In unserer Reihe der Kandidateninterviews wollen wir euch die Kandidaten für den Bundesvorstand und das Bundesschiedsgericht vorstellen. Heute geht es mit Bernd Schlömer weiter, der für den Posten des Vorsitzenden sowie, falls er eingerichtet wird, des Generalsekretärs im Bundesvorstand kandidiert.
Flaschenpost: Auch wenn dich schon viele kennen, stell dich doch am besten nochmal kurz vor. Wer bist du, wie alt bist du und was machst du?
Bernd: Mein Name ist Bernd Schlömer, ich bin 40 Jahre alt, ich lebe in Hamburg und arbeite in Berlin. Dort bin ich tätig, was viele gerüchteweise wissen oder, weil ich’s auch schon gesagt habe, ich arbeite im Bundesministerium der Verteidigung. Bin dort Referent für Haushalts-, Organisations- und Verwaltungsangelegenheiten in einem Bereich, der sich Führungsstab der Streitkräfte nennt. Dort bin ich tätig in einem relativ ungefährlichen Bereich, und zwar im dortigen Hochschulreferat. Es gibt ja zwei Universitäten der Bundeswehr und die werden über dieses Hochschulreferat finanziell und organisatorisch betreut.
Ich habe zwei Kinder, einen glücklichen Familienstand und vom Beruf her kann man sagen, ich bin Referent, habe aber auch eine Amtsbezeichnung, bin akademischer Direktor. So nennt sich das dann, wenn man Beamter ist. Ich habe, was vielleicht wichtiger ist, vorher auch studiert: ich bin Diplomsozialwissenschaftler und Diplomkriminologe und bin dann dort exotische Wanderwege zum Verteidigungsministerium gelangt. Wie, ist eine längere Geschichte, die kann ich dann irgendwann mal als Privatkonversation sagen. Aber das muss erst einmal reichen.
Flaschenpost: Wie bist du denn zu den Piraten gekommen beziehungsweise warum bist du denn eigentlich Pirat?
Bernd: Also ich hab’ Anfang 2009 mir mal überlegt, dass ich mich von meinem Sofa mal wieder hervorheben oder emporheben sollte. Ich war früher relativ engagiert. Ich war an der Universität Osnabrück beispielsweise mehrere Jahre engagiert in der studentischen Selbstverwaltung, war unter anderem ASTA-Referent, habe davor mich auch für Stadtjugendring – kennt man vielleicht oder kennt man nicht – also mich engagiert für Jugendarbeit, mal ein unabhängiges Programmkino-Programm entworfen von Jugendlichen für Jugendliche und so weiter und so fort. Aber man hat dann studiert, hat dann irgendwann Kinder bekommen, Familie gegründet, ist dann mehr oder minder eingeschlafen in seiner Tätigkeit als normaler Bürger dieses Landes. Und hab mir dann im Mai 2009 überlegt, mich noch mal zu engagieren, und bin dabei auf die Piratenpartei gestoßen oder auch auf Attac, und hab mich dann letztlich für die Piratenpartei entschieden.
Flaschenpost: Gab es denn ein initiales Aufregerthema, warum du Pirat geworden bist, so wie die Zensursula-Debatte?
Bernd: Nein. Ich bin unabhängig davon, von der Zensursula-Debatte in die Piratenpartei eingetreten. Als Kriminologe ist man immer an, ich sag mal, bürgerrechtsliberaler Rechts-, Innen- oder Kriminalpolitik interessiert. Und ich habe dann einfach versucht, meine Überzeugung oder meine politische Intention in irgendeine Organisation zu gießen, und da bin ich dann auf die Piratenpartei gestoßen. Ich bin auch nicht der Nerd, sondern eher jemand, der aus dem Bereich Verwaltungssteuerung, Korruptionsbekämpfung, Transparenz des Staates kommt, aus der Ecke. Bürgerrechtsliberale Orientierung allerdings.
Flaschenpost: Welche Interessenschwerpunkte hast du denn politisch?
