In unserer Reihe der Kandidateninterviews wollen wir euch die Kandidaten für den Bundesvorstand und das Bundesschiedsgericht vorstellen. Heute geht es mit Gerwald Claus-Brunner weiter, der für einen Beisitzer-Posten im Bundesvorstand kandidiert.
Flaschenpost: Stell dich doch bitte erstmal vor: Wer bist du, wie alt bist du und was machst du?
G: Mein voller Name ist Gerwald Claus-Brunner. Ich bin in den Medien der Piratenpartei als Deuterium unterwegs und auf Twitter bin ich RealDeuterium, weil dort einer mit dem Nick Deuterium schneller war als ich. Ich bin aktuell 38 Jahre alt, ich werde eine Woche nach dem Bundesparteitag 39. Ich lebe seit ’96 mit meinem jetzigen Freund zusammen und als Beruf habe ich mal Fernmeldehandwerker gelernt, habe dann noch den Elektriker gelernt und arbeite jetzt seit einigen Jahren als Mechatroniker. Die letze Zeit auf 600-Euro-Basis, weil es der Firma nicht mehr ganz so gut geht und das fehlende Geld, was man dann braucht, gibt’s dann vom Jobcenter. Da hat man Spaß mit den Leuten, denn die nerven auch ab und zu mal rum.
Flaschenpost: Wie bist du denn zu den Piraten gekommen, beziehungsweise warum bist du eigentlich Pirat?
G: Nach der Europawahl im Juli habe ich mich für die Piratenpartei interessiert. Bis dahin habe ich ungültig gewählt. Ich habe mir gedacht, wenn ich eine Partei ankreuze, nach der langen Zeit, dann möchte ich auch wissen, was sind das überhaupt für Brüder und habe mir die angeguckt, Crews besucht, dann gab es in Berlin die Breipott-Treffen. Habe mich erst einmal reingeschnuppert, wie sehen die aus und mir ist aufgefallen, dass die Truppe gar nicht schlecht ist, alles junge Leute und keine verknöcherten Parteibonzen, die man sonst so kennt, und überhaupt nicht das übliche Partei-Gehabe. Ich wurde gleich aufgenommen, gefragt ob ich mitmachen mochte, eigentlich alles so wie ich mir immer vorgestellt habe, wie eine Partei sein sollte. Das haben sie mir sozusagen angeboten. Eingetreten bin ich dann aber erst nach der Bundestagswahl, am 01.10.2009, habe aber vorher schon mitgemacht, so gut wie ich’s halt konnte.
Flaschenpost: Gab es denn irgendeinen politischen Auslöser dafür oder einfach nur, weil die Jungs dort so nett waren?
G: Politischer Auslöser ist, dass ich mich interessiert habe und festgestellt habe, dass es flache Hierarchien sind. Es ist also nicht dieses “Hey, du musst erst 20 Jahre Plakate kleben, bevor du überhaupt mal daran denken darfst, etwas in der Partei zu werden, also höher zu kommen als ein normales Mitglied.” Also diese flachen Strukturen, dass man mitreden darf, ohne dass man irgendeinen Posten haben muss dafür, irgendwelche Entscheidungen mittreffen. Halt dieses Basisdemokratische hat mich eigentlich extrem angesprochen, was die Partei ja recht gut lebt, finde ich.
Flaschenpost: Gibt es denn sonst noch einen Interessens-Schwerpunkt bei dir politisch?
G: Ich bin ja Arbeiter, das heißt meine Interessensschwerpunkte sind automatisch Arbeit, Wirtschaft und Verkehr. Das hängt auch mit meinen Hobbys zusammen. Was ich auch ein bisschen vermisse in der Politik, ist, dass der Gesichtspunkt des einfachen Arbeiters, der jeden Tag zur Arbeit geht und des einfachen Mannes und der einfachen Frau von der Straße, in einer Partei und in der Politik nicht so gut vertreten und präsentiert ist, dachte ich mir, wenn das keiner macht, warum mach ich das dann nicht wenigstens und versuche das dann mal umzusetzen, was ich damit vorhabe. Das nächste ist dann halt, gerade hier in Berlin, wo man den öffentlichen Nahverkehr nutzen muss, die entsprechenden Probleme damit. Ich bin zum Beispiel auch Gründungsmitglied beim Berliner S-Bahn-Tisch geworden, um endlich den Leuten mal basisdemokratisch auf den Fuß zu latschen, dass die S-Bahn wieder funktioniert in Berlin.
Flaschenpost: Du hast jetzt schon mal kurz angedeutet was du schon gemacht hast. Hattest du schon Ämter in der Partei?
