In unserer Reihe der Kandidateninterviews wollen wir euch die Kandidaten für den Bundesvorstand und das Bundesschiedsgericht vorstellen. Heute geht es mit Joachim Bokor weiter, der für einen Posten im Bundesschiedsgericht kandidiert.
Flaschenpost: Stell dich einfach mal kurz vor. Wer bist du, wie alt bist du und was machst du?
Joachim Bokor: Ich bin 36 Jahre alt, momentan noch wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Cottbus. Ich bin von der Ausbildung her Jurist, hab dann noch einen Master in Rechtsinformatik gemacht, also alles was mit Rechnen und Recht zu tun hat. Mein Forschungsschwerpunkt ist Datenschutz und darin sehe ich auch meine Zukunft. Und ich bin momentan schon Mitglied des Bundesschiedsgerichts der Piratenpartei und würde das gerne nochmal machen.
Flaschenpost: Wie bist du denn zu den Piraten gekommen bzw. warum bist du eigentlich Pirat?
Joachim Bokor: Ich bin Pirat, weil ich glaube und hoffe, dass die Piratenpartei die einzige Partei ist, die die digitale Zeitenwende begriffen hat und eigenständige, echte Ideen hat, wie man damit gesamtgesellschaftlich umgehen kann. Ich versuche da so in kleinen Schritten, diese gesellschaftliche Wandlung mitzugestalten. Deshalb bin ich Pirat.
Flaschenpost: Und wie bist du zu den Piraten gekommen, gab’s da irgendeinen politischen Auslöser?
Joachim Bokor: Ich hab die Piratenpartei seit ihrer Gründung 2006 sehr eng beobachtet und bin dann kurz vor der Bundestagswahl tatsächlich Mitglied geworden. Es gab da nicht direkt einen Auslöser. Sicherlich war damals das große Thema Zensursula, was mich persönlich auch sehr beschäftigt hat und natürlich 2009 auch die Reform bzw. die versuchten Reförmchen des Datenschutzgesetzes, die für mich mal wieder hätten genauso gut unterlassen werden können, weil sie nichts Wirkliches gebracht haben und die echten Herausforderungen immer noch nicht in Angriff genommen haben.
Flaschenpost: Du bist ja aktuell Schiedsrichter im Bundesschiedsgericht. Was hast du denn sonst noch so bei den Piraten gemacht?
Joachim Bokor: Um ehrlich zu sein, nicht sehr viel. Ich bin auf vielen Mailinglisten drauf: auf der AG Recht, AG Datenschutz, und schreibe dort und bringe mich auch von Zeit zu Zeit ein. Insbesondere in der AG Recht versuche ich die Rechtsfragen, die zu meinem Thema, also Datenschutz, Persönlichkeitsschutz aufkommen, möglichst ausführlich zu beantworten.
Ich gehe regelmäßig zu meinem Stammtisch in Cottbus, habe aber bisher noch keinen großartigen Wahlkampfaktionen gemacht. Und ja, ich habe mal einen unserer Landesparteitage mit Internet versorgt und ähnliches.
Flaschenpost: Die Arbeit im Bundesschiedsgericht frisst ja doch recht viel Zeit. Wieviel Zeit kannst du denn aufwenden bzw. wie viel wendest du denn überhaupt im Moment schon auf?
Joachim Bokor: Das hängt natürlich immer davon ab, wie das Fallaufkommen ist. Das können schon mal bis zu, also im Schnitt, zwei Stunden die Woche sein. Wenn ich Berichterstatter bin und ein Urteil schreiben muss, dann sind das schon 6 bis 8 Stunden Arbeit, die in einem Stück geleistet werden müssen. Und ja, das geht am Wochenende oder abends oder wann auch immer.
Also ich sehe da, auch wenn ich jetzt hoffentlich irgendwann eine Vollzeitstelle bekomme, eigentlich genügend Zeit, die ich noch opfern kann.
Flaschenpost: Was hat dich denn bewogen nach der Amtszeit, die du schon hinter dir hast, erneut für das BSG zu kandidieren?
Joachim Bokor: Ich halte es für ne sehr sinnvolle Arbeit und ich halte mich auch sehr gut geeignet für die Position, mit meinem beruflichen Hintergrund als Jurist. Ich hab auch häufig bei den aktuellen oder bei den vergangenen Verfahren gemerkt, dass es sehr hilfreich ist, einen juristischen Profi im Schiedsgericht zu haben, angefangen von Urteilsgestaltung bis hin zu Auslegung von Gesetzen, was mir sicherlich leichter fällt als manchen anderen. Ich denke, ich kann da gute Arbeit leisten und würde das gerne weiterhin tun.