Bernd: Politisch liegen meine Interessensschwerpunkte, ich sag mal… Interessen kann man nicht sagen, ich habe auch Befähigungen. Einmal habe ich 10 Jahre an einer Bundeswehruniversität gearbeitet im Bereich Hochschulsteuerung, Hochschulplanung. War unter anderem Bologna-Koordinator, Leiter Controlling an einer Universität, Leiter Qualitätsmanagement. Ich kenne mich aus diesen Gründen in Bildungspolitik relativ gut aus, aber nicht nur in Bildungspolitik, sondern auch in Forschungspolitik, weil ich auch Drittmittelprojekte mitbegleitet habe. Ich bin oder war für die EU Auditor für Forschungsprogramme nach dem Forschungsrahmenprogramm etc etc. Auf jeden Fall, mit Forschung und Bildung kenne ich mich ganz gut aus, als Kriminologe kenne ich mich ganz gut aus mit rechts-, innen- und kriminalpolitischen Themen und in meiner Tätigkeit generell mit Verwaltungsorganisation. Der Jurist würde sagen “öffentliches Recht”.
In diesen Bereichen liegen auch meine Interessen, Befähigungen und damit auch meine Schwerpunkte. Nicht unbedingt in der Netzpolitik. Damit bin ich vielleicht ein Exot oder auch nicht, das weiß ich nicht. Aber das ist ja auch eigentlich auch ganz gut, es wollen ja auch viele Interessen vertreten, und letztlich sind ja alle gebündelt in einem sozialliberalen Grundkonsens, von dem wir unsere Überlegungen, unsere Programmatik ausbreiten wollen.
Flaschenpost: Kommen wir langsam zu deiner Kandidatur. Was hat dich denn bewogen, nach, wenn ich mich richtig entsinne, zwei Amtszeiten BuVo erneut zu kandidieren?
Bernd: Man könnte mir vorwerfen, ich klebe am Bundesvorstand, das mag vielleicht sein, aber das sehe ich gar nicht so. Ich glaube, dass wir in den letzten zwei Jahren, als ich im Bundesvorstand war, zwei mühsame Aufbau- und Entwicklungsjahre hinter uns haben. Ich bin angefangen in einer Zeitperiode, als die Partei explosionsartig gestiegen ist. Die Bundestagswahl stand vor der Tür, es waren unfassbare Vorgänge im Sommer und Herbst 2009, die es administrativ zu bewältigen galt. Wir haben dann versucht, ein System, eine erste Organisation oder Finanzverwaltung zu kreieren, die wir heute noch pflegen, die ist sicherlich weiterentwicklungsbedürftig.
Mir geht es darum, dass wir mit einem neuen Bundesvorstand nicht gänzlich bei Null anfangen. Ich mach die Erfahrung, das hab ich bei anderen Schatzmeistern auf Landesebene gesehen, dass es zum Teil überhaupt keine Übergaben gibt, keine Übergangszeiten, dass viel Arbeit von Neuem und vor allem viele Fehler von Neuem gemacht werden, und das gilt es zu verhindern.
Ich würde gerne in ein System kommen, dass jeder, der sich für ein Bundesvorstandsamt interessiert, drei Jahre im Bundesvorstand tätig sein sollte. Ich hab jetzt zwei Jahre hinter mir, ich kann jetzt noch ein Jahr als Vorsitzender machen und dann kommen ja auch schon wieder Generationen danach, die dann auch aufwachsen können. So können wir uns immer stetig weiterentwickeln und müssen nicht immer von Null anfangen.
Flaschenpost: Und warum kandidierst du jetzt gerade für diese Ämter? Es ist ja der Vorstandsvorsitzende und der Generalsekretär.
Bernd: Ja, das hat Gründe, die andere auch gesagt haben. Wahrscheinlich kann man als Bundesvorsitzender am ehesten gestalterisch tätig sein und auch Leitplanken und die Profilierung der Partei vorantreiben, insofern der Vorsitz.