G: Es gibt ja die Parteiämter und die anderen Ämter. Parteiamt habe ich offiziell nie gehabt. Ich habe aber durchaus für Parteiämter kandidiert. Ich habe zum Beispiel am letzten Parteitag für die Liste kandidiert. Da bin ich der 14. von 17 Kandidaten geworden, also auf unserer Landesliste in Berlin. Dann habe ich noch für den Vorstand mitkandidiert. Ich habe für alle drei Posten kandidiert, als Vorsitzender, Stellvertretender, Beisitzer und habe für den Vorsitz schon 14 von 76 möglichen gekriegt, als stellvertretender Vorsitzender schon 21 von 79 möglichen und als Beisitzer 33 von 79 möglichen Stimmen. Das ist also gerademal eine gute Handvoll Stimmen, die gefehlt haben, dass ich Beisitzer im Berliner Landesvorstand geworden wäre. Sonst habe ich halt noch die Position als Direktkandidat in meinem direkten Wahlkreis Steglitz 1 und bin noch in der BVV-Liste Platz 3. Aber das ist wie gesagt kein Parteiamt, sondern ein Wahlamt. Das ist ja nur eine Option und keine echte Funktion. Also das äußert sich erst nach der Wahl am 18.9..
Flaschenpost: Was hast du denn sonst schon in der Partei gemacht?
G: Innerhalb der Partei habe ich schon folgendes gemacht, ich sage mal die Highlights: Ich habe zum Beispiel 2010 maßgeblich dazu beigetragen, dass in Berlin auf dem Christopher Street Day ein Piratentruck gefahren ist. Das wäre, wenn ich mich nicht darum gekümmert hätte und ein paar Widerstände überwunden hätte, nix gewesen. Auf dem größten schwul-lesbischen Stadtfest in Berlin ist auch ein Stand von uns gewesen. Habe ich auch orga-mäßig alles mit ner netten Squad zusammen, ich habe natürlich nicht alles ganz alleine gemacht, aber so die Impulse habe ich gesetzt und die Leute haben sich auch motiviert gefunden, haben mitgemacht. Das läuft auch 2011. Dann gibt es natürlich auch noch viele kleine Details, Fleißarbeit sage ich dazu. Jeder der nach 2009 in Hamburg auf dem Bundesparteitag war, der hat von mir etwas in der Hand gehabt, was ich erarbeitet habe. Das sind nämlich die Stimmkarten, die Stimmzettel. Die habe ich mitgedruckt, gefaltet, eingetütet und haste nicht gesehen. Das ist einfach so eine Fleißarbeit, aber das wird schon gerne mal übersehen. Weitere Details stehen in meiner Wiki-Seite. Da kann man es nachlesen, aber wenn ich jetzt alles hier aufzähle, dann geht eine Stunde locker dabei drauf, sage ich mal ganz ehrlich. Muss ja jetzt nicht sein, oder?
Flaschenpost: Was hat dich denn jetzt bewogen für den BuVo zu kandidieren?
G: Warum ich mich da jetzt bewerbe? Ich möchte erstens, man kann ja mal ganz gut meckern, ach der BuVo ist scheiße, macht nichts, und sonstwas, und dann habe ich mir gesagt blöd rummeckern, Faust in der Tasche dabei, das kann ja jeder, ich kandidiere um, das, was ich mir vorstelle wie ein BuVo arbeiten soll, möchte ich gerne umsetzen und das möchte ich halt, dass ich dafür kandidiere, geht das am besten und ich kandidiere auch ausdrücklich als Beisitzer, weil das reicht mir erstmal für den Anfang. Weil dann habe ich da auch an einer Stelle den Fuß in der Tür und kann dann das tun, was ich mir so gedacht habe, dass das sein muss.
Flaschenpost: Was genau denkst du dir dann? Was möchtest du mit dem Amt machen?
