Im Interview: Johannes Thon (@Duesenberg_), Kandidat für die Wahl zum Bundesvorstand auf dem Bundesparteitag 12.1.
Flaschenpost: Heute wieder mit Kay und zu einem ganz anderen Thema: Der letzte Bundesparteitag liegt ja gerade ‘mal vier Wochen zurück und schon wirft der Nächste seinen Schatten voraus; der Bundesparteitag 12.1. Da gibt es dann wieder Wahlen zum Bundesvorstand und die Flaschenpost möchte die Kandidaten im Vorfeld schon einmal vorstellen. Per Skype zu Gast war Johannes Thon (Duesenberg). Ihm habe ich in einem ausführlichen Gespräch auf den Zahn gefühlt und in den kommenden 30 Minuten gibt es zu hören, was dabei herausgekommen ist.
Flaschenpost: Da sage ich erstmal hallo.
Johannes: Guten Morgen.
Flaschenpost: Guten Morgen – naja gut, morgen – um die Zeit… Du bist einer der Kandidaten, habe ich mir sagen lassen.
Johannes: Richtig!
Flaschenpost: Die Frage ist allerdings zunächst erstmal: Pirat bist Du seit wann? Bzw. wie lange schon?
Johannes: Ich bin unmittelbar nach der Gründung des Landesverbandes Rheinland-Pfalz, das war Ende 2008/Anfang 2009, Pirat geworden und war eigentlich auch schon vorher sehr verbunden mit den Leuten, weil die standen eines Tages vor der Kleinen Freiheit (das ist eine kleine Kneipe hier in Koblenz in der Altstadt) und suchten einen Stammtisch und ich konnte damit seiner Zeit überhaupt nichts anfangen – „Piratenpartei und was machen die?“ – Aber ich habe dann das alles ermöglicht, dass die da tagen können.
Die können montags, wenn Ruhetag ist, auch alleine in der Gaststätte sein und irgendwann war dann Europawahl und dann standen da 30 Leute und ich dachte: „Na, jetzt musst du einmal näher darauf eingehen, was sie da überhaupt machen“. Und dann gab es dann eine Landesversammlung in so einer kleinen Altstadtkneipe, und dann platzte das aus allen Nähten. Und einige von den Leuten fand ich recht spannend und dann bin ich dann auch 2009, ich meine es wäre März gewesen, Mitglied geworden. Und dieser Schritt war für mich eigentlich sehr, sehr schwierig und ich war vorher nie Mitglied in einer politischen Partei und so etwas ähnliches wie ein Politiker. Das war sehr, sehr schwierig für mich, weil Politiker waren mir schon immer eher suspekt, um das einmal milde auszudrücken.
Flaschenpost: Johannes Düsenberg ist 1967 geboren, Familienstand dürfte verheiratet sein, wenn ich das so richtig mitbekommen habe.
Johannes: Ja, wir haben am 5. November geheiratet diesen Jahres. Also ganz frisch. Übrigens auf dem Personenfahrschiff Fortuna, hier auf dem Rhein und das ist auch das Schiff, wo der Landesverband Rheinland-Pfalz gegründet worden ist seinerzeit.
Flaschenpost: Aha, das hat ja schon fast etwas von familiärer Verwurzelung. Darf man fragen, was du beruflich tust?
Johannes: Selbstverständlich. Wir haben hier am Rhein ein Haus, das sind Proberäume drin, mein kleines Tonstudio und da ist eine Schlagzeugschule drin und ich arbeitete als Gesangslehrer, als Musiker, unterrichte Bands, also Bandcoaching nennt man das ja neudeutsch und leite hier in Koblenz und Umgebung Chöre. Vorher war ich jahrelang Gastronom hier in der Altstadt, unter anderem auch von der Kleinen Freiheit, wo ich dann auch die Piraten kennen gelernt hatte.
Flaschenpost: Spielst du selber Instrumente oder bist du eher mehr nur der Lehrer?