Der Generalsekretär: ich hab ja in meinem Konzept dem Generalsekretär eine relativ starke administrative und organisatorische Zuständigkeit gegeben. Das heißt, ein Generalsekretär der Piratenpartei ist jemand, über den alle Rechts-, Verwaltungs- und Organisationsfragen laufen und damit als zentrale Verwaltungsschnittstelle des Bundesvorstands mit anderen Teilgliederungen wirkt. Da sehe ich einfach dann auch meine Stärken.
Aber als Bundesvorsitzender, warum nicht? Man sollte vielleicht nicht überheblich sein, aber man sollte selbstbewusst an eine Kandidatur treten.
Flaschenpost: Das ist sicher richtig. Was genau qualifiziert dich denn für diese Posten, auf die du dich bewirbst?
Bernd: Was qualifiziert mich? Ich glaube, dass ich ein bisschen Erfahrung aus den letzten zwei Jahren Bundesvorstand mitbringe. Dass ich aufgrund meiner beruflichen Erfahrung in einem Ministerium beispielsweise und aufgrund meiner Qualifikation als Sozialwissenschaftler und Kriminologe der Partei ein paar Hinweise geben kann. Es geht hier nicht um mich, ich will hier nicht der Chef werden, ich will auch kein Leithammel sein, sondern wie wir uns insgesamt so weiterentwickeln können, dass wir eine ernstzunehmende konkurrierende Partei im politischen Wettbewerb werden können.
Da fehlt es nämlich an einigen Vorgaben oder Anleitungen, was wir tun müssen. Wir müssen politisch viel stärker arbeiten, da gilt es die Arbeit der Arbeitsgemeinschaften, Arbeitsgruppen wesentlich stärker so zu organisieren, dass sie auch Andockpunkte finden bei den Teilgliederungen, Bundesvorstand und Landesvorstände. Es geht darum, Prozesse einheitlicher zu definieren. Es gilt insgesamt professioneller aufzutreten.
Und ich möchte der Partei letztendlich ein Profil geben, das ist dann mein Impuls eines Sozialliberalismus, denn das ist die Lücke, die keine Partei im Augenblick wirklich füllt, einer sozialliberalen Partei, die im Informationszeitalter progressiv die Interessen, Anliegen und Wünsche ihrer Wähler oder der Bürger schlechthin besser vertreten können.
Flaschenpost: Was genau willst du denn jetzt mit dem Amt des Vorstandsvorsitzenden erreichen? Was genau ist dein Ziel?
Bernd: Mein Ziel ist es erst einmal professionelle Organisation und Strukturen zu definieren. Und zwar im Binnenverhältnis, weniger im Außenverhältnis. Da muss auch was getan werden, aber da sind auch sechs andere Kandidaten, die auch schon viele Ideen da genannt haben. Es geht darum, uns so aufzustellen, das wäre mein Hauptziel, eine solche professionelle Struktur in einem Jahr aufzubauen, dass wir für die nächste Amtszeit 2012, 2013 so aufgestellt sind, dass wir ernsthaft über 5 Prozent sprechen können bei der Bundestagswahl. Es geht nur darum, professionelle Strukturen und Abläufe zu gestalten. Das ist mein vorwiegendes Ziel.
Flaschenpost: Und hast du schon einen Plan, wie du das erreichen möchtest?
Bernd: Ich habe einen Plan. Den habe ich auch auf meiner Konzeptdarstellung stehen, die in der Wiki-Kandidaturseite einzusehen ist. Ich möchte verschiedene Stäbe begründen, die letztendlich die wesentliche inhaltliche Arbeit machen, die Arbeit für die Gesamtpartei machen. Der Bundesvorstand muss dann die Aufgabe übernehmen, die strategische Steuerung und auch das Anleiten bestimmter Prozesse zu übernehmen oder Impulse zu setzen, wie bestimmte Dinge zu lösen sind.
