Gastbeitrag von @DirkBasquiat und @LupinoDotOrg
Am Donnerstag, den 15. März, startete die Leipziger Buchmesse 2012 für den Publikumsverkehr.
Einen Tag zuvor luden Messeleitung, Organisatoren und Vertreter der Aussteller zu einer eröffnenden Pressekonferenz. Auf dieser berichtete der Geschäftsführer der Leipziger Messe Martin Buhl-Wagner von wachsenden Ausstellerzahlen bei den Verlagen um 8% gegenüber dem Vorjahr und betonte, dass die Entwicklung des Internets und der Digitalisierung aus Sicht der Messe keinerlei Gefahr darstellt, sondern eher als Chance wahrgenommen wird.
Oliver Zille, seines Zeichens Direktor der Leipziger Buchmesse, stellte während seines Redebeitrages die Ergebnisse einer Umfrage (pdf) unter Autoren und Verlegern vor, die zeigen, dass digitale Veröffentlichungen für nahezu alle Beteiligten zum jetzigen Zeitpunkt, wenn überhaupt dann nur als Zweitveröffentlichung in Frage kommen. Die wenigsten der an der Umfrage beteiligten Autroren können sich vorstellen, ein Werk ausschließlich digital oder selbst zu verlegen und bestehen auf eine Zusammenarbeit mit klassischen Verlagen. Geschätzt wird vor allem die individuelle Betreuung durch die Verlage; finanzielle Anreize stellen der Umfrage nach nur für eine Minderheit der Autoren einen Grund dar, sich an einen Verlag zu wenden.
Der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V., Gottfried Honnefelder, meinte, die Branche sei „in Bewegung“, erstmals mache sich der Umsatz beim Verkauf elektronischer Publikationen bemerkbar. Gleichzeitig wieß er darauf hin, dass die Rückgänge beim Buchumsatz von 1,8% – beim klassischen Buchhandel gar um drei Prozent – im letzten Jahr signifikant hoch seien.
Im Anschluss des Einleitungsteils der Eröffnungspressekonferenz fiel das Thema auf eine Volksabstimmung in der Schweiz, bei der über die Einführung einer Buchpreisbindung dort entschieden wurde. Honnefelder bewertete den negativen Ausgang des Referendums mit den Worten „schade und beschissen, das ärgert mich sehr“. Auch in der Rede (pdf) des Börsenverein-Chefs bei der offiziellen Eröffnungsveranstaltung im Leipziger Gewandhaus ist eine bedauernde Grundstimmung der Verlags- und Buchhändlerbranche deutlich herauszuhören. Hierin beschwerte sich Honnefelder über die Titulierung Content-Mafia, betonte die Verbundenheit zwischen Autoren und Verlegern und sprach offen von einem sich abzeichnenden „Kulturkampf, in dem das digitale Medium selbst zur kulturellen Herausforderung wird“.
Den Begriff „Kulturkampf“ nahm auch rbb Inforadio-Moderator Harald Asel als Aufhänger zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Alles für jeden? Alles frei?“auf der neben dem Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied der Internet-Enquetekommission Ansgar Heveling, dem Autoren und Geschäftsführer im Börsenverein des Deutschen Buchhandels Landesverband Berlin-Brandenburg e.V, Detlef Bluhm und dem Verleger Lutz Schulenburg vom edition Nautilus-Verlag auch der Vorstandsvorsitzende des sächsischen Landesverbandes der Piratenpartei, Andreas Romeyke, zu Wort kam.
Laut Verleger Lutz Schulenberg stehen in der Debatte zwei grundsätzliche Fragen im Vordergrund: Erstens, was ist die Bevölkerung bereit für kulturelle Leistungen herzugeben? Und zweitens, wer reguliert das Netz bzw. wer hat das Recht, im Netz zu regulieren. Der Verleger sieht den Konflikt zwischen der aktuell bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung und dem Anspruch auf den freien Zugang zu Informationen, den eine Lösung der Urheberrechtsfrage berücksichtigen müsse. Gleiches gelte für die andernorts angeführte Kritik an das in Schieflage geratenen Verhältnis zwischen Verleger und Autoren bei der Vertragsaushandlung. Ein Eingreifen in die Vertragsautonomie zwischen Verleger und Autor stehe im Widerspruch zu bestehenden gesellschaftlichen Konventionen.
Ansgar Heveling zuletzt aufgefallen durch einen seinen hohe Wellen schlagenden Artikel im „Handelsblatt“, zweifelte an der „Freiheit im Netz“ und brachte als Beleg die Reaktionen auf jenen, nach eigenen Angaben „durchaus wuchtigen“, Artikel.
Pirat Andreas Romeyke lehnt den Begriff „Kulturkampf“ ab und bezeichnet ihn als Kampfbegriff, den „die Verwerterindustrie, die ihre alten Geschäfftsmodelle in die neue Zeit der vernetzten Bürger retten will“ in „ihrem Kampf gegen die Nutzer und Autoren“ verwendet um die Diskussion „zu popularisieren“.