Johannes: Ich spiele natürlich mehrere Instrumente, von früher her hauptsächlich Cello, dann habe ich irgendwann Bassgitarre gespielt, weil ich gemerkt habe: in einer Punk-Kapelle kommt man mit dem Cello nicht so gut an. Gitarre habe ich schon auch gelernt und spiele natürlich auch Klavier, weil das brauche ich im Alltag; ich spiele aber nicht so gerne Klavier. Obwohl es gibt auch Momente, da spiele ich gerne Klavier. Ich spiele schon, was ich an Instrumenten brauche. Ich mache auch sehr viel Filmmusik und da spiele ich dann doch den meisten Sachen selber ein. Es sei denn, es ist irgendetwas das ich überhaupt nicht kann, dann muss ich natürlich auf andere Leute zurückgreifen.
Flaschenpost: Sehr interessant. Da haben wir ein bisschen etwas über die Person erfahren. Wir kommen mal zurück zur Piratenpartei und dem was du damit persönlich zu tun hast. Was mich jetzt interessieren würde, welche politischen Interessenschwerpunkte hast du denn, die dich mit der Partei verbinden?
Johannes: Beruflich gesehen hat mir das, was die Piratenpartei da seinerzeit propagiert hatte, überhaupt nicht gefallen. Also Urheberrecht und Musik Kram und GEMA und so, aber ich will da nicht jetzt noch einmal so eine Diskussion anstossen. Es gibt andere Dinge, die finde ich da viel viel wichtiger, zum Beispiel Patente auf Lebensmittel oder Ähnliches – das kann es eigentlich nicht sein. Wir müssen gucken: wie ist denn der status quo, wie gehen wir damit um und wie kann man da ‘was programmatisches draus machen. Und das ist in Offenbach, glaube ich, auch ganz gut gelungen.
Wir haben jetzt viele Prozesse angestossen, das gilt auch für das bedingungslose Grundeinkommen, das ist eine wahnsinnige, faszinierende Vision.Das mag vielleicht mit der Gesellschaft jetzt, hier und heute nicht funktionieren, aber das nicht anzustossen und nicht darüber nachzudenken und zu diskutieren und einfach zu sehen, dass unsere momentane wirtschaftliche und gesellschaftliche Struktur auch irgendwo am Ende sind. Wir können nicht so weiter. Wo soll der ganze Wachstum, wo soll das denn dauernd und immer herkommen? Der Kapitalismus kollabiert – wenn ich das sehe, dann in dem Zusammenhang: meine Frau ist Altenpflegerin, da verkommt ein alter Mensch zu einem Wirtschaftsfaktor. Der ist so und soviel wert und der kriegt in zwei Minuten die Zähne geputzt und der hat in 15 Minuten zu essen und was weiss ich. Und wenn sie mir dann manchmal erzählt, dass es alte Leute gibt, die einfach um ein bisschen Aufmerksamkeit flehen, betteln, das ist ganz schlimm.
Wenn man sich das dann mal näher überlegt, dass in keinem – und das ist wirklich in keiner Krankenkasse/medizinischer Dienst und was es da alles gibt – gibt es den Faktor menschliche Ansprache und das wird freiwillig geleistet, das machen im Krankenhaus Grüne Damen oder im Altenheim Verwandte oder wie auch immer und das spielt da mit rein.Viele Leute können sich das gar nicht leisten, ich kenne Familien, die sagen: Ja, ich würde meine Oma pflegen oder auch gerne zuhause haben, auch um den Familienzusammenhalt mit den Kindern usw. und so fort, aber das können sich die Leute nicht leisten, weil beide arbeiten gehen müssen.
