In unserer Reihe der Kandidateninterviews wollen wir euch die Kandidaten für den Bundesvorstand und das Bundesschiedsgericht vorstellen. Heute geht es mit Harald Kibbat weiter, der für einen Posten im Bundessschiedsgericht kandidiert.
Flaschenpost: Am besten stellst du dich einfach mal selbst vor. Wer bist du, wie alt bist du und was machst du?
Harald Kibbat: Ja, ich bin Harald Kibbat, ich bin jetzt seit neuestem 42 Jahre alt, habe eine wunderschöne Freundin, die demnächst ein hoffentlich genauso schönes Kind zur Welt bringen wird, habe eine zukünftige Ex-Frau und mit der zusammen eine gemeinsame Tochter. Und dann gibt es noch ’nen Sohn, der demnächst 18 wird und 12 Jahre lang zu mir Papa gesagt hat. Der ist allerdings nicht die Frucht meiner Lenden, sondern eben der von meiner Unholden. Aber so ist es eben, dass ich zweieinhalb Kinder habe.
Flaschenpost: Dann erst einmal herzlichen Glückwunsch zu den baldigen Erfolgen. Wie bist du denn zu den Piraten gekommen, beziehungsweise warum bist du Pirat?
Harald Kibbat: Ich bin im November 2007 tatsächlich über das heise-Forum zu den Piraten gekommen. Wobei ich von Beruf gar nichts mit IT zu tun habe. Aber ich bin immer schon interessiert gewesen, was sich so an technischen Neuerungen und Möglichkeiten ergibt. Da ist heise irgendwo ein ganz guter Sammelpunkt gewesen, auch wenn ich inzwischen das heise-Forum gar nicht mehr großartig lese, einfach weil da sehr viel Trolliges stattfindet.
Und ja, 2007 davon gehört, dass es, ja, die… Ich bin vielleicht schon immer Pirat gewesen, ich weiß es gar nicht genau. Aber tatsächlich hab’ ich erst 2007 erkannt, dass es zwischen der Wahl zwischen Pest und Cholera auch noch etwas anderes geben muss. Ich glaube, dass die Piraten die Medizin sind.
Flaschenpost: Gab’s irgendeinen politischen Grund für dich, Pirat zu werden, also ’nen ganz bestimmten Auslöser wie zum Beispiel die Zensursula-Debatte?
Harald Kibbat: Die fand ja eigentlich erst danach statt. Also, ich bin zwar offizielles Mitglied seit 1.1.2008, aber, wie gesagt, erst im November oder so bin ich dazugekommen, bin also damals bei dem Bundesparteitag 2007 gar nicht mit dabei gewesen, weil ich noch kein Mitglied war.
Ich habe ein Gespür für politische Veränderungen. Geschichte wiederholt sich leider immer wieder, weil die Menschen scheinbar nicht sonderlich aus der Geschichte lernen können. Vermutlich deswegen, weil sie an der stattgefundenen Geschichte nicht selbst teilgenommen haben. Und ich glaube, dass das, was sich an Überwachung und an Einschränkung von Freiheitsrechten derzeit in unserer Gesellschaft entwickelt – es ist ja leider so, dass es eben in dieser Salamitaktik vor sich geht, dass der Otto-Normal-Bürger sich sagt, ach naja, so schlimm kann das ja nicht sein, und wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten – dass solche Dinge auch von Leuten akzeptiert werden. Ich bin nicht bereit, das zu akzeptieren. Und das ist der Punkt, an dem ich gesagt habe: Nein, ich muss jetzt politisch aktiv werden.
Flaschenpost: Du hast jetzt schon die ersten politischen Schwerpunkte angesprochen, die Überwachung. Hast du denn noch mehr Schwerpunkte, politische Interessen?
Harald Kibbat: Ja, ich denke, dass es wichtig ist, freie Bildung und freien Zugang zu Wissen zu propagieren und das in das Bewusstsein der Menschen hineinzubringen. Ich bin selbst auch für den AK Vorrat als Freiheitsredner aktiv und halte Vorträge an Schulen, Universitäten, studentischen Verbindungen, zuletzt vor angehenden Juristen und Journalisten. Die Themen sind quasi Piratenthemen. Und dieses Unwissen bei vielen Menschen ist etwas, wo ich sage, da müssen wir noch ganz viel machen. Das sind piratige Aufgaben.
