In unserer Reihe der Kandidateninterviews wollen wir euch die Kandidaten für den Bundesvorstand und das Bundesschiedsgericht vorstellen. Heute geht es mit Rene Brosig weiter, der für den Posten des Schatzmeisters im Bundesvorstand kandidiert.
Flaschenpost: Am besten stellst du dich einfach mal vor. Wer bist du, wie alt bist du und was machst du?
Rene Brosig: Hallo, mein Name ist Rene Brosig. Ich wurde 1976 in Leipzig geboren. Ich bin, wie viele, im Mai 2009 bei den Piraten eingetreten und ich kandidiere für den Bundesschatzmeister. Wie komme ich dazu? Ich habe 1993 eine Lehre zum Industriekaufmann angefangen, hab die dann abgeschlossen und bin seit 1996 im Bereich Rechnungswesen aktiv. Dort bin ich vor allen Dingen in dem Thema Prozessgestaltung inklusive der Schnittstellen zur IT tätig. Dieses Thema betreue ich jetzt seit nunmehr 15 Jahren in verschiedenen Stationen; habe da jede Menge Erfahrung erworben und ich denke damit kann ich einen guten Beitrag leisten, um die Finanzlage bei den Piraten zu strukturieren, zu stabilisieren und vor allen Dingen dem neuen Umfang der Partei anzupassen.
Flaschenpost: Ja, jetzt hast du schon erzählt was dich dazu bewegt zu kandidieren. Hast du schon irgendwelche Ämter bei den Piraten inne gehabt oder warst du schon sehr aktiv bei den Piraten?
Rene Brosig: Ja, ich war im letzten Jahr der Bezirksschatzmeister im Bezirksverband Mittelfranken. Davor habe ich ein bisschen im Wahlkampf in Erlangen und in Nürnberg geholfen – zum Beispiel auf dem Stand des gläsernen Mobils. Ich war im letzten Jahr, als ich Bezirksschatzmeister gemacht habe, auch auf Bundesebene aktiv. Ich habe dort die JuPis bei ihren Finanzfragen unterstützt. Wir hatten da mal einen Termin in Frankfurt, wo ich zusammen mit dem Andi Popp und der Julia Reda unterwegs war, um die Finanzlage der Jungen Piraten zu analysieren. Im Grunde habe ich meine Aktivitäten sehr stark auf dieses Thema, Kommentieren und Beraten der Piraten in Finanzfragen, konzentriert.
Flaschenpost: Und was hat dich dazu bewogen für den Bundesvorstand zu kandidieren?
Rene Brosig: Ich war im letzten Jahr auf der Bundesschatzmeister-Konferenz. Da waren ja die Landesschatzmeister aktiv und ich habe dort den Landesschatzmeister von Bayern vertreten. Auf dieser Konferenz hat Bernd Schlömer angekündigt, nicht mehr zu kandidieren. Aus den Reihen wurde relativ schnell klar, dass die Anzahl an Kandidaten eher sehr gering ist und ich wurde dann, nach dem ich dort einen Vortrag gehalten habe, über die Einführung eines wirtschaftlichen Zweckbetriebes, von mehreren Piraten gefragt, von Schatzmeistern sowie auch nicht-Schatzmeistern, ob ich nicht für diesen Posten zur Verfügung stehen würde.
Flaschenpost: Schatzmeistertätigkeiten bedürfen sehr viel Zeit oder? Allgemein Piratentätigkeiten im Bundesvorstand bedürfen sehr viel Zeit. Wie viel Zeit kannst du für die Piraten aufbringen?
Rene Brosig: Also ich halte das so, wie ich es auch bei meinem Amt als Bezirksschatzmeister gehalten habe. Ich kann in etwa fünfzehn bis zwanzig Stunden pro Woche aufbringen für das Amt. Diese Zeit werde ich auch ganz klar investieren. Bei mir ist es so, dass mir die Arbeit Spass macht. Das ist also keine Arbeit im klassischen Sinn, sondern es sind viele Themen, die sich auch mit meiner beruflichen Erfahrung sehr stark überschneiden, die mich auch weiter bringen, sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld. Insofern ist es gleichzeitig eine Investition in die Zukunft, die ich hier durchführe. Vor dem Hintergrund, 15 bis 20 Stunden, auch durchaus mal ein oder zwei Stunden auf der Arbeit, ist ein Wert, denke ich mal, den ich da investieren kann.
