Im Rahmen des Käptn’s Cast geht es nach einer eher unfreiwilligen Pause endlich weiter – diesmal mit Marina Weisband, politische Geschäftsführerin der Bundespiraten.
Flaschenpost: Erstmal allgemein was habt Ihr in den letzten Wochen so getrieben?
Martina: Was haben wir so getrieben? Also wir als Vorstand haben eine ganze Menge getrieben und das Größte davon – schätzungsweise 80 % – war irgendwie Tagesgeschäft. Es war irgendwie klarkommen mit Dingen die auf uns ein prasseln. Ganz viele Konflikte und da hat jemand gegen die Satzung verstoßen und wie können wir das rechtlich machen und die-wollen-nicht-aber-wir-wollen und das muss man halt alles klären.
Flaschenpost: Also viel Kleinkram?
Marina: Ja, ganz ganz viel tatsächlich. Das unterschätzt man, glaube ich. Ich habe wirklich Mühe die Übersicht zu behalten über Projekte, die ich machen will und Neues was ich an den Start kriegen will. Über all das was wir eigentlich so von Tag zu Tag stundenweise geregelt bekommen müssen.
Flaschenpost: Gab es denn schon etwas Großes, dass Ihr in Angriff genommen habt?
Marina: Ich natürlich, mit meinem Konzept der internen Meinungsbildung. Die Verwaltung hat ganz grosse Umstrukturierungen. Also Wilm und René haben da ganz große Sachen angestoßen. Wilm man macht sich im Moment an die Rettung der IT, die wohl ein wenig überfordert. Das ist selbstverständlich.
Flaschenpost: Seit dem Servergate-Vorfall sowieso.
Marina: Ja, da sowieso. Das hat noch gefehlt, glaube ich. Ich habe halt so ein bisschen das Projekt Liquid Feedback mit am laufen, wo auch viele Dinge geändert werden sollen und wir haben die Wahlrechtskampagne ja nächsten Monat starten, um die sich, glaube ich Sebastian hauptsächlich kümmert, aber er kümmert sich je um unglaublich viel. Und Gefion macht halt ganz viel mit der internen Kommunikation und der Website zur Zeit.
Flaschenpost: Kommen wir zu Dir im Speziellen. Du hast ja schon angesprochen dass Du ein Konzept vorgestellt hast innerparteilichen Diskurs. Kannst Du das mal ganz kurz zusammenfassen?
Marina: Ganz, ganz kurz: Im wesentlichen ist es mal eine Grundlage. Überall im Internet haben wir Meinungen und Diskurse zu politischen Themen, auf Twitter, über Mailinglisten, den Dicken Engel und so weiter. Die möchte ich gerne in Textform zusammenbringen und verlinken, eine Linksammlung anlegen. Ich möchte gerne sie nach Themen differenzieren und auch nach Standpunkten trennen und dann je nach Standpunkten zusammenfassen. Dafür habe ich vorläufig erstmal das Wiki gebucht. Ich möchte dann, sozusagen mit Einzelmeinungen herauskristallisieren, die es so gibt.
Flaschenpost: Meinungen von Piraten oder von egal wem?
Marina: Von Piraten. Also man muss nicht Parteimitglied sein, aber es geht erstmal um innerparteiliche Meinungsbildung. D.h. natürlich kann ich einen Wirtschaftsexperten von Außen Fragen und seine Meinung da verlinken. Aber es geht erstmal um die Entscheidung, wie stehen wir als Partei zu etwas. Dann folgt eine Phase, wo ich versuchen will diese zusammengefassten Meinungen voneinander zu trennen. Also wenn es zu einem Thema zwei konkurrierende Meinungen gibt, möchte ich sie voneinander getrennt behandeln und zu konkurrierenden Anträgen für den Bundesparteitag ausarbeiten. Und dazu benutze ich als Tool Liquid Feedback, das ist sehr schön Meinungen mehrheitsfähig machen kann.