Flaschenpost: Welche Ämter hattest du denn schon in der Partei bzw. was hast du bisher so gemacht?
Harald Kibbat: Ich habe für den Wahlkampf damals Plakate geklebt wie ein Weltmeister. Ich bin seit 2008 Schiedsrichter, wobei ich dazu sagen muss: „I am not a lawyer.“ Ich habe also mit Recht und Gesetz, außer dass ich mündiger Bürger bin, quasi nix zu tun, auch beruflich nicht sonderlich viel. Aber ich habe festgestellt, dass es in den Sitzungen der verschiedenen Bundesschiedsgerichte, die jetzt in verschiedenen Konstellationen stattgefunden haben, sinnvoll ist, jemanden dabei zu haben, der gesunden Menschenverstand und ein normales bürgerliches Rechtsempfinden mitbringt.
Ich denke, dass es sehr wichtig ist, im Bundesschiedsgericht auch Leute sitzen zu haben, die formaljuristisch korrekt formulieren können. Aber in der allgemeinen Diskussionen dessen, was an Themen stattfindet beziehungsweise was an – es heißt zwar Klagen aber ich nenne es eigentlich lieber Anrufungen der Schiedsgerichte – stattfindet, ist doch etwas, wo es wichtig ist, mal darauf zu achten, was die Intention des Antragstellers ist.
Ich habe dazu auch irgendwann mal einen Leitfaden, ein HowTo, gemacht. Im Wiki ist das zu finden, ich muss mal gucken, wo ich das liegen habe im Wiki… wie reicht man eine Klage ein. Und da habe ich, glaube ich, ganz sinnvolle Sachen zusammengestellt, einfach so nach dem Motto: „Hast du mit den Leuten, um die es tatsächlich geht, schon mal geredet?“
Oftmals ist es so: Manche Anrufungen sind obsolet, weil der Antragsteller einfach nicht klageberechtigt ist. Das ist einer der Punkte, die ich jetzt mal so in Kürze aufführen möchte. Ganz oft gibt es so Sachen: „Hier, ich lege Einspruch ein gegen die Entscheidung so-und-so, weil der-und-der ist ungerecht behandelt worden.“
Flaschenpost: Das geht jetzt schon ziemlich weit in die Bundesschiedsgerichtsarbeit hinein. Ich würde aber gerne vorher wissen, was dich dazu bewogen hat, erneut für das BSG zu kandidieren.
Harald Kibbat: Ich hab’ die Zeit und ich hab’ die Lust dazu. Und ich bin gefragt worden, ob ich mich hier in Niedersachsen nicht aufstellen lasse als Landesvorsitzender. Ich war auch geneigt, dieses Amt anzunehmen, aber musste es dann wieder von mir weisen, denn meine Freundin ist schwanger, ich werde Vater und ich glaube, dass Familie und Kommunalwahlkampf und gleichzeitig den Landesvorsitz inne zu haben nicht sozialverträglich ist, meiner Meinung nach, jedenfalls für mich.
Und deshalb ist in Niedersachsen ein ganz, ganz tolles Team gewählt worden. Also ich bin da sehr zufrieden mit unserem Vorstand, der jetzt auf dem Landesparteitag gewählt wurde. Ich hab’ also die Zeit dazu, ich hab’ die Möglichkeiten, ich würde gerne meine Energie und Kraft den Piraten in Form des Schiedsrichtens zur Verfügung stellen.
Flaschenpost: Du bist ja schon – wenn ich es richtig verstanden habe – zwei Jahre im BSG. Wie findest du denn bislang die Arbeit dort?
Harald Kibbat: Durchwachsen. Also ich finde, generell ist es, wenn sich die Leute zusammenfinden und sich die Möglichkeit bietet das anzugehen, kriegen wir relativ schnell relativ gut Ergebnisse. Die Schwierigkeit ist, dass wir halt gerade in diesem Jahr ein Bundesschiedsgericht hatten, das aufgrund von Krankheitsfällen – ich nehme mich da nicht aus, ich musste mich da auch mal für ’nen Monat ausklinken – Schwierigkeiten hatten, dass wir einfach unsere Sitzungstermine zusammenbekamen und genügend Schiedsrichter zusammen hatten, um ein Urteil überhaupt fällen zu können.