Das sind Dinge, die spielen da auch rein und dann kommen Leute und sagen: „Ja, dann schafft keiner mehr was.“ Das ist Blödsinn. Wir Menschen haben Freude an der Arbeit: es gibt Menschen, die haben Freude am schöpfen; wir haben Leute, die wollen etwas gestalten; wir haben Leute, die wollen für andere Menschen da sein und das zeigt ganz klar, dass wir diese Dinge bedenken müssen, dass das durchdiskutiert werden muss, dass da Modelle gefunden werden müssen. Wer weiss, wo wir in 5 Jahren mit unseren Erkenntnissen stehen. Die Entwicklung ist rasant, soziologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Und sich der Diskussion jetzt zu verwehren und das einfach so abzubügeln, wie das aus den etablierten Parteien kommt, dann denke ich mir: „Leute, ihr habt den Schuss nicht gehört.“ Und da spielen jetzt die Piraten politisch eine ganz wichtige Rolle, weil die Piraten an den Stammtischen den Leuten die Entschuldigung nehmen, nichts zu tun. Wie oft höre ich das? “Ja, die da oben, die machen ja sowieso, was sie wollen und die sind alle korrupt” und das war’s. Und wir als Piraten können sagen: „Nein, das stimmt nicht.
Da ist die Piratenpartei: wir haben Medien, wir haben dieses, wir haben jenes. Bring dich ein, formuliere deine Ideen, such dir Mitstreiter. Du kannst aktiv Politik machen“. Damit schliesse ich auch jetzt den Kreis. Das ist auch mit ein Grund, wieso ich gerne in den Bundesvorstand möchte, um dieses gesellschaftliche Bindeglied zu sein, zwischen den etwas älteren – und ich bin ja auch eher so mittelalt – und den ganz jungen Nerds. Weil ich glaube unsere Partei krankt noch ein bisschen da dran, wir kommen aus dem Internet, der Nerdworld, aber ich bin aber auch jemand, der auf der anderen Seite zu hause ist. Und ich würde gerne halt viele Menschen mitnehmen, auch aus der Gesellschaft, die jetzt zwar Computer und so kennen, aber jetzt nicht unbedingt so aus dieser Computergeneration stammen.
Und wenn die mir dann sagen: „So, Johannes, ihr habt ja nicht so viele Programme und bei euch kauft man ja die Katze im Sack“. Dann kann ich denen sagen: „Hey, wir sind der Sack und du tust jetzt deine Katze bitte selber da rein“. Das sind so die Dinge, mit denen ich mich beschäftigen möchte und einfach da auch ein Signal setzen an viele Musiker, die uns ja auch sehr kritisch betrachten und sagen so: „Hmm, ja, die wollen mir mein Eigentum wegnehmen, mein geistiges und so“. Das ist so mein Wahlprogramm für den Bundesvorstand.
Flaschenpost: Die Frage war ja eigentlich Interessenschwerpunkte, zunächst erstmal nur. Also bedingungsloses Grundeinkommen ist eine Sache, die für dich grundsätzlich erst einmal interessant und zu verfolgen ist. Urheberrecht demnach auch. Was gibt es noch? Sind das so die wesentlichen Sachen oder hast du noch irgendetwas kleines, wo du sagst, wenn du dafür Zeit hättest, würdest Du dir das auch noch anschauen?
Johannes: Naja, gut, ich bin auch, was die Dinge angeht, internationale Geschichten, wie ein absoluter Gegner der Todesstrafe, das ist mit mir nicht zu machen. Da habe ich auch noch gestern hier etwas mit Amnesty International angestossen, weil in Weissrussland gibt es das ja noch, Japan und die Amerikaner natürlich. Und das bringt auch den Aspekt rein, dass die Piraten ja auch international, also auch eine internationale Bewegung sind, das sieht man in Russland – da hat man russische Fahnen gesehen.
Man findet piratige Ideen in der Occupy-Bewegung und ich will hier keine Gerüchte in die Welt setzen, bei Anonymus könnte ich mir auch vorstellen, dass da der eine oder andere Sympathisant ist. Wobei diese Dinge auch kritisch zu betrachten sind. Klar sind das so Husarenstückchen und keiner kann sich dagegen vereinen und so sagen: “da haben Sie mal wieder etwas gemacht“, aber auf der anderen Seite ist es natürlich auch ein Verbrechen. Diese Robin-Hood-Romantik ist da sehr gefährlich und auf der anderen Seite auch wieder ein Punkt, der die Leute wachrüttelt und klarmacht: “Passt einmal auf, ihr könnt nicht mehr so weitermachen, wie ihr euch das alle vorstellt, ihr müsst neue Wege gehen und ihr müsst vor allem einmal lernen, auch den jungen Menschen zuzuhören”. Sprich: internationale Piratenarbeit finde ich ganz spannend, versuche ich mit meinen bescheidenen Möglichkeiten etwas zu machen.