Für ihn stehen Autoren und Nutzer auf der einen Seite gegen Verwerter auf der anderen. Er sieht die Diskussion um das Urheberrecht als Symptom der Verteidigung der erstmals durch die Entwicklung des Internets möglich gewordenen bidirektionalen Kommunikation vor Einschränkungen und Eingriffen seitens der Verwerter. Nicht um das Urheberecht an sich geht es, sondern um die zulässigen Maßnahmen zu seiner Um- und Durchsetzung.
Nach seiner Ansicht ist Information, die sich von ihrem Trägermedium löst, nicht wirtschaftlich verwertbar und stellt damit implizit den Begriff des „geistigen Eigentums“ zur Diskussion, die jedoch von den übrigen Gesprächsteilnehmern nicht aufgenommen wird. Asel wie auch Heveling wünschen sich im Bezug darauf eine Differenzierung zwischen der reinen Information an sich und ihrer zu schützenden Aufbereitung in kreativer Weise. Romeyke stellt als Antwort darauf das Vorhandensein kreativer Leistungen mit Verweis auf die häufig angewendete Praxis von Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen, Agenturmeldungen unverändert weiterzuverbreiten, zumindest im Bereich der journalistischen Printmedien, in Frage.
Wie Romeyke lehnt auch Detlef Bluhm den Begriff Kulturkampf ab, da dieser impliziert, dass es „am Schluss einen Sieger und einen Verlierer geben“ müsse. Der Konflikt bestehe in den wirtschaftlichen Interessen der Verleger und Autoren auf der einen Seite und dem Anspruch der Nutzer auf Zugang zu freien Informationen auf der anderen Seite. Mittel sollte nicht der Kampf zwischen den Vertretern verschiedener Interessengruppen sein, den man als Rechteinhaber „möglicherweise gar im Zweifel verlieren“ würde, sondern der Dialog um einen allgemeinen Konsens zur Urheberrechtsproblematik herzustellen. Er argumentiert, dass das Internet ein Spiegelbild der Gesellschaft sei, das Gutes und Schlechtes hervorbringen kann und zieht Parallellen zum Buchdruck, der einerseits die Aufklärug und anderseits Hitlers „Mein Kampf“ hervorgebracht habe.
Überraschend einig waren sich die an der Diskussion Beteiligten bei der Frage, dass einige Aspekte des geltenden Rechts zum Schutz geistiger Leistungen überholungswürdig sind. Im Zentrum der kollektiven Kritik stand dabei die Abmahnpraxis, der Umgang mit verwaisten Werken und die Anwendung des Patentrechts in der Pharmaindustrie.
Deutlich wurde auch mangelndes Vorstellungsvermögen bezüglich neuer Geschäftsmodelle. Schulenburg sieht keine unmittelbare Gefahr für das Verlagswesen durch die Digitalisierung, er lobt die Vorzüge des gedruckten Buches und bezweifelt die Praktikabilität des „Ausdruckens“. Bluhm zweifelt an den wirtschaftlichen Auswirkungen einer Kulturflatrate und rechnet vor, dass damit seine Einnahmen als Autor nur einen Bruchteil dessen betragen würden, was er in der gegenwärtigen Praxis des Verlagswesens einnimmt.
Die ganze Diskussion wird am Sonntag, den 18. März 2012 um 10:05, im rbb Inforadio ausgestrahlt und nachfolgend in die Online-Mediathek des rbb gestellt. Nach spürbar erfreuter Auskunft des Moderators ist der Upload nicht von der Depublikation betroffen.
Nach der Diskussion stellte sich Andreas Romeyke dem Buchmesse-Presseteam für eine Podcast-Aufzeichnung, bei der er über seine Eindrücke von der Diskussion und allgemein über die Urheberrechtsthematik spricht:
Ebenfalls auf der Buchmesse anwesend war der niedersächsiche Pirat Wätzold Plaum, der dort sein Buch „Die Wiki-Republik – Absturz und Neustart der westlichen Demokratie“, erschienen in diesem Jahr beim Rotbuch-Verlag, vorstellte. Darin schildert der Autor den gegenwärtigen Stand der Demokratie und stellt seine Utopie einer künftigen Gesellschaftsform vor. Ursprünglich mit dem Titel „Die Piratenrepublik“ versehen, ermöglicht gerade der zweite Teil Einblicke in eine Form der politischen Teilhabe, wie sie den Vorstellungen einiger Piraten nach, durchaus Realität werden könnte.
[podcast]https://die-flaschenpost.de/files/2012/03/podcast_plaum.mp3[/podcast]
CC-BY-SA by @DirkBasquiat und @LupinoDotOrg
Ich glaube, die ACTA Diskussion mit mir fehlt im Artikel 🙂 http://www.boersenverein.de/de/158446/Pressemitteilungen/158417?presse_id=521365
Hallo Enno,
das liegt daran, dass wir diesen Artikel am Freitag der Buchmesse vormittags eingereicht haben, d.h. bevor die Diskussion mit Dir anfing…
moin, moin,
ich habe heute beschlossen, bei Euch tätig zu werden.
Bin Alt, lebe in Hannover, der größten Servicewüste der Welt und ich werde das ändern.
MfG B. Schäfer