G: Der Vorstand ist aus meiner Sicht ein Gremium, welches die Partei, unter Berücksichtigung der Basismeinung, leitet und führt, aber auch den Überblick behält. Das heißt ich bin sozusagen quasi ganz oben auf der Spitze der Pyramide, bin jetzt aber nicht sozusagen der Kaiser von China, sondern ich frage ab, was wollt ihr, was macht ihr, und versuche Lücken und Defizite zu erkennen, um dann entsprechend gegenzusteuern indem ich folgendermaßen arbeite, dass ich, nehmen wir mal an die Bundes-IT, ein ganz beliebtes Streitthema, da sage ich mir: “Moment, was fehlt den Leuten eigentlich, was brauchen die?”, frage die und versuche dann den Leuten, dass die IT machen, die hinzubringen, zum Beispiel schreibe aus: “Die brauchen noch Menschen, die da mitmachen.” Mache also eine detaillierte Aufschreibung, bringe das auf einem geeigneten Medium den Piraten hin und umreiße die Aufgabe für die Neuen, die ich da mit reinbringe “So, das musst du jetzt noch machen und wer will das?” Dass man sozusagen den Leuten, die motiviert sind und was tun, die Arbeit abnimmt, dass sie sich nicht sozusagen totarbeiten und ersticken, und dass Leute, die Ideen haben oder meinen, was tun zu können, aber nicht wissen, wo sie etwas tun können, ich ihnen sozusagen offenbare, “Hey, da ist was offen, da kannst du loslegen, bewerbe dich doch mal auf die Ausschreibung, nimm doch mal die Beauftragung an” und sowas.
Also dass man delegiert, verteilt, kontrolliert, koordiniert, Kommunikation aufrechterhält, weil wir haben zum Beispiel auch recht viele Kommunikationskanäle, die parallel laufen. Da geht dann mal eine Kommunikation unter, weil dann irgendjemand nur auf Twitter unterwegs ist und die anderen haben alle auf einer Mailingliste geschrieben, um da mal ein drastisches Beispiel zu nennen, da geht halt mal Information verloren, die dieser Mensch aber nötig gehabt hätte, um passend zu reagieren. Das ist meiner Meinung nach halt ein Defizit unserer Partei, was unbedingt bereinigt werden muss, damit wir endlich da besser, effektiver werden. Was für mich auch noch eine Baustelle ist, die ich im Hinterkopf habe, ist, dass der dezentrale Parteitag mal endlich in die Hände genommen wird, weil es ist langfristig nicht möglich, mit der jetztigen Konstruktion immer wieder von den Leuten zu verlangen “Hey, jetzt fahrt ihr mal nach Heidenheim”, weil die Bayern freuen sich ganz prima, wenn sie nach Hamburg fahren dürfen. Da müssen wir eine Lösung finden. Das ist ja nicht meine eigene Idee, das haben ja schon viele andere, der dezentrale Parteitag und da muss endlich mal mit Händen und Füßen versehen werden, da muss man doch mal testen und ausprobieren, was geht eigentlich, was lassen die Gesetze da zu und so weiter und so fort. Das ist eine riesen Baustelle und wenn wir das gebacken kriegen, haben wir ganz schön Vorteile. Weil die andere Methode, wirklich die Basisdemokratie in der Partei mit ein bisschen mehr als tausend Menschen, die zum Parteitag kommen, da geht’s dann halt, übersteigt das irgendwie, da sehe ich Konflikte. Ja, das war gerade, was mir aus dem Stehgreif dazu einfällt.
Flaschenpost: Was qualifiziert dich denn für den Posten, auf den du dich bewirbst, beziehungsweise was qualifiziert dich für die Arbeit, die du vorhast?
G: Ich bin überzeugter, loyaler Pirat. Ich bin in der Lage, Projekte zu organisieren, auch wenn mir da welche Steine in den Weg legen. Ich kann die in ausreichender Qualität umsetzen und ich schaffe es auch, eine genügend große Menge an Leuten zu motivieren und bei meiner Idee mitzumachen. Das kann ich und habe auch genügend Sturheit und sage, das Jahr, die Amtszeit, die halte ich durch, auch wenn sie mir noch soviel auf die Füße latschen. Das Erfolgserlebnis gebe ich keinem, dass ich sage “Oh, ich habe kein Bock mehr und ich trete zurück”, das gibt’s bei mir nicht.
Flaschenpost: Im Vorstand prallen ja auch immer wieder verschiedene Meinungen aufeinander und auch verschiedene Persönlichkeiten. Würdest du denn mit jemandem im Vorstand zusammenarbeiten, den du nicht leiden kannst?
G: Ich kann auf 22 Jahre Berufsleben zurückblicken und wer in seinem Beruf arbeitet – kann jeder bestätigen – hat Kollegen, Chefs und sonstwas gehabt, wo er sagt “Also den würde ich in meiner privaten Umgebung nicht mal nach der Uhrzeit fragen”, der ist aber im professionellen Umgang und im Zuge der Arbeitsaufgabe, die man hat, verkneift man sich das dann halt und knirscht dann mit den Zähnen, sagt “OK, den mag ich jetzt zwar nicht so, dass ich mit ihm ins Bett gehe, aber ich arbeite mit ihm zusammen, so gut ich das halt kann.” Also dieses Gezoffe miteinander möchte ich nicht haben, weil das ist unprofessionell und bringt auch nichts, das bremst das ganze Ding bloß aus. Also ich denke, dass ich dazu in der Lage bin, dass ich das hinkriege. Habe schon mit Arschlöchern zusammengearbeitet, das glaubt kein Mensch, dass ich das geschafft habe.