Ich möchte mal ein Beispiel geben, in den Arbeitsgemeinschaften wird ja viel geredet, aber oftmals mit wenig Ergebnisbezug. Wenn man jetzt diesen AGs eine methodische Hilfestellung anbietet, in welcher Form sie ihre Erkenntnisse zu kreieren haben, und wenn man das verknüpft mit einem Informations- und Wissensmanagement, das wir zum Beispiel gar nicht haben, dann ließen sich Erkenntnisse, Inhalte, programmatische Inhalte, Sachverhalte auch ganz einfacher Art, letztendlich für alle besser organisiert darstellen und abrufbar gestalten. Das würde schon einen enormen Gewinn für alle Teilgliederungen vom Kreisvorsitzenden über Landesvorstände bis hin zum Bundesvorstand bedeuten. Ein Informations- und Kommunikationsportal, Wissensportal, das Auskunft darüber gibt, was wir eigentlich konkret wollen.
Wir haben zwar ein abstraktes Wahlprogramm, Grundsatzprogramm, aber es fehlen halt Konkretisierungen. Es fehlt uns auch an ganz einfachen Hilfen, wie man Stellungnahmen abgibt, zum Beispiel zu Google Streetview und ähnlichen Geschehnissen, die im Bereich der informationellen Selbstbestimmung liegen. Dass man dort einfach so kleine Wissenspakete schnürt, und da müssen wir da glaube ich top-down dann Anleitungen geben, wie man das machen kann.
Flaschenpost: Nun hast du ja schon zwei Jahre im Bundesvorstand hinter dir und hast einiges an Erfahrung. Auf welche positiven Erfahrungen möchtest du denn aufbauen, was möchtest du fortführen?
Bernd: Fortführen möchte ich eigentlich… also ich hab sehr gute Erfahrungen gemacht mit dem Dicken Engel, den haben ja Kyra und ich begründet, und die Idee war eigentlich, dass der Bundesvorstand mit der sogenannten Basis in Verbindung tritt. Alle 14 Tage zu frei gewählten politischen Themen, da habe ich eigentlich ganz gute Erfahrungen mit gemacht, weil es zu ganz unterschiedlichen Themenkomplexen auch interessante Diskussionen gab, und darauf sollte man aufsetzen. Der Bundesvorstand darf nicht Gefahr laufen, sich zu entkoppeln in einer Elfenbeinturmdiskussion, sondern muss immer wieder Schleifen bewusst wählen, die ihn wieder zurückbringen, in das… ich sag mal in die Sphäre, die er darstellt. Wir sind ja nichts anderes als Primes inter Pares, erste unter gleichen.
Flaschenpost: Es gab auch in deiner Amtszeit Kritik, unter anderem an deiner Arbeitsweise. Was möchtest du in einer neuen Amtszeit besser machen?
Bernd: Die Kritik an meiner Arbeitsweise ist, sofern ich das hier richtig wiedergeben kann, ist zum einen, dass ich auf manche Dinge nicht reagiere. Das mache ich zum Teil auch bewusst, das ist aber auch Teil meiner Berufserfahrung. Ich will nicht sagen, das hat mit Aussitzen zu tun, sondern das hat etwas mit Entschleunigung zu tun von gewissen Prozessen, weil wir ab und zu als junge Partei mit ganz ganz vielen jungen Mitgliedern dazu neigen, viel zu schnell Dinge einfach dann lösen zu wollen und meistens ist das gar nicht gut, sondern man muss eine Zeit lang darüber nachdenken, ob man überhaupt bestimmte Probleme lösen muss oder ob sich die nicht einfach von alleine erledigen.
Das hört sich jetzt an wie aussitzen, ist aber, muss ich sagen, eine wertvolle berufliche Erfahrung auch von mir. Erst mal schauen, wie sich Dinge auch entwickeln und dann mal gucken, ob man bestimmte Dinge auch fortführen kann oder jemand die letztendlich zu Lösungen führt.