Flaschenpost: Interessenschwerpunkte gibt es auf jeden Fall genug und so wie es klingt ist das Engagement dafür auch grundsätzlich da. Was ich dann dazu bewogen hat für den Bundesvorstand zu kandidieren, das hast du ja eigentlich schon vorhin gesagt: Der offensichtliche Wille, da mit jeder Menge Engagement und der möglichen zur Verfügung stehenden Zeit auch etwas zu erreichen. Bist du von selbst auf die Idee gekommen diese Kandidatur aufzunehmen oder haben da andere Leute auch eine Rolle gespielt?
Johannes: Also das war für mich und das ist für mich immer noch eine sehr sehr schwierige Entscheidung. Du hast den Faktor Zeit genannt; klar ich habe den Vorteil, ich kann mir mein Zeit selber frei einteilen weitgehendst. Also das ist ein Punkt. Und als ich mich im Sommer dieses Jahres dann zum Beisitzer habe wählen lassen, das war auch so ein bisschen aus der Euphorie heraus: „Ja, hier die Piraten in Berlin und so…“. Also schon so ein Erfolgspirat. Und das war der Grund zu sagen, o.k. ich trete jetzt an, ob ich gewählt werde steht auf einem ganz anderen Blatt.
Das muss man halt einfach sehen, was ich halt mitbringe ist: ich kann frei vor Menschen reden, ich kann mich artikulieren, ich kann auch deutlich sprechen und wenn das jetzt mit dem Bundesvorstand nicht sein sollte, wäre ich jetzt nicht böse drum, aber ich mach es richtig oder gar nicht. Das war schon immer so ein Motto von mir und dann ist ja in Rheinland-Pfalz auch noch genug zu tun und da bleibe ich dann da vielleicht im Vorstand, wenn man mich wählt, muss man schauen.
Flaschenpost: Wenn wir es mal auf die Piraten beziehen, wirst du wahrscheinlich so oder so nicht arbeitslos, egal auf welcher Ebene du dich dann engagiert einbringst. Was würdest du denn denken, was dann an Arbeit konkret auf dich zukommt im Bundesvorstand, bzw. hast/hättest Du deine Aufgabe schon vor Augen?
Johannes: Ich habe da schon eine konkrete Vorstellung. Ich schiele ja in erster Linie auf eine Beisitzergeschichte, wobei ich auch dann gesagt habe, das kam dann auch so ein bisschen von den Leuten die sagten, ich solle es mal versuchen – konkrete Vorstellung, klar als Beisitzer hat man natürlich eine gewisse Möglichkeit… Wie soll ich das erklären? Ich bin halt ein sehr diplomatischer Mensch. Ich bin niemand, der jetzt grundlos harmoniebedürftig ist und ich bin halt ein guter Team Player.
Der springende Punkt ist: ich würde ganz gerne eine Schnittstelle sein zwischen der Basis und den einzelnen Gliederungen zum Bundesvorstand oder den einzelnen Organen zum Bundesvorstand hin, weil mir aus meiner täglichen Piratenerfahrung da auch einfach ein bisschen die Schnittstelle fehlt. Da würde ich ich dann halt gerne auch meinen Beitrag leisten in organisatorischen Abläufen, aber auch ganz viel in der Kommunikation zwischen den einzelnen Organen/Verbänden/Gliederungen und so weiter und sofort. Neben der alltäglichen piratigen Beisitzerarbeit, die ich hier auch vom Landesverband her kenne. Ich glaube da müssen wir jetzt im Detail nicht darauf eingehen.
