
Bild: D’Annunzio, Mussolini, Trump
Wie D’Annunzio, Mussolini und Trump Politik als Theater inszenierten
Die Geschichte zeigt immer wieder, wie autoritäre politische Macht durch spektakuläre Inszenierungen legitimiert und gefestigt wird. Drei Figuren können dafür als Beispiel dienen: der italienische Dichter Gabriele D’Annunzio, der faschistische Diktator Benito Mussolini und der US-Präsident Donald Trump. Obwohl sie in unterschiedlichen Epochen und ideologischen Kontexten agierten, nutzten sie sehr ähnliche Strategien der theatralischen Selbstdarstellung, um Massen zu begeistern, Feinde zu dämonisieren und ihre Autorität zu untermauern.
Gabriele D’Annunzio: Der „Dichter-Held“ als Vorreiter des faschistischen Spektakels
D’Annunzio, ein exzentrischer italienischer Literat und Kriegsheld des 1 Weltkriegs, schuf zwischen 1919 und 1920 in der von seinen Anhängern gewaltsam besetzten Adriastadt Fiume (heute Rijeka) ein frühes Experiment autoritärer Inszenierung. Seine totalitäre Herrschaft war ein Mix aus futuristischem Ästhetizismus, militaristischem Pathos und spektakulär inszenierter Rebellion. Mit Fackelzügen, römischen Symbolen und bombastischen Reden vom Balkon des Gouverneurspalasts inszenierte er sich als „Erlöser“ Italiens – ein Stil, den Mussolini später kopierte. D’Annunzios Spektakel war ästhetisierte Politik: Er verband Kunst mit Macht, er erließ eine zusammen mit dem Nationalistischen Gewerkschafter Alceste de Ambris ausgearbeitete eigene pseudo-revolutionäre Verfassung die „Carta del Carnaro“, eine Verfassung, die Frauenrechte und progressive soziale Reformen propagierte, während er gleichzeitig jedoch auch einen totalen Führerkult um seine eigene Person etablierte. Sein Wahlspruch „Me ne frego“ („Ich pfeife drauf“) und der römische Gruß (Später von Mussolini und auch Adolf Hitler als Hitlergruß kopiert) wurden zu Markenzeichen seiner Bewegung, die Krieg als „Fest der Jugend“ glorifizierte. Für D’Annunzio war Politik ein als für das Massenpublikum inszeniertes Theaterstück, ein Gesamtkunstwerk – eine Idee, die später den Faschismus prägte, aber auch modernen Populismus vorwegnahm. D’Annunzio wird daher oftmals als der eigentliche Erfinder des Faschismus angesehen welcher die Inspiration für den Personenkult um Mussolini und Hitler lieferte.
Benito Mussolini: Vom „Marsch auf Rom“ zur totalitären Choreografie.
Mussolini, ein ehemals Linker, sozialistischer Journalist, erkannte früh das Potenzial von D’Annunzios inszenierter Symbolpolitik. Sein „Marsch auf Rom“ 1922 war weniger eine militärische Aktion als eine medienwirksam zum Spektakel aufgebaute Drohkulisse: Mit c.a 30.000 schlecht ausgerüsteten undisziplinierten, gewalttätigen faschistischen „Schwarzhemden“ inszenierte er eine Machtübernahme, die Italiens König sehr einschüchterte und zur Übergabe der Regierungsgewalt an die Faschisten veranlasste. Die reine theatralische Inszenierung von Macht verschaffte der faschistischen Minderheit somit letztendlich tatsächliche totalitäre Macht. Dabei hatten die Italienischen Faschisten auch die Unterstützung von teilen der Großkapitalisten welche Angst davor hatten im Falle einer Sozialistischen Revolution wie in Russland Eigentum und Leben zu verlieren, die kommunistische Gewalt in Russland begünstigte somit also auch den aufstieg des Faschismus in Europa. Mussolini verwandelte Politik in ein totalitäres Theater: Uniformierte Massenaufmärsche, der absurde Kult um den „Duce“ (Führer) und architektonische Gigantomanie (etwa das Foro Mussolini in Rom) sollten Italiens „imperiale Größe“ verkörpern. Zentral für Mussolinis Propaganda war die Vision, Italien zu alter Größe zurückzuführen – eine Art „Make Italy Great Again“, das an den Ruhm des antiken Römischen Reiches anknüpfte um dieses wiederherzustellen. Er inszenierte sich als Wiedergeburt Caesars und ließ Straßen und Plätze mit imperialer Symbolik schmücken. Die Expansion nach Afrika, etwa der brutale Überfall auf Äthiopien 1935, wurde als „zivilisatorische Mission“ verkauft, um das „neue Rom“ zu errichten. Diese Rückbesinnung auf vergangene Größe diente nicht nur der nationalen Mobilisierung, sondern auch der Rechtfertigung von Unterdrückung, Kolonialismus und Krieg. Im Gegensatz zu D’Annunzio setzte Mussolini jedoch auf systematischere und härtere Unterdrückung. Seine Inszenierung war nicht nur ästhetisch, sondern auch extrem gewalttätig: Kriminelle Faschistische Squadristen zerstörten Gewerkschaftshäuser und ermordeten Oppositionelle, während der Duce sich als „Mann der Vorsehung“ präsentierte, der Ordnung aus dem Chaos schafft. Diese Mischung aus Spektakel und Terrorismus wurde zum Modell für zahlreiche autoritäre Regime – und zeigt gewisse Ähnlichkeiten zu Trumps Rhetorik der “Make America great again“, seiner Law and Order Inszenierung sowie dem gewaltsamen und Gesetzeswidrigen Sturm auf das US Kapitol.