Ein anderer Punkt, der mir vorgeworfen wird, würde ich jetzt auch sagen, OK, mir werden Defizite in der Buchhaltung vorgeworfen. Ich muss aber dazu sagen, im Juni 2009, als ich Bundesschatzmeister geworden bin, wollte niemand dieses Amt machen. Und ich kann auch keine Buchhaltung, ich werde das auch öffentlich beim Bundesparteitag sagen. Ich habe überhaupt keine Ahnung von Buchhaltung. Ich wusste aber, dass ich diese Prozesse organisieren kann und habe letztendlich in den letzten beiden Jahren letztlich nur ein System kreieren können, das sicherstellt, dass wir beispielsweise an der Parteienfinanzierung partizipieren können. Jetzt ist es so, dass wir ganz viele Piraten haben oder viele, die sich berufen fühlen, die als Professionals, Experten da viel bessere Lösungen herbeirufen können. Und insofern gebe ich auch gerne das Amt des Bundesschatzmeisters auf.
Flaschenpost: Innerhalb des Vorstands prallen ja auch viele verschiedene Persönlichkeiten mit verschiedenen Meinungen aufeinander. Und die Konflikte können sich dann auch ein bisschen hochschaukeln. Würdest du denn mit jemandem im Vorstand auch zusammenarbeiten, den du gar nicht leiden kannst?
Bernd: Ja, das ist auch eine Erfahrung, die man macht, wenn man länger im Berufsleben steht. Man muss diese Arbeit, das ist ja eine Ehrenamtsaufgabe, auffassen wie eine zweite kleine Berufstätigkeit und nicht der Idee unterliegen, dass man hier Freunde findet und alle sich gut vertragen. In einer politischen Partei gibt es ganz harten, ganz bestialischen Wettbewerb um Meinungsführerschaft beispielsweise. Und es gibt ganz viel Besserwisserei, viel schlimmer noch als im Job, aber man muss dann die Aufgabe als Job betrachten, also dass man auf Kollegen trifft, mit denen man was Positives erreichen will. Und wenn man diesen Standpunkt einnimmt, fällt es durchaus leicht.
Ich habe mich mit allen Bundesvorstandskollegen, auch aus der letzten Amtszeit, eigentlich ganz gut verstanden. Das schließt auch ganz problematische Köpfe wie Aaron König ein. Wenn man mit Aaron König professionell umgeht, dann geht das auch. Was er inhaltlich gemacht hat, ist eine ganz andere Frage. Das würde ich letztendlich auch nicht… Jetzt kommt meine Tochter gerade rein und stört das Interview – gute Nacht! Jetzt ist der Hund auch schon hier, sind jetzt alle weg.
Wenn man das als Beruf nimmt, als berufliche Profession, dann fällt es leicht. Sie haben mich jetzt aus dem Konzept gebracht, aber egal.
Flaschenpost: Wieviel Zeit kannst du denn für die Piratenpartei aufwenden beziehungsweise wieviel Zeit hast du im Schnitt für die Piraten verbraten pro Woche?
Bernd: In den Anfangszeiten hab ich unfassbar viel Zeit für die Piratenpartei aufgewandt, da würd’ ich mal sagen zwischen 30 und 40 Stunden pro Woche, noch mal zusätzlich zu meinem Job. Aber je länger man natürlich tätig ist, fällt vieles auch einfacher oder leichter. Man kann bestimmte Prozesse auch einfacher organisieren oder anders organisieren, dass man so im Schnitt, würde ich sagen, 15 bis 20 Stunden aufwendet, aufwenden muss, und das kann ich auch einrichten. Da kann ich ja nur sagen, als Beamter hat man ja ganz sichere Arbeitszeiten.
Flaschenpost: Innerhalb der Piraten gibt es ja auch immer viele Diskussionen über die Kommunikation untereinander. Wie findest du, sollten die Piraten kommunizieren, also einmal von Basis zu Basis und von Basis zu Vorstand?