Flaschenpost: Nein, müssen wir nicht, die Frage war ja einfach nur zu erfahren, was du dir vorstellst, was du gerne machen möchtest und auch, warum du das kannst. Im Prinzip also die Frage gleich wieder zusammen beantwortet. Die Vermittlerrolle ist also im wesentlichen das, was du anstrebst, weil du sagst, Du hast es ganz gut drauf, die Organe und die einzelnen Ebenen zusammenzubringen und das, was die wollen, irgendwie in ein paar Sätzen zusammenzufassen.
Johannes: Also ich sage das mal so: die Piraten neigen dazu, in ein Geschäft für Liebesartikel zu gehen und kaufen sich einen ganz tollen Wunderstab und anstatt das Ding zu benutzen, holen Sie es aus der Verpackung, lesen Sie die Gebrauchsanweisung und überlegen sich dann, was man daran noch verbessern könnte. Da denk ich mir manchmal… Also Formalfick – ich wollte das Wort jetzt nicht sagen – das erlebe ich gerade aktuell, wo ich mir denke: ja, Leute… es geht mir einfach um die politische Etikette, da fehlt es manchmal und mir geht es um die politische Kultur und auch um die Kultur im Allgemeinen.
Flaschenpost: Auf Deutsch: Einfach mal die Sachen auf den Punkt bringen?
Johannes: Die Sachen auf den Punkt bringen. Da fehlt mir echt manchmal – das ist jetzt eine ganz klare Kritik an der ganzen Partei – da fehlt mir manchmal einfach der Stil. Es gibt Leute, die machen das toll und es gibt Leute die machen das halt dann nicht so toll. Da muss man einfach Verständnis dafür entwickeln. Für mich ist das genauso selbstverständlich wie ich einer Dame die Türe aufhalte.
Flaschenpost: Das hört sich wirklich nach einem guten Beisitzer an. Du hast für den Zeitfaktor schon angesprochen, ich am Ende auch. Wenn wir die Frage mal konkretisieren würden: wie viel Zeit glaubst du, wirst du in das Amt investieren müssen? Bzw. überhaupt zur Verfügung haben, um das Amt auszuüben?
Johannes: Da habe ich auch mit meiner Frau schon darüber diskutiert. Das Zeitmanagement bin ich gerade für mich selber, am überarbeiten. Weil ich habe als teilweise den Fehler gemacht und war so hause und hab dann quasi nur noch Piraten gemacht und dann hat dann meine Holde zurecht gemeckert, ich dürfe das nicht zu sehr vermischen. Ich bin von der Zeiteinteilung her frei. Jetzt muss man das einfach ein bisschen erklären: wenn ich komponiere, das ist ein Ding, das läuft bei mir andauernd. Ich habe neben meinem Schreibtisch ein Klavier stehen und noch eine Gitarre und das ist ein Prozess, das funktioniert dauernd und dann gibt es Momente, wo ich das im Studio dann mehr oder weniger schnell auf die Festplatte banne.
Die Chortermine, das sind feste Termine und auch meine Schüler. D.h. das kann auch ‘mal in einer Woche ganz viel sein, wenn ich keine Auftritte oder so etwas habe, das kann aber auch sein, dass ich ‘mal eine Woche nur ganz wenige machen kann. Also das jetzt in einen festen Zeitrahmen zu bringen, zwei Tage die Woche oder drei Stnden am Tag, das kann ich nicht. Aber ich bin immer ansprechbar. Ich meine, wir haben Internet und so… da kann ich auch durchaus mal von unterwegs oder so reagieren. Ich bin da immer sehr gut erreichbar, solange das gerade nicht jetzt eine Stunde ist, wo Chor ist oder so, ist das kein Problem. Und dann kann ich auch diese kurzen Moment nehmen und das will ich auch.
Ich kann da ja nicht auf der einen Seite sagen, ich will ein Ansprechpartner sein und aber einen Zettel an die Tür kleben: „Sprechstunde sonntags abends von 18 bis 20 Uhr. Bitte Wartemarke ziehen.“ Das kann es natürlich auch nicht sein. Also ich kann da halt relativ kurzfristig mich organisieren.
