8A%D8%BA-922-1-1980/
- Jewish Emigration to Israel, The American Jewish Year Book, 1952 https://www.jstor.org/stable/23604755
- Bundeszentrale für politische Bildung, Flucht und Vertreibung von Juden aus den arabischen Ländern, https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus/321671/fluchtund-vertreibung-von-juden-aus-den-arabischen-laendern/
- Swirski, Shlomo (11 September 2002). Politics and Education in Israel: Comparisons with the United States, https://books.google.de/books?id=2DOPAgAAQBAJ&pg=PA114&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false
- Ephraim Kishon „Sallah Shabati“, https://www.ephraimkishon.de/film_Sallah_Shabati.htm
- Philip Mattar (2005). Encyclopedia of the Palestinians, https://books.google.de/books? id=GkbzYoZtaJMC&pg=PA298&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false
- UNITED NATIONS CONCILIATION COMMISSION FOR PALESTINESUMMARY RECORD OFA MEETING BETWEENTHE CONCILIATION COMMISSION ANDTHE DELEGATION OF ISRAEL, Lausanne, 20. Mai 1949, https://www.un.org/unispal/document/auto-insert-211896/
- Bundeszentrale für politische Bildung,Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina Flüchtlinge im Nahen Osten(UNRWA), https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/229614/das-hilfswerk-der-vereinten-nationen-fuer-palaestina-fluechtlinge-im-nahen-osten-unrwa/
- Bundeszentrale für politische Bildung, UNRWA–das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, https://www.bpb.de/themen/migration-integration/kurzdossiers/341497/unrwadas-un-hilfswerk-fuer-palaestina-fluechtlinge-im-nahen-osten/
Top – mal wieder ein aufschlußreicher Artikel!