Flaschenpost: Die Arbeit im Bundesvorstand ist ja auch recht zeitintensiv. Wieviel Zeit kannst du denn für die Piratenpartei aufbringen?
G: Aktuell arbeite ich in Berlin recht intensiv für die Piratenpartei. Das ist durchaus so ‘ne 40-Stunden-Woche, kann man mal so schätzen. Im Zuge des Wahlkampfes wird das noch mehr also bis hoch zu 80, 90 Stunden in der Endphase und ich denke mal, dass ich dem Bundesvorstand auch noch ein bisschen Zeit abknabbern muss. Da muss ich dann höllisch aufpassen, dass ich mir da nicht zuviel Zeitpensum auferlege. Ich muss also rechtzeitig auf die Idee kommen “Hallo, mir wächst diese Arbeit über den Kopf, finde ich da nicht jemanden, den ich mit irgendwas davon beauftragen kann”, also Teile meiner Arbeit, die ich als Bundesvorstand habe und verrichten muss, muss ich ja nicht immer alles selber machen, ich muss halt mir Leute auch suchen und Vertrauen aufbauen, die ich beauftragen kann, dass sie das für mich machen.
Das hat auch noch einen zweiten Vorteil: Wenn zum Beispiel in Württemberg irgend eine Baustelle aufploppt, die für mich ist, ist es einfacher, einen Württemberger vor Ort zu haben, der von mir beauftragt ist, der vor Ort die Leute kennt und da was reißt, als wenn ich von Berlin erstmal da hin fahren muss, was Zeitaufwand bedeutet und Geldaufwand, was die Partei ja nicht hat. Ich meine ideal ginge, könnte ich auch sagen “Ok, ich mache volles Programm, fahre überall hin, dann brauche ich auch eine Bahncard100, dann brauche ich irgendwie der mir meine 800, 900 Euro/Monat zahlt, dann bin ich auch 24/7 Bundesvorstand, der wie ein Reisekaiser durch die Republik fährt.” Also das ist die andere Variante, aber irgendwo einen Zwischenschritt muss ich abmachen. Also ist der klassische Ding delegieren, verteilen, beauftragen, Vertrauen haben und durchaus auch den Mut haben, weil das sehe ich auch, dass viele Bundesvorstandsmitglieder da eher nicht den Mut haben, zu sagen “Ouu, das beauftrage ich mal, nee, mache ich doch lieber selber.” Also, dass ist diese Konfliktgeschichte, die ich da auch so sehe. Ich habe letztendlich den Rieseneinblick, aber das vermute ich mal, dass das auch einen hindert am effektiven Arbeiten. Dass man sozusagen vollrumpelt, mach dies, mach das, mach das, und Ruckdiezuck hast du eine 100-Stunden-Woche, was überhaupt kein Problem ist in diesem Zusammenhang.
Flaschenpost: Für all das, was du gesagt hast, wirst du sehr viele aktive Piraten brauchen, an die du aber delegieren kannst, die die ganzen Aufgaben dann, die du für notwendig hältst, dann auch ausführen. Wie willst du denn mehr Piraten dazu motivieren, sich tatsächlich einzubringen?
G: Erstens bringe ich den motivierten Piraten, die etwas wollen, eine fest umrissene Aufgabe. Sozusagen eine Aufgabe, die überschaubar ist, dass derjenige, der sich nimmt diese Aufgabe auch erkennbar einen Erfolg erzielen kann. Weil es ist nichts Schlimmeres, als wenn du eine Aufgabe kriegst, arbeitest da dran und hast keine Aussicht auf Erfolg, weil das so umfangreich ist. Das muss also zugeschnitten auf die einzelnen Stärken der Piraten, jeder Mensch hat ja Stärken und Schwächen, ich muss also erfassen können “Was kann der gut?” und geb’ ihm dann ne Aufgabe, die auf das, was er gut kann, zugeschnitten ist, so dass er dann passend arbeiten kann. Natürlich mache ich auch öffentliche Ausschreibung von so einer Aufgabe, damit ich erstens auch eine breite Masse erreiche, dass dann einer, der das sieht, dass das für ihn genau passt, dann sich bