Basel, Anfang Oktober. Kunst, Debatte, und Technobeats: Die Hack the Promise vereint zukunftsoptimistische Gesellschaftskritik mit technischen Installationen. Während der Begriff des “Hackers” den meisten eher aus dem Computer-Bereich bekannt ist, setzt die Hack the Promise an dem Prinzip des Verstehens, Veränderns, Verbesserns aus der Hacking-Szene an.
Wo endet die Freiheit, wenn Algorithmen entscheiden? Wie hackt man Macht, ohne sie zu übernehmen? Das Festival ist längst mehr als ein Treffpunkt für Technikfans – es ist ein Labor für politische Imagination. Und so wird in einer Rede dargestellt:
“Der Revolutionär träumt vom leeren Blatt, der Hacker repariert das bestehende System mit Präzision und Mut.”
In diesem Jahr stellte der Verein Digitale Aussicht als Veranstalter die Hack the Promise unter das Motto „Hacking Systems, Hacking Futures“. Mit im Team: Sabin Schumacher, Stadträtin der Gemeinde Lörrach für die Piratenpartei Baden-Württemberg.
Ein Pirat zwischen Freiheit und Autokratie
Schoresch Davoodi, Mitglied des Vorstands der Pirate Party International (PPI) und der Piratenpartei Deutschland, diskutierte in seinem Beitrag auf der Hack the Promise Lösungsansätze in einer sich verändernden geopolitischen Lage.
„Hack the System wenigstens ein bisschen. Wie kann man sich im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Autokratie verhalten“
In einer erneut aufgeflammten Konfliktlinie zwischen liberalen Demokratien und autokratischen Regierungssystemen spannte Schoresch den Bogen von den kulturellen Freiheitsmythen der Jahrtausendwende, die sich in der Kunst in Filmen wie Matrix und Fight Club oder in den Song-Texten von Samy Deluxe ausdrückten, bis zur Gegenwart, in der sich Aktivismus, Ideologie und Autokratien zu unheiligen Allianzen vermischen. Schoresch stellt die Frage: Brauchen wir im 21. Jahrhundert eher Hacker als Revolutionäre? Seine Antwort: Nur wer Systeme versteht, kann sie sicher verändern – und Freiheit darin bewahren.
Während 2023 noch mehrere Piraten auf der Bühne standen – etwa Jorgo Ananiadis und Alexis Roussel von der Piratenpartei Schweiz – war 2025 nur Schoreschs Rede als Beitrag aus dem Kreis der Piratenpartei gekennzeichnet. Zwar kündigten die Piraten beider Länder in Basel weitere Beiträge an, doch im offiziellen Programm blieben sie unsichtbar. Das ist mehr als eine Fußnote: Es zeigt, wie leicht politische Stimmen in kulturellen Tech-Räumen verschwinden, wenn sie sich nicht aktiv sichtbar machen.
SONA – Die Perspektive sehbehinderter Menschen
Die Ende September gewählte Bundesvorsitzende der Piratenpartei Deutschland, Lilia Kayra Kuyumcu, informierte sich in den diversen Workshops der Hack the Promise über innovative Ideen, wie Technologie gesellschaftlich nutzbringend eingesetzt werden kann. Einer dieser Workshops erklärte die akustisch erfahrbaren Virtual-Reality-Installation von ,,SONA“, einer Software, die einem Team aus sehbehinderten und sehenden Menschen in Eigenregie entwickelt wurde, um ein größeres Bewusstsein für die Lebensweise sehbehinderter Menschen zu schaffen. Adriani Botez, Thomas Meckel und Moritz Wesp zeigen den Workshop-Teilnehmern in einem Video, wie sie SONA konzipierten.

Die Software ist spielerisch gestaltet. In einem leeren Raum bewegen sich die Spieler, ausgestattet mit Bewegungserkennung, Kopfhörern, Mikrofon und sensorischen Schuhen real wie auch in einer virtuellen Welt. In dieser können sie erkunden, lernen und verschiedene Level spielen, welche sie sich ohne ihren gewohnten Sehsinn erarbeiten müssen.
Um SONA besser in den Alltag integrieren zu können und inklusiver zu gestalten, wurde die virtuelle Umgebung so optimiert, dass ihre Nutzung auch bei begrenztem realem Raum möglich ist. Ursprünglich wurde die virtuelle Welt in SONA als Kaufhaus gestaltet, nun aber kann man auch in einem virtuellen Ozean leuchtende Punkte einsammeln – mit minimaler realer Bewegung.
Filterworld
Am Sonntag wurde im Projekt Filterworld untersucht, wie digitale Filter – von Face-Filtern über personalisierte Newsfeeds bis zu algorithmischen Kaufempfehlungen – unsere Wahrnehmung, unser Selbstbild und den politischen Diskurs prägen. Geplant ist für Frühjahr 2026 eine interaktive Videoinstallation der Gruppe Wave of Images (Andreas Bütler, Kristina Malyseva, Maximilian Hanisch), die diese Mechanismen künstlerisch erfahrbar macht.
Im Workshop stellte Regisseur Maximilian Hanisch das Konzept vor und sammelte mit Teilnehmenden Beispiele für Filter, die täglich unsere Sicht auf Realität verzerren oder lenken. Ziel war es, die Evolution und Funktionsweise solcher Technologien spielerisch nachvollziehbar zu machen – als kritische Reflexion über digitale Intimität und algorithmische Kontrolle.
Hanisch verbindet Theater, Tanz und visuelle Kunst, um politische Themen wie Überwachung, Datenkultur und digitale Nähe zu inszenieren. Filterworld steht exemplarisch für die Schnittstelle von Kunst und technischer Aufklärung, wie sie das Festival Hack the Promise insgesamt prägt. Filter ist in dem Zusammenhang nicht nur technologisch zu verstehen: Auch persönliche und gesellschaftliche Filter, die Seh- und Denkgewohnheiten, den eigenen Diskurs, aber auch die Debatten insgesamt prägen, wurden in der Diskussion angesprochen.
Filterblasen dienen dem Bedürfnis nach Gemeinschaft und dem Zusammenschluss mit Gleichgesinnten. Aber um ein ganzheitliches Bild zu bekommen, muss man auch sich der eigenen Filter bewusst sein und sie kritisch reflektieren und hinterfragen. Denn nur weil etwas unbequem für die eigene Wahrnehmung ist, darf man davor nicht die Augen verschließen und die Wahrheit „wegfiltern“.
Translation of digitalization to art with pigments
Der Workshop der polnischen Künstlerin Basia Mączka zeigte den Teilnehmenden, wie sie ihre Erwartungen bezüglich der Digitalisierung in Pigment übersetzen – an einem kleinen Tisch mit Buntstiften, Aquarellfarben und Wachsmalstiften.
In mehreren Phasen werden die mit der Digitalisierung verbundenen Versprechen sowie Beispiele ihrer Einlösung oder ihres Scheiterns künstlerisch umgesetzt – mit viel oder wenig Farbe, ganz intuitiv. Später dann wurden auch die Emotionen bezüglich der Veränderung dieser Versprechen zu Papier gebracht.
Die Leiterin des Workshops ging mit viel Empathie und Hilfsbereitschaft auf die Teilnehmenden ein – und die Teilnehmenden gingen mit viel Inspiration und neuem Wissen über sich selbst aus dem Workshop wieder raus.

Was bleibt – und was wir tun können
Wenn wir wollen, dass der Gedanke freier Technologie in Europa lebendig bleibt, müssen wir auch in solchen Räumen lauter werden. Die Hack the Promise 2025 machte deutlich, dass die Themen der Piratenpartei – digitale Selbstbestimmung, technologische Souveränität, Resilienz gegen Autokratien – dort willkommen sind, wo Zukunft diskutiert wird. Aber wir brauchen Präsenz, Gesichter, Mut zur Sprache. Nicht nur als Mahner, sondern als Mitgestaltende.
Wir bedanken uns bei Sabin Schumacher von der Piratenpartei Baden-Württemberg und dem Verein Digitale Aussicht für die Organisation dieses klasse und zukunftsweisenden Events.