Flaschenpost: Und wie sind, neben deinen finanziellen Interessen, die Interessensschwerpunkte bei den Piraten?
Rene Brosig: Das geht ganz klar in Richtung Politik und politische Entwicklung. Ich spreche mich ganz klar gegen die aktuelle politische Kultur in diesem Land aus, wo Kandidaten aufgestellt werden, die innerhalb der eigenen Partei angenehm sind, die aber keine eigene Position vertreten. Ich möchte gerne Politiker, die eine Meinung haben, diese nach aussen vertreten und wo ich dann, aufgrund dieser Meinung, entscheiden kann, ob ich diesen Politiker wähle oder nicht. Das muss nicht unbedingt eine Meinung sein, die ich immer teile. Es ist durchaus auch möglich, dass jemand andere Meinungen hat. Das ist zumindest mein Verständnis von Politik, denn letztendlich wollen alle im Grunde dasselbe, nämlich, dass es uns allen besser geht, dass wir für alle die Situation verbessern. Die Frage ist nur wie wir das erreichen, und hier weichen die Wege sehr stark von einander ab. Ich möchte Politiker, die sich positionieren, die sagen wie sie ihre Ziele erreichen möchten und abhängig von dem “wie” möchte ich mich entscheiden können, ob ich diese Politiker wähle oder nicht.
Flaschenpost: Dann können wir gleich zur nächsten Frage übergehen. Wie und welche programmatische Weiterentwicklung wünschst du dir für die Piraten?
Rene Brosig: Also eine programmatische Weiterentwicklung ist absolut notwendig. Ich nehme hier eine konträre Position zu unserem Landesvorstand in Bayern ein, dem Stefan Körner. Ich glaube das weiß er auch und wir haben darüber schon sehr intensiv gesprochen. Die Piraten brauchen dringend ein breiteres Programm, ansonsten wird es uns nicht möglich sein über die 5% zu gelangen und mehr politische Gewichtung zu bekommen. Grundsätzlich sehe ich es aber nicht als eigentliches Ziel über die 5% Hürde zu kommen, sondern mein eigentliches Ziel ist ja die Veränderung der Politik im Land. Ich sehe es dafür aber als Zwischenschritt notwendig, diese 5% zu überschreiten, denn wenn wir es nicht tun, werden wir nach wie vor von der Presse nicht ernst genommen. Wir werden als Spasspartei dargestellt und wir müssen von diesem Image wegkommen, wenn wir etwas bewegen möchten in dem Land.
Flaschenpost: Wie findest du sollten die Piraten untereinander, also horizontal und vertikal, miteinander kommunizieren?
Rene Brosig: Also unabhängig vom Medium, spreche ich mich dafür aus, dass Piraten mit deutlich mehr Respekt miteinander kommunizieren, denn das ist heute ein Riesenmanko. Ich selber bin gleich bei meinem ersten Abend, in den ersten Wochen, auf so ein Thema reingefallen, wo über Mailinglisten Kommentare laut wurden, die ich nicht in der richtigen Art und Weise aufgefasst habe, die auch der Andere sicherlich nicht so gemeint hat, aber wo einfach aufgrund der Formulierungen so ein negatives Bild entstanden ist, dass es da schon zu einem persönlichen Streit gekommen ist. Wir konnten den glücklicherweise ausräumen, durch vernünftige Kommunikation und das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir haben verschiedene Medien und ich bin nicht der Meinung, dass es unbedingt der Regelung dieser Medien bedarf, wie wir uns miteinander unterhalten, sondern der Punkt ist, dass wir uns unterhalten und dass wir auch fremde Meinungen mit Respekt annehmen. Wir müssen diese nicht teilen, aber wir müssen sie zumindest annehmen und im Raum stehen lassen können ohne den Anderen als Gegner zu betrachten.
Flaschenpost: Ein weiteres Problem, das es bei den Piraten gibt: Es gibt sehr viele aktive Piraten die mitlerweile schon abgebrannt oder ausgebrannt sind. Wie willst du a) das verhindern und b) passive Piraten dazu bringen sich mehr aktiv einzubringen?