Das ist also auch etwas, das ich auch noch mal angeregt habe, und ich glaube, es gibt inzwischen auch eine Satzungsänderung, dass wir auch mehr Schiedsrichter bekommen, um einen gewissen Pool an Leuten zu haben. Denn wenn von vorgesehenen fünf Schiedsrichtern zwei irgendwie out of order sind – wegen beispielsweise Krankenhausaufenthalt oder sei es auch nur Tätigkeit im Ausland ohne Zugang zu regelmäßigen Medien – dann ist das Schiedsgericht außen vor.
Nichtsdestotrotz, ich weiß, dass an verschiedenen Ecken eben Unzufriedenheit damit herrscht, wie das mit dem Bundesschiedsgericht und generell den Schiedsgerichten stattfindet. Es gab ja auch diese Schiedsgerichtsmailingliste, auf der einiges Interessantes oder auch Behinderndes lief, das ist mehr oder weniger gewesen.
Aber meine persönliche Ansicht ist: Es ist genügend Sachverstand da, aber wir sind zu wenig Leute, um allein solche Sachen einzuhalten wie dass derjenige, der einen Antrag stellt, eine zeitnahe Gerichtsverhandlung bekommt. Also ich finde fünf, sechs Monate dauern zu lange. Ich nehme mich da wie gesagt selbst nicht aus. Ich bin auch jemand, der sich zwischendurch ’nen Monat Auszeit nehmen musste, einfach wegen Arbeits- und familiärer Belastung.
Es ist auch kein Job, der wirklich ganz einfach ist, weil es natürlich auch bedeutet, dass man sich mit vielen Dingen beschäftigen muss. Ich glaube, dass die, die Schiedsrichter sind, diejenigen sind, die am meisten Satzungswissen haben, aber nicht zwingend darüber reden können, da sie sich sonst für die nächste Gerichtsverhandlung möglicherweise befangen machen.
Flaschenpost: Du hast jetzt schon ziemlich viel Wissen über die Bundesschiedsgerichtsarbeit „ausgeplaudert“. Was qualifiziert dich denn weitergehend für das Bundesschiedsgericht?
Harald Kibbat: Also ich kenne die Abläufe, inzwischen in verschiedenen Zusammensetzungen, und bringe einfach Arbeitserfahrung mit ein.
Flaschenpost: Es gab ja schon relativ viel Kritik darin, das hast du ja auch gerade schon angesprochen, wie im Moment die Schiedsgerichtsordnung (SGO) aussieht, und dass das vielleicht mal überarbeitet werden sollte. Wie siehst du die SGO, wie sie im Moment ist, und wärst du bereit, dich an einer Überarbeitung zu beteiligen beziehungsweise das voranzutreiben?
Harald Kibbat: Ja, ich bin bereit mich daran zu beteiligen. Das auf jeden Fall. Vorantreiben, Leuten in den Hintern treten beziehungsweise selbst Ideen entwickeln. Aber da bietet sich wieder diese Schwarmintelligenz und die Möglichkeit von Piratenpads an, was wir ja durchaus auch im Schiedsgericht nutzen. Und ja, da bin ich gerne dabei.
Flaschenpost: Was ist deiner Ansicht nach das größte Problem an der SGO, wie sie jetzt ist?
Harald Kibbat: Das größte Problem an der SGO…
Flaschenpost: Wenn die Frage zu fies ist, sag es.
Harald Kibbat: Ja, ich glaube, die größte Schwierigkeit, die wir derzeit haben, ist die mangelnde Richterzahl und aufgrund dessen die Nichtabwicklung von Verfahren. Ansonsten ist sie nicht schlecht, aber, ja, sie könnte besser sein. Aber solange wir diese Basics wie regelmäßige Termine aufgrund von mangelnder Personenzahl nicht hinbekommen und darüber eben ’ne Änderung der Schiedsgerichtsordnung… das muss natürlich drinstehen, dass wir eine gewisse Anzahl von X Schiedsrichtern haben und eine Anzahl an Y Nachrückern, die im Krankheitsfall oder falls irgendjemand befangen ist und so weiter da nachrücken kann. Das muss natürlich dann in der Schiedsgerichtsordnung auch entsprechend verzeichnet sein.
Flaschenpost: Auf welcher Grundlage fällst du denn, für dich persönlich, Urteile?
Harald Kibbat: Satzung! Ganz platt: Satzung.
Flaschenpost: Kannst du das ein bisschen konkretisieren?