Flaschenpost: Abgesehen davon, dass du fachlich Jurist bist, was qualifiziert dich denn darüber hinaus für das BSG?
Joachim Bokor: Darüber hinaus, glaube ich, schaffe ich es ganz gut, den Kern einer Sache herauszuarbeiten. Denn häufig sind parteiinterne Streitigkeiten, werden viele Punkte angeführt, die aber alles nur Nebenkriegsschauplätze sind. Im Endeffekt geht’s um eine ganz andere Frage. Ich glaub’ ich schaffe meistens ganz gut, auf des Pudels Kern zu kommen und da eine Lösung zu finden. Das gelingt mir leider nicht immer, das gelingt uns als Schiedsgericht nicht immer, die Parteien zu einer gütlichen Einigung zu bewegen, das ist immer etwas, was ich als erstes versuche, also als allererstes Aufklärung, als zweiten Schritt versuchen eine gütliche Einigung zu finden, und wenn gar nichts mehr geht erst ein Urteil zu fällen.
Flaschenpost: Wie findest du die derzeitige Arbeitsweise im Bundesschiedsgericht?
Joachim Bokor: Die könnte professioneller sein.
Flaschenpost: Kannst du das konkretisieren?
Joachim Bokor: Ein Verfahrensregister wäre hilfreich, ein Überblick wäre hilfreich. Es wäre schön, wenn die vorhandenen Mittel tatsächlich von allen Schiedsrichtern genutzt würden. Gut, ich muss selber zugeben, dass ich jetzt auch kein fleißiger Wikigärtner bin. Da müsste ich selber auch mehr tun, ja, und teilweise könnten auch die Reaktionszeiten schneller sein.
Flaschenpost: Was läuft denn so gut bei euch im Bundesschiedsgericht?
Joachim Bokor: Was gut läuft ist, dass wir es in der letzten Legislaturperiode doch zweimal geschafft haben, sehr kurzfristig zu reagieren, wobei wir in dem einen Fall während des Bundesparteitags dann keine Entscheidung fällen mussten, sondern da dann innerhalb von 6, 7 Stunden eine gütliche Einigung herbeiführen konnten.
Gut lief auch, glaube ich, dass das LiquidFeedback-Verfahren, wo es ja Streitigkeiten gab über den einstweiligen Rechtsschutz, ob der überhaupt zulässig ist oder nicht, das lief ganz gut. Ich glaube, ganz gut abgearbeitet wurde auch das Verfahren des Kreisverbands Bonn gegen den zuständigen Landesverband, wo es um eine Kreisverbandsgründung ging, und da ging’s sehr stark erstmal darum herauszuarbeiten, was überhaupt festgestellt werden soll und was nicht. Und das waren eigentlich zwei Verfahren, die sehr gut zu Ende gekommen sind.
Flaschenpost: Auf welcher Grundlage fällst du denn Urteile, wenn du denn Urteile fällen musst und keine gütliche Einigung erzielen kannst?
Joachim Bokor: Natürlich auf den mir gegebenen rechtlichen Grundlagen, das sind in erster Linie die jeweiligen Satzungen, wenn denn soweit diese mit den übergeordneten Satzungen und den natürlich geltenden Gesetzen in Einklang zu bringen sind, was bei den Piraten leider auch nicht immer der Fall ist, dass da irgendwie eine innere Konsistenz herrscht. Aber das sind so die Arbeitsmittel, die ich zur Hand habe.
Flaschenpost: Und traust du dir zu, dabei auch Urteile zu fällen, die im Zweifelsfall deiner privaten Meinung widersprechen würden?
Joachim Bokor: Muss ich. Also, ja, weil im Parteiengesetz vieles zum Beispiel geregelt ist, was ich persönlich gerne anders hätte. Aber ich muss mit dem geltenden Recht arbeiten.
Flaschenpost: Eine abschließende Frage. Warum sollte man gerade dich wählen?
Joachim Bokor: Ich könnte jetzt ganz arrogant ansagen „Profis ins Amt“. Das ist so ganz knapp zusammengefasst. Andererseits kann man sich mittlerweile meine vergangenen Tätigkeiten anschauen und sich anhand deren ein Urteil bilden, ob ich was Gutes gemacht habe oder nicht. Und da soll sich jeder Pirat selber seine Meinung bilden. Es sind die ganzen Urteile veröffentlicht, kann jeder, der wirklich Interesse daran hat, nachlesen und das beurteilen.
Flaschenpost: Vielen Dank, Joachim, viel Glück für deine Kandidatur, vielen Dank wieder für’s Zuhören und wir hören uns dann in Heidenheim.
Joachim Bokor: Ich danke für das Gespräch.
Flaschenpost: Gerne. Tschüss!