Rene Brosig: Also ein grosser Punkt an der Stelle ist die Unsicherheit der Piraten, also bei den passiven Piraten. Viele wissen nicht genau, wie sie sich engagieren sollen oder mit welchen Mitteln sie sich gut einbringen können. Hier liegt es an uns gewisse Strukturen zu schaffen, die es den Piraten einfacher machen. Das heisst wir müssen die Einstiegshürden senken, indem wir zum Beispiel Kommunikationsplattformen anbieten, Ansprechpartner anbieten und zwar so, dass sich die auch jemand der passiv Mitglied ist erstmal anschauen kann und dann selbstständig auf die Leute zugehen kann. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Piraten, die sich verbrannt haben, da ist es leider so, dass viele Strukturen bei uns noch nicht sauber ausgebildet sind. Die Piraten schaffen sich keine Kernpunkte bei denen sie aktiv sind, sondern sie versuchen an allen Fronten gleichzeitig zu kämpfen. Das ist eine sehr heroische Aufgabe, die man aber in dieser Art und Weise nicht erfüllen kann. Die Piraten müssen sich auf bestimmte Themen konzentrieren, bei ihrer Arbeit, also die einzelnen Piraten, nicht die Piratenpartei. Und diese Konzentration wird dazu führen, dass man die Energie nur punktuell einsetzt und dann hat man auch mehr Ausdauer.
Flaschenpost: Würdest du mit jemandem im Vorstand zusammen arbeiten, den du persönlich nicht leiden kannst?
Rene Brosig: Ja, auf jeden Fall. Damit habe ich auch keine Probleme. Wie gesagt, beruht eine Zusammenarbeit bei den Piraten vor allen Dingen auf Respekt. Das ist zumindest mein Verständnis von Politik. Da möchte ich auch ganz kurz näher drauf eingehen. Politik ist für mich eine Form Kompromisse zu finden. Wie ich es schon vorhin erwähnt habe, hat jeder im Grunde dasselbe Ziel. Die Frage ist: Wie werden wir dieses Ziel erreichen? Und hier vertritt jeder erstmal seinen Standpunkt, aber jeder muss genauso in der Lage sein seinen Standpunkt zur Disposition zu stellen. Der ideale Weg in der Politik ist nicht vorhanden. Man kann nur eine Schnittmenge finden, die für alle gleichsam akzeptabel ist und dafür ist es notwendig miteinander zu sprechen. Ich kann mit jemandem nicht sprechen, den ich nicht akzeptiere. Also der erste Punkt wäre eine Akzeptanz zu schaffen und dann auf Basis dieser Akzeptanz versuchen gemeinsame Standpunkte zu finden.
Flaschenpost: Ziele sind wichtig, aber auch die Zukunft. Welche Zukunft wünschst du dir für die Partei?
Rene Brosig: Also es ist ganz wichtig, dass wir, wie ich das schon sagte, um mehr politisches Gewicht zu bekommen, zumindest einmal die 5% Hürde in irgend einem Landtag knacken. Das ist ein wesentlicher Punkt um voran zu kommen. Wenn wir uns in Zukunft mehr darauf konzentrieren unser Programm zu detaillieren, dann können wir dadurch den Menschen bei wichtigen Fragen Antworten liefern. Es ist heute leider so, dass die IT zwar wichtig ist, aber eben nicht das Wichtigste. Wenn ich heute Menschen frage, die in meinem Umfeld leben, “Was ist für dich ausschlaggebend?”, dann ist an erster Stelle die Familie, die Sicherheit, die Gesundheit und IT ist zwar auch relevant, aber es ist nicht das Kernthema und deswegen wird auch dieses Thema nicht auf dem Wahlzettel entscheidend sein. Wir müssen uns breiter aufstellen, wir müssen den Menschen hier eine Perspektive geben. Und dazu ist es notwendig, dass wir die Piraten mit bestimmten Sachfragen verbinden.
Flaschenpost: Kommen wir noch zur letzten Frage: Warum sollten wir dich wählen?
Rene Brosig: Das ist eine sehr schwierige Frage und jeder Personaler würde sagen, da gibt es eine gute Antwort: Weil ich gut bin. Das möchte ich hier nicht so im Raum stehen lassen. Es ist so, dass ich jede Menge Erfahrung mitbringe. Ich sehe mich aber auch nicht als jemanden, der dieses Amt unbedingt ausüben möchte. Ich sehe mich eher in der Position, dass wir jemanden für diese Amt brauchen und das ich die Anforderungen für dieses Amt erfülle. Ich hätte auch kein Problem damit, wenn sich andere Kandidaten finden, die besser geeignet sind, die ich an der Stelle unterstützen kann.
Flaschenpost: Vielen Dank Rene für dein Interview, wir wünschen dir viel Erfolg, dass du die anderen Piraten mit deinen Zielen überzeugen kannst. Bis spätestens zum Bundesparteitag in Heidenheim.
Rene Brosig: Dankeschön.
my Bundesschatzi 😉
jo sogut wie gewählt 🙂
Schade, dass bei diesem Interview nur die Allgemeinplätze abgefragt werden. Vor allem bei einem so spezialisierten Posten, wie dem des Bundesschatzmeisters, hätte ich mir mehr Aussagen gewünscht, die der Kandidat für genau dieses Amt entscheidend findet.
Finanzen sind und werden für uns in zunehmendem Maße wichtiger, wir nehmen inzwischen in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß an der Parteienfinanzierung teil und der Bund erhält einen nicht unbedeutenden Teil hiervon. Auch bei einer Mitgliederzahl von etwa 12.000 kommt an Beiträgen und Spenden einiges zusammen. Hier hätte mich interessiert über welche Kanäle der Bundesschatzmeister dieses Geld arbeiten lassen will, wie er eine “gerechte” Verteilung organisieren will und wie er sich vorstellt in Zukunft Spenden, die für den Erhalt der Parteienfinanzierung notwendig sind, zu generieren. Möchte er eine Umverteilung zu den strukturschwachen Regionen oder in die Länder mit Wahlkampf, was sind hier seine Pläne?
Neben diesen Aussagen hätte mich auch interessiert, wie er den schieren Aufwand von Buchungen in Zukunft gestalten möchte, denn mehr Geld bedeutet auch mehr Anschaffungen, bedeutet auch mehr Aufwand für Buchführung. Wie will er es schaffen diesen gewaltigen Mehraufwand organisatorisch zu bewältigen?
Wie stellt er sich die Zusammenarbeit mit den Schatzmeistern der nachfolgenden Untergliederungen vor? Wie will er hier den Informationsfluss gestalten?
Ich hoffe, dass ihr hier noch ein Interview nachschiebt, was gehaltvoller ist als dieses hier.
Auch würde ich mir, aus demokratischen Verständnis heraus, wünschen, dass Rene hier einen Gegenkandidaten findet. Denn so kann er bereits vor der Wahl zeigen, ob er der geeignete Mann für diese verantwortungsvolle Stelle ist. So wird die Wahl nicht zu einer Farce, und Ziele und Konzepte stehen im Vordergrund und nicht der Mangel an Alternativen. Ein Amt, dessen Besetzung alternativlos ist, wird nie die Stärke und den Respekt erfahren, den es verdient.
Gruß,
Alexander aus NRW
Hallo Alexander.
Unser Ziel mit den Interviews kann und soll nicht sein, jede Frage erschöpfend zu beantworten, sondern einen grundsätzlichen Eindruck von den Kandidaten zu vermitteln. Wir werden definitiv nicht noch ein Interview “nachschieben”. Das wäre bei uns, abgesehen davon, dass wir dafür die Ressourcen nicht haben, auch fehl am Platz. Für weitergehende Fragen hat Rene, wie die meisten anderen Kandidaten, eine Wikiseite eingerichtet: http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:PiratNEA/Kandidatur2011
Frei nach dem Motto “Denk selbst, informier Dich” kann ich Dir nur raten, ihm Deine Fragen dort zu stellen!
Beste Grüße,
Gefion
Ahoi Gefion,
na gut, dann wende ich mich halt dort hin. Ich denke aber, dass Text eine Aussage in ihrem Informationsgehalt recht einschränkt und ein Interview eine weitere Ebene der Informationen ermöglicht. Daher finde ich es Schade, dass ihr kein weiteres Interview nachschiebt.
Dennoch, danke für Eure Mühe.
Gruß,
Alexander
Hi Alexander,
für weitere Fragen macht der Dicke Engel Gesprächsrunden mit den meisten Kandidaten. Ich bin sicher dass Rene da auch dabei ist und Du Deine Fragen direkt im gespräch mt ihm loswerden kannst.
Wir haben schlicht und ergreifend nicht die Ressourcen für mehr als ein Interview pro Kandidat.
Beste Grüße,
Gefion