Flaschenpost: Flexibilität hat vor und Nachteile. Flexibilität ist halt auf der einen Seite gut um irgendwo die Dinge ein bisschen schieben und ein bisschen rücken zu können, allerdings müssen sich Andere dann auch manchmal danach richten, dass man selber manchmal schiebt. Flexibilität, das Schlagwort der Zeit.
Ja, das sind so die wesentlichen Punkte zur Kandidatur und wir hatten so ein paar Perspektiven deiner Arbeit bis jetzt und auch der zukünftigen und geplanten Kandidatur oder Amt später, hin und her. So ein paar Perspektiven hatten wir schon angesprochen: Kommunikation der Piraten untereinander, da hast Du schon angesprochen, dass das auf vielen Ebenen nicht sehr wirkungsvoll ist, wie kommuniziert und wie gearbeitet wird. Was interessant wäre: welche programmatische Weiterentwicklung würdest Du dir persönlich wünschen, bzw. würdest Du der Partei wünschen? Was gibt es an Dingen die vielleicht als ganz neue Gesichtspunkte auch mal mit ins Programm einfliessen könnten?
Johannes: Wir werden uns glaube ich, sehr unglaubwürdig machen, wenn wir jetzt von heute auf morgen grossartige programmatische Vorstellungen in der Aussenpolitik entwickeln würde. Es sei denn es sind direkte piratische Themen im Ausland. Es können also im Schwerpunkt nur innenpolitische Themen sein und da gibt es natürlich sehr sehr viel. Das Problem, dass ich da jetzt eigentlich eher sehe ist: wir sind in einigen Sachen zwar effektiv, aber in anderen auch wieder relativ langsam. Themen die momentan präsent sind, die sind schon alle sehr sehr wichtig.
Was mir halt noch wirklich fehlt, ist tieferes Gehen in die Bildungspolitik. Wir haben hier in Rheinland-Pfalz jetzt jemanden, der kommt aus dem Wirtschaftsministerium und er hat da ein sehr sehr spannendes Standpunktpapier entwickelt, in dem er sagt wir brauchen unbedingt zentralistische Schulreform, aber wir können den Föderalismus nicht komplett ausschalten. Das ist nun mal die Kulturhoheit der Länder und das ist auch gut so, aber wir könnten einzelne Fächer bundesweit gleich machen, wie zum Beispiel Mathematik oder Deutsch. Finde ich einen Superansatz, das müssen wir unbedingt nach vorne bringen. Dann in der Sozialpolitik gibt es sehr sehr viel zu tun, da sind wir in Offenbach leider nicht dazu gekommen.
Da hat auch meine Holde und der Ansgar Veltens hier aus Rheinland-Pfalz ein sehr sehr spannendes Positionspapier ‘raus gebracht. Dann müssen wir uns auch mit der Arbeitswelt jetzt beschäftigen, ganz aktuell der Durchschnittslohn eines Arbeiters, auch eines Gelernten, liegt etwa bei 6,50 €. Deutschland ist ein absolutes Billiglohnland geworden. Das ist ein Punkt, der kann so nicht weitergehen, das haben wir weitgehend der Agenda 2010 zu verdanken. Das bricht alles zusammen. Wir müssen vorgreifend zum BGE, die soziale Arbeit fördern und auch ermöglichen. Dann müssen wir halt einfach auch über kurz oder lang zu dieser Wirtschaftskrise spezieller positionieren und das sind so die Punkte die mir jetzt halt wirklich am Herzen liegen.
Die GEMA bedarf dringendste eine „In-die-Luft-Sprengung“. Über die rege ich mich ja Tag für Tag auf. D.h. wir haben jetzt die Versionen geworfen, aber wir müssen jetzt auch die kleinen, die näher liegenden Schritte machen. Dazu zählt jetzt ganz speziell, wie ist der Ist-Zustand mit der GEMA und was kann man jetzt kurzfristig tun, um da diesem Wildwuchs entgegenzuwirken. Du siehst, ich versuche jetzt gerade das Bild zu entwickeln.