Donald Trump: Medienpopulismus und die Inszenierung des „starken Mannes“
Trump, ein Reality-TV-Star, der zum Präsidenten aufstieg, nutzt digitale Massenmedien, um Politik als permanentes Spektakel der Selbstinszenierung zu betreiben. Seine Markenzeichen – die sorgfältig frisierten Haare, die rote Krawatte, das grimmige „Daumen-hoch“ – sind bewusst gewählte Symbole, die ihn als „starken Führer“ vermarkten. Auch wenn seine politische Ideologie eine andere ist so versteht er doch wie damals schon D’Annunzio oder Mussolini, dass politische Botschaften nur emotional, nicht rational wirken müssen. MAGA verfolgt also andere Ziele, bedient sich aber ähnlicher Methoden des Personenkultes. Aus der Inszenierung, egal wie absurd diese ist, erwächst auch für Donald Trump reale politische Macht. Trumps X-Account ist die direkte Verbindung mit seiner Basis, ähnlich wie D’Annunzios Balkonreden oder Mussolinis Radiopropaganda. Feindbilder und Simplizität: „Make America Great Again“ funktioniert wie Mussolinis Kampf „Für das neue Rom“ oder D’Annunzios Hass auf den „verstümmelten Sieg“ im 1 Weltkrieg – einfache Botschaften für komplexe Probleme. Trumps Anhänger verehren ihn als „Retter“ Amerikas vor Globalisierung, Deindustrialisierung und „woken Kommunismus“, eine Dynamik, die dem Personenkult von D’Annunzios sowie den Duce-Mythos erinnert. Die Botschaften müssen dabei keinen tieferen Wahrheitsgehalt haben, wer Sie wiederholt beweist seine Loyalität dem Anführer gegenüber und nur darum geht es. Doch Trumps Inszenierung ist zugleich ein Produkt des 21. Jahrhunderts: Während D’Annunzio und Mussolini physische Präsenz brauchten, genügt Trump ein inszeniertes Foto oder ein viral gehender Tweet, um die Agenda zu setzen. Im Gegensatz zum Duce, dessen Italienische Armee im Weltkrieg nicht sonderlich erfolgreich war, verfügt Trump über die stärkste und technologisch fortschrittlichste Armee der Welt. Seine Reden über die Eingliederung von Kanada oder Grönland sind daher also durchaus ernst zu nehmen.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Vom Ästhetizismus zur digitalen Demagogie
Trotz aller ideologischen Unterschiede verbindet die drei Figuren ein Kernprinzip: Die Umdeutung von Politik in ein unterhaltsames, oftmals völlig absurdes aber um so mehr emotional aufgeladenes Spektakel. Brot und Spiele vermengt mit Populistischem Personenkult ist schließlich ein Rezept das schon bei den römischen Kaisern gut funktioniert hat. D’Annunzio nutzte Gedichte und Reden, Mussolini Radio und Wochenschauen, Trump X und Fox News – jedes Medium dient der Verbreitung eines simplen, wiederholbaren aber spektakulären Narratives. Wie im Falle des Duce wäre auch für Trump ein Erfolg ohne die Unterstützung durch Großkapitalisten wie z.B. Elon Musk kaum möglich gewesen. Alle drei inszenierten sich als „Anti-Establishment“-Rebellen, die Regeln brechen, um „das Volk zu retten“ – sei es durch D’Annunzios hedonistische Feste, Mussolinis Gewalt gegen Linke oder Trumps oftmals unbelegten Angriffen auf die angebliche „Fake News Presse“. Doch die Anti Establishment Rhetorik ist selbstverständlich nur Fassade, da Autoritäre Systeme am Ende doch immer Oligarchische Interessen bedienen. Doch während D’Annunzios Experiment in Fiume schnell scheiterte und Mussolini am Ende des 2 Weltkriegs von Antifaschistischen Partisanen hingerichtet wurde, zeigt Trump, wie digitale Demagogie im 21. Jahrhundert funktioniert: Schneller, direkter und global vernetzter. Mit offenem Ausgang für die US amerikanische Demokratie. Die Inszenierung von Macht ist kein historisches Relikt, sondern eine stets wandelbare Waffe gegen die Demokratie und Freiheit.
Die Demokratie ist also heute wie damals verletzlich und kann verschwinden wenn Sie nicht entschlossen verteidigt wird. Dabei haben sich in der Vergangenheit politische Systeme, wie das der Schweiz welche direkt demokratisch und dezentraler sind, als viel Resilienter gegen autokratischen Personenkult erwiesen. (Siehe: https://die-flaschenpost.de/2024/09/07/antifaschismus-die-schweiz-als-vorbild-fuer-eine-widerstandsfaehige-demokratie/). Die beste Möglichkeit die Demokratie zu schützen könnte also genau darin liegen diese weiter zu entwickeln und auszubauen. Ein Ansatz welcher in der aktuellen Debatte leider viel zu wenig vorkommt.
Interessante Analyse.