Bernd: Die Piraten müssen sich viel häufiger treffen, und zwar vis-a-vis. Meine Erfahrung und meine Beobachtung ist, also nicht als typischer Nerd und jetzt wirklich intensiver Nutzer von zahlreichen Kommunikationsinstrumenten, die ich halt nicht nutze, ist, dass ganz viel Streit dadurch entsteht, dass man sich in der non-verbalen Kommunikation, in der Schriftform, nicht verstehen möchte oder falsch versteht oder einfach Botschaften sendet, die man mündlich im direkten Gespräch niemals sagen würde. Ich glaube, dass diejenigen, die wirklich an der Weiterentwicklung der Partei interessiert sind, sich auch öfter treffen müssen. Ich habe das beobachtet, ich habe ja Schatzmeisterkonferenzen oder -tagungen… erfunden will ich nicht sagen, aber ich habe einfach gesagt, die Schatzmeister müssen sich zweimal im Jahr treffen, sonst macht das überhaupt keinen Sinn. Und das machen wir ja auch. Das ist sehr fruchtbar und konstruktiv, weil man mal im direkten Gespräch auch längere Zeit, in der man sein Gegenüber unmittelbar auch kennenlernt, sich über bestimmte Fachthemen auch austauschen kann.
Das letzte Schatzmeistertreffen in Hamm war begleitet worden von der AG Justizpolitik, die parallel tagte in Hamm, und die Anwesenden dort, es waren ungefähr 10, 12 Mitglieder, sagten, das sei unfassbar konstruktiv gewesen. Und ich glaube, das müssen wir auch erreichen. Wir müssen solche AG-Treffen, die gibt es ja schon, vor kurzem war ja das Sozi-Barcamp, solche AG-Treffen und ich sag Klausurtagungen viel stärker fördern, dass sich Piraten, die an der konstruktiven Weiterentwicklung interessiert sind, sich treffen können, sich austauschen können und nicht so sehr auf Kommunikationsinstrumente setzen, die letztendlich rein digital sind. Denn das führt ab und zu in ein Dilemma, weil das in Streit mündet. Weil es wird soviel getrollt, dass keiner mehr Lust hat zu diskutieren.
Flaschenpost: Wie möchtest du mehr Piraten dazu motivieren, sich einzubringen?
Bernd: Niemand ist gezwungen, wirklich aktiv zu sein. Also wenn jemand sagt, er möchte gerne die Ideen der Piratenpartei stützen, indem er einfach seinen Mitgliedsbeitrag zahlt, dann ist es auch OK. Letztendlich wäre es aber mein Wunsch, dass alle Parteimitglieder sich ein wenig verpflichtet fühlen, sich in welcher Form auch immer irgendwo zu engagieren, etwas Gutes zu tun. Das meiste ist schon dadurch abgedeckt, wenn möglichst viele helfen, Plakate aufzubauen oder Infostände zu besetzen oder solche Dinge zu tun.
Aber es gilt auch, angefangen von Stammtischtreffen auf Kreis-, Orts-, Bezirks-, Landesebenen, sich verpflichtet zu fühlen, auch an der Programmatik weiterzuarbeiten und politisch zu denken und zu handeln im Sinne der Partei. Nicht in allen Lebenslagen, aber durchaus mal ein Stündchen oder zwei Stündchen pro Woche. Das würde ich mir wünschen. Man kann dazu nur animieren, man muss mit gutem Vorbild vorangehen, auch das ist eine berufliche Erfahrung. Wenn beispielsweise ein Chef sich niemals morgens in die Zeiterfassung einloggt, dann machen das die Mitarbeiter auch nicht. Insofern muss der Bundesvorstand auch sich irgendwo auf den AGs oder Stammtischen ein bisschen tümmeln und dort, auch wenn er nur präsent ist und Witze erzählt, aber er muss sich zeigen und zeigen, dass er aktiv ist. Und ich glaube, damit kann man schon zum Mitmachen animieren.
Flaschenpost: Kommen wir zu einer etwas anderen Frage. Wie und welche programmatische Weiterentwicklung wünschst du dir für die Partei?
Bernd: Ich habe es eben gerade schon mal angedeutet und würde diese Linie oder diesen Faden gerne weiterspinnen. Ich glaube, ich kann das wieder nur in unreinen Worten wiedergeben, dass wir in der jetzigen Zeit eine unglaublich gute Chance haben, einen neuen Sozialliberalismus in Deutschland zu platzieren. Oder auch nicht nur in Deutschland, sondern wir haben ja europäische und internationale Piratenparteien, überhaupt eine neue Form des Sozialliberalismus zu platzieren, die insbesondere auch vor den Herausforderungen des Informationszeitalters zu definieren ist.
Also einen Sozialliberalismus, wie wir ihn kennen noch aus den 70er, 80er Jahren in der analogen Zeit, ich will mal so’n bisschen Nerdsprache verwenden, die repräsentieren durch wichtige Vertreter, Gerhard Baum, Burkhard Hirsch, die ja alle damals als Bürgerrechtsliberale gewirkt haben in großen sozialliberalen Koalitionen, unter Helmut Schmitt beispielsweise. Dass so eine Art Denken und Handeln einmal, dass wir unser Leben, wie wir’s organisieren, darauf aufbauen, wie frei wir sind, wie liberal wir sind, wie liberal die Organisation, in der wir leben, wie liberal die Gesellschaft ist, letztendlich versuchen zu definieren und das im Hinblick auch auf soziale Garanten staatlicher Fürsorgepflicht.
Das ist aber ein Spannungsverhältnis zum Liberalismus, der ja letztlich fordert, dass man selbstverantwortlich ist ein Stück weit für sein Glück. Ich kann das nur ins Unreine sprechen, aber es wäre glaube ich gut, wenn wir so eine Art Sozialliberalismus in Deutschland neu platzieren können und ich glaube, dass ganz viele Menschen darauf einsteigen würden und sagen würden, OK, das ist ne Marschrichtung, mit der kann ich leben.
Flaschenpost: Welche Zukunft wünschst du dir denn insgesamt für die Partei?
Bernd: Ich würde mir wünschen, dass die Piratenpartei nach mageren Jahren nach der Bundestagswahl ein Stück weit wieder zurückfindet in eine Progressivität wie wir sie erlebt haben im Juni bis September 2009 mit unglaublich vielen neuen Ideen, Gedanken, Kreativität, ein positives Gesamtgefühl, das letztendlich auch dazu führt, dass wir auch einmal richtig ernst genommen werden und nicht untergehen, denn das werden wir tun, wenn wir uns weiter auf eigene Probleme und Missstände konzentrieren.
Flaschenpost: Eine letzte Frage. Warum sollten wir dich wählen?
Bernd: Tja, das ist ’ne gute Frage. Ich bin, wie gesagt, kein Leithammel oder ein toller Typ, der unbedingt gewählt werden muss. Ihr solltet mich wählen, weil ich versuchen möchte, in einer Übergangszeit die Partei besser aufzustellen, um dann im nächsten Jahr 2012, 2013 die Charaktere in den Vordergrund zu rücken, die letztendlich dann auch in der Lage sind, eine Partei in ihrer Außendarstellung – Klammer auf, Rampensau, Klammer zu – mit vernünftigen Programminhalten und tollen Ideen in einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf führen zu können.
Ich bin mehr oder minder ein Organisations- und Verwaltungsheini, der dazu beitragen kann, dass wir diesen Professionalisierungsgrad erreichen können, um im nächsten Jahr richtig angreifen zu können. Deswegen bin ich eigentlich ’ne gute Wahl.
Flaschenpost: Vielen Dank, Bernd, für das Interview, viel Glück für deine Kandidatur. Und ich denke, wir sehen und hören uns dann in Heidenheim wieder.
Bernd. Ja, bitte schön.
Flaschenpost: Tschüss!
Bernd: Tschüss!