Ich muss jetzt dazu sagen, ich bin da gerade ein bisschen kalt erwischt, weil ich mich in der letzten Zeit sehr mit Koblenzer Themen beschäftigt habe. Da soll ja im Frühjahr einen Kreisverband entstehen und da haben wir auch ganz viele Themen gesammelt. Deswegen kleine Schritte und die Visionen dann damit untermauern.
Flaschenpost: Da sind wir beim interessanten Punkt: ich habe vorhin gerade noch im Gespräch mit einem Kollegen Sascha Neugebauer die Thematik Kreisverbände/Crews und so weiter auseinanderposamentiert. Und jetzt erwähnst du gerade: Ihr plant die Gründung eines Kreisverbandes da bei euch. Gab es da auch Probleme und erhebliche Diskussionen oder ist das eine eher einfachere Geschichte gewesen?
Johannes: Nein, wir sind ja noch dran. Es gibt da auch Diskussionen. Es geht momentan darum, was zuerst war: die Henne oder das Ei? Also ich versuche da jetzt gerade so einen modus operandi durchzusetzen oder zu etablieren. Durchsetzen klingt immer so brutal… aber wo man sagt, o.k. Kreisverband sind toll, aber wir brauchen kleinere Gliederungen,um näher an die Leute zu kommen, ganz wichtig: um auch näher an die regionalen Themen zukommen, aber bitteschön das muss mit dem Landesvorstand laufen, damit dieser die Möglichkeit hat zu gucken, wer macht da was, wer ist denn das und diese Dingen mehr.
Flaschenpost: So für die Zukunft, etwas mehr Ordnung und vor allem auch etwas mehr Übersichtigkeit.
Johannes: Ja, kann man so zusammenfassen, aber vor allem auch Human Engineering. Also ich gehöre ja jetzt nicht zu den Leuten, die sagen, ja werdet du erstmal grün hinter den Ohren und du musst mindestens einmal 3 Jahre dabei gewesen sei um die Fahne tragen. Das ist ja alles Blödsinn, aber so ein bisschen Face-to-Face ist eine vertrauensbildende Maßnahme und das ist ganz wichtig.
Flaschenpost: Ja, das ist ja auch ansonsten im privaten Leben, da hält man ja auch nicht für Leute den Kopf hin, die einem einfach so auf der Strasse begegnen, sondern dann möchte man schon wissen, mit wem man es zu tun hat. Die Bürgernähe hatten wir schon angesprochen, die ja mit der Bildung von Kreisverbänden auch durchaus, meiner Ansicht nach, einher geht, denn schliesslich ist es ja auch wichtig für die Bürger, irgendwo Anlaufstellen zu haben und jemanden zu haben, mit dem man sich unterhalten kann. Da sind die Stammtische vielleicht auch auf längere Sicht nicht zwingend die geeignete Atmosphäre. Wie steht es bei dir mit der Kommunikation zum Beispiel mit Interessenten, also kommen auf dich einfach so Bürger zu, fragen dich wie läuft das, wie funktioniert das? Kann ich vielleicht auch Pirat werden? Was muss ich da machen? Hast du solche Kontakte?
Johannes: Ja, also in letzter Zeit vergeht eigentlich kein Tag, auch mit dem Erfolg der Berliner Leute, wo ich das nicht habe. Ich stehe ja nun mal auch in einer gewissen Öffentlichkeit, mich kennt, mich kennt hier in Koblenz, glaube ich, jeder. Ich kenne halt bundesweit auch sehr sehr viele Leute, das ist halt beruflich einfach bedingt. Ich meine, ich war auch lange auf Tournee und so kommen ganz viele – jetzt zuletzt noch in Krefeld – , auch sehr bekannte Musiker, die sagen so: „Ja du, Johannes, ihr Piraten wollt uns da ja das wegnehmen und die Urheberrechte usw. und so fort“. Da habe ich schon einige auch dafür interessieren können. Dann im privaten Bereich, jetzt an Weihnachten wurde noch am Familientisch diskutiert, da vergeht kein Tag, wo ich nicht direkt angesprochen werde.