Flaschenpost: Da kommen wir nochmals darauf zurück. Wie geht es denn nach Liquid Feedback weiter, nach diesem Schritt.
Marina: Für die wichtigen Sachen, für die größeren Entscheidungen, die wir als Partei treffen müssen, ist es unumstößlich, dass dann ein Programmparteitag anschliesst, wie wir ihn jetzt Ende des Jahres planen. Dort werden die Sachen abgestimmt, also die konkurrierenden Anträge werden vorgestellt und abgestimmt, und werden dann zu unserer Parteimeinung. Das hat halt den Vorteil, dass der Prozess, also wie es dazu gekommen ist, ganz transparent ist, jeder konnte mitmachen, jeder konnte seine Meinung als Ganzes darstellen, in einem Blogbeitrag oder so, den er da verlinkt hatte. Also letztlich hoffe ich einfach, dass das viele dieser Einzelmeinungen auf wenige konkurrierende Meinungen reduziert werden können und dadurch, dass der Antrag schon so einen langen Weg gelaufen ist, er gut verstanden und verdaut ist.
Flaschenpost: Welche Rolle werden dann Online-Tools wie Liquid Feedback dazu spielen und vor allem wie gehst Du mit Kritik an dem System um? Es gibt ja immer noch eine Menge Kritiker.
Marina: Richtig. Kritik bedeutet für mich in erster Linie immer eine Verbesserungswürdigkeit. Damit meine ich nicht, dass wenn ein Einzelner etwas schlecht finde, dass ich dann hinterher renne und sage: “Oh, das muss sich jetzt ändern.“, sondern wenn ganz ganz viele einen Punkt kritisieren, dann gehört der geändert. Im Moment nehme ich mir die Kritik am Liquid Feedback zu Herzen und habe halt, also wir und das Liquidfeedbackteam auch schon von früher, hatte mehrere Projekte gestartet um das zu verbessern. Was ich hoffe noch in dieser Woche initiieren zu können, ist ein Redesignwettbewerb. Wo also Designs entwickelt werden, damit die Benutzerfreundlichkeit des Systems erhöht wird und so weiter. Es gibt aber auch Kritik am System, die einfach – es schreien zwar einige wenige ganz ganz laut, dass da Dinge nicht stimmen, aber man sieht eigentlich an den Nutzerzahlen, dass da andere Punkte im Vordergrund sind. Also ich versuche mich schon ein bisschen zu orientieren: Woran scheitert die Benutzung des Systems wirklich? Ich versuche es zu verbessern, weil ich glaube, dass wir ähnliche Systeme brauchen werden. Ich habe schon gesagt die wichtigsten Anträge können auf Programmparteitagen entschieden werden, aber früher oder später finde ich sollten wir gerade als vorreitende Partei dahin kommen, dass wir auch online Meinungsbildung durchführen können und zwar auch verbindlich.
Flaschenpost: Du hast den Vorschlag zum innerparteilichen Diskurs ja auf Deiner Webseite gepostet und da gab es die einige Kommentare dazu. Was gab es da denn? Gab es da auch viele Toolvorschläge?
Marina: Allerdings. Es gab zwar jede Menge positives Feedback über mein System, aber dann kam das: „Ja, für den Schritt, wäre das Tool perfekt geeignet und hier dieses Tool und hier, da habe ich doch mal was entwickelt“. Also einige Leute stehen dann ganz flammend dahinter, dass sie eigentlich genau das Richtige für mich haben, weil das Wiki ist als Tool umstritten und Liquid Feedback halt auch ein bisschen. D.h. ich habe die letzten Wochen eigentlich damit verbracht, mir Tools anzusehen, also überall mich zu registrieren und zu gucken: Wie funktioniert das? Wie macht das Meinungsbildung? Ist da zum Beispiel der Konsens dabei? Das ist also ein Tool um tatsächlich Konsens zu entwickeln in einem Disput oder BasDem, so ein basisdemokratisches Tool und ich habe einfach festgestellt: Es gibt tatsächlich sehr gute Sachen und es gab die Überlegung ein Tool-BarCamp zu machen und im Moment ist das angesetzt. Ich weiß das Datum nicht auswendig, aber dass man sich einfach im Real Life trifft und gemeinsamen Tools bespricht. Wozu sind sie gut und was können Sie, was können sie nicht? Wie setzen wir sie sinnvoll ein und wie reduzieren wir die Anzahl wieder.
Flaschenpost: Okay, also ein sehr grosser Tooldiskurs.
Marina: Genau.
Flaschenpost: Nächste Woche geht also eventuell ein Designwettbewerb los. Die Crew Saftige Kumquat hat auch schon ein bisschen vorgelegt. Hast Du mit denen schon Kontakt?
Marina: Mehr als das. Von denen stammte die Idee. Die haben gesagt, wir haben hier etwas entwickelt, aber Konkurrenz belebt das Geschäft und wir möchten gerne auch von anderen Designvorschläge haben: Bundesvorstand, mach’ doch mal ‘nen Wettbewerb draus. Ich bin jetzt halt erst dazu gekommen, weil ich mich noch unterwegs mit zehntausend Leuten in Verbindung setzen musste und deren Antwort wiederum abwarten musste. Aber das Ding ist jetzt praktisch schon druckreif. Ich gebe den Text jetzt noch an Gefion, dann stellt sie den ins Vorstandsportal. Ich habe deren Entwürfe schon gesehen, die stehen ja auch schon online. Die sind richtig super und ich hoffe, dass wird ein Vorbild sein für ganz viele, die sich da hoffendlich auch Arbeit und Gedanken machen, vielleicht deren Vorschlag verbessern, vielleicht etwas ganz Eigenes ausarbeiten.
Flaschenpost: Okay, was ist denn sonst so passiert? Gab es irgendwelche interessanten, politischen Themen, an denen gearbeitet worden ist? Du hast die Wahlrechtskampagne angesprochen.
Marina: Also die Wahlrechtskampagne ist jetzt das Thema, das wir am meisten versuchen zu pushen, weil es erstens eines der Themen ist, die im Moment zeigen wie kränklich das demokratische System in Deutschland zur Zeit ist. Dass die Regierung also einfach sagen kann: „Nein, Bundesverfassungsgericht, wir sollten da jetzt, aber wir haben uns noch nicht so die Gedanken gemacht“. Eigentlich haben wir ab dem 1. Juli de facto dann kein Wahlrecht. Und das ist natürlich etwas, das die Piraten aufnehmen sollten und wo wir auch einiges dazu zu sagen haben. Erstens als Partei, die sich zur Aufgabe gemacht hat die Regierung zu beobachten und zu kritisieren, und zweitens als Partei, die sich ganz ganz viele Gedanken um das demokratische System macht. D.h. es ist jetzt an uns, auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und zwar durch möglichst viele Aktionen, durch Demos, durch Pressearbeit. Was ich noch ganz interessant fand an politischen Themen letzter Zeit: es haben ja die Sozialpiraten ihre Arbeit aufgenommen. Die gucken also wie können wir die Forderungen nach der gesellschaftlichen Teilhabe, die wir auf dem letzten Programmparteitag beschlossen haben, umsetzen. Wie können piratige Forderungen nach Sozial- und Wirtschaftspolitik aussehen? Und die versuchen da im Moment so ein bisschen einen Überbau über viele AGs zu schaffen und viele AGs miteinander ins Gespräch zu bringen.
Flaschenpost: Vielen Dank, Marina, für das kurze Interview für den kurzen Status und nächste Woche geht es dann mit Matthias weiter. Danke Marina!
Marina: Ich danke Dir. Tschüss!