Harald Kibbat: Der erste Punkt ist, dass ich mir den Antrag anschaue und überlege, ist der Antrag satzungsgemäß gestellt worden, ist derjenige Betroffener. Das ist ganz wichtig: einen Antrag zu stellen, wenn man nicht selbst betroffen ist, ist witzlos. Man kann einen Antrag nur stellen, wenn man selbst von einer Entscheidung betroffen ist.
Und entsprechend, ich lese die Satzung und… Was ich zum Beispiel nicht so sehr mag – aber ich weiß, dass es stattfindet – ist so eine Art Meta-Gaming. Nach dem Motto, wenn wir jetzt so und so entscheiden, dann hat das aber die Auswirkung XYZ. Ja, aber wenn die Satzung es hergibt, der Antrag ist satzungsgemäß gestellt worden, der Antragsteller ist berechtigt, sein Anliegen ist vorgebracht worden, die Gegenseite hat dazu Stellung genommen, und es sind seine Rechte eingeschränkt worden auf irgendeine Art und Weise – sei es, dass es einen Verfahrensfehler in irgendeinem anderen Vorverfahren gab oder dass irgendein Termin abgelaufen ist oder so etwas – ja dann müssen wir so entscheiden.
Ich erinnere mich noch so an eine Situation, da ging es um die Verhandlung von Satzungsänderungsanträgen auf dem Programmparteitag, wo jemand den Antrag gestellt hat, dass keine Satzungsänderungsanträge verhandelt werden dürfen, weil das nicht in der Einladung stand. Und ich weiß, dass es auf Mailinglisten und Foren und so weiter „ja, aber das geht doch gar nicht“… ja, aber der Antragsteller hat Recht, also muss man so entscheiden.
Flaschenpost: Du wärst also im Zweifelsfall auch bereit, Urteile zu fällen – oder fällst auch Urteile – selbst wenn sie der Sache, die du eigentlich bevorzugen würdest, widersprechen, weil die Satzung das so sagt?
Harald Kibbat: Wenn wir uns auf dem Boden des Rechtsstaates befinden, dann müssen wir auch das Parteiengesetz beachten. Und das Parteiengesetz besagt, eine Partei muss eine Satzung haben, und diese Satzung besagt, so und so muss es laufen.
Und wenn die Satzung sagt, wir müssen dienstags Tomaten anbauen und jemand etwas anderes haben möchte, aber es steht in der Satzung drin, dann müssen wir leider so handeln. Dann ist es Aufgabe von Mitgliederversammlungen über Passagen in einer Satzung neu zu entscheiden, wenn das Blödsinn ist. Und wir haben ‘ne ganze Menge Blödsinn in unseren Satzungen drinstehen – in allen Satzungen. Beim Bundesschiedsgericht laufen logischwerise auch Landesschiedsgerichtssachen, die in die Revisionen gehen, auf.
Und da stelle ich fest, dass es Dinge gibt in untergeordneten Satzungen von irgendwelchen Landesverbänden, die…. ich bin Niedersache, wir hatten Verfahren aus Niedersachen, da hatten wir ’ne Entscheidung eines Landesparteitags, der platt gegen das Parteiengesetz verstoßen hatte. Na klar wird das aufgehoben! Aber das war in der Situation nicht zwingend klar.
Flaschenpost: OK, vielen herzlichen Dank für diese Erklärung.
Harald Kibbat: Ja, bitte schön.
Flaschenpost: Ich habe keine weiteren Fragen. Ich glaube, wir haben das jetzt relativ erschöpfend behandelt. Harald, möchtest du noch ein Schlusswort loswerden? Möchtest du noch etwas zu deiner Kandidatur sagen – was genau ist der Grund, dich ins BSG zu wählen?
Harald Kibbat: Erstmal, ich möchte mich bei all denen bedanken, die mir beim letzten Mal ihr Vertrauen ausgesprochen haben, und ich hoffe, dass ich sie nicht allzu sehr enttäuscht habe. Ich hab’ in diesem Jahr mein Bestes gegeben und werde das, wenn ich darf, auch im nächsten Jahr tun.
Flaschenpost: Vielen Dank, Harald. Viel Glück für deine Kandidatur, und vielen Dank für’s Zuhören, wir hören uns dann beim nächsten Interview. Tschüss, und danke!
Harald Kibbat: Ja, bitte. Tschüss!