Dann stelle ich mich natürlich auch gerne auf die Strasse. Infostände finde ich eigentlich immer ganz witzig, da erlebt man ja auch ganz lustige Sachen und dann in der Kneipe ist es auch immer ein Thema, was man angesprochen wird und das man diskutiert, auch oft lebhaft. Aber das sind ja alles für mich Multiplikatoren.
Also ich trenne das schon, als ich würde jetzt nicht bei meinem Konzert mich auf die Bühne stellen und sagen so Leute jetzt draussen gibt’s jetzt Anträge, jetzt Bitte noch alle Pirat werden, das geht nicht. Dafür muss man natürlich auch Verständnis haben. Aber ich bin da immer bereit und diskutiere da auf allen Medien, solange es eine konstruktive Kritik ist. Wenn das aber in irgendwelchen Polemiken ausartet, dann breche ich das auch oft ab. Da ist mir die Zeit dafür einfach zu schade, das hat nichts mit Arroganz zu tun. Musste ich auch lernen.
Flaschenpost: Dabei sind wir eigentlich schon fast soweit, bei dem letzten Punkt. Da ist eigentlich eine ganz ganz böse Frage, aber ich würde sie dir jetzt trotzdem noch einmal ganz ganz bösartig stellen.
Johannes: Was, ob ich will, dass ich gewählt werde?
Flaschenpost: Das du entsprechend gewählt wirst, ja.
Johannes: Ja natürlich, das ist ja mein Sportsgeist, ja. Wie schon am Anfang gesagt, ich mache das richtig oder gar nicht. Und ich werde ja nicht antreten, wenn ich nicht wirklich das wollen würde. Ich versuche ja da jetzt auch einen parteiinternen Wahlkampf zu führen und ich bin mir vollkommen bewusst, dass ich damit auch eine gewisse grössere mediale Aufmerksamkeit eventuell auf mich ziehe.
Damit habe ich auf der einen Seite kein Problem, weil ich habe Medien und Medien Interesse und Popularität immer als einen Teil meiner Arbeit begriffen. Ich kann das eine von dem anderen nicht trennen und jeder der da sag ich mache Musik nur wegen der Musik für mich zuhause – das stimmt nicht, ist Käse.
Auf der anderen Seite habe ich aber auch als junger Mensch auch die Erfahrung gemacht, mir vorgestellt, ja dann stehst du auf einer grossen Bühne und das sind dann tausende von Leuten und die jubeln dir zu und das habe ich natürlich auch schon alles erlebt und dann gehst du von der Bühne runter und dann stellst du fest, du bist das gleiche Arschloch wie vorher. Wenn du die Kurve nicht kriegst, für dich selber, dann wird dich diese vermeintliche Popularität umbringen.
Und wir werden, das ist jetzt so meine Prophezeiung, wir werden da auch noch ein Problem bekommen. Parteiintern, mit Leuten die mit dieser Popularität nicht umgehen können und professionelle Popularität, also Popularität durch Kompetenz verwechseln werden mit ihrer Persönlichkeit. Das geht dann ganz ganz schief und da sehe ich bei einigen Leuten jetzt schon Probleme und das wird noch kommen. Also wir werden da noch etwas erleben im nächsten Jahr. Kannst du jetzt hier, Johannes prophezeit, kannst du hier aufschreiben.
Und um das auch noch auf mich zu beziehen: ich kann damit umgehen, ich beziehe die Popularität nie auf mich persönlich. Ja ich kenne mich gut genug, ich kenne meine Fehler und meine Frau sagt mir das ja auch immer. Also wenn mir irgendeiner unterstellen würde, ich würde das nur machen, aus Popularitätsgründen, der ist bei mir auf dem Holzweg und das kann ich dem auch ganz fix dann widerlegen.
Flaschenpost Wir haben das alles gehört, ich freue mich auf jeden Fall, dass es am Ende dann doch noch geklappt hat und es war ein interessantes Interview und mir bleibt eigentlich nicht viel mehr, als mich dafür zu bedanken. Viel Erfolg in der Zukunft!
Johannes: Ja, vielen Dank, ich habe zu danken. Tolles Gespräch! Und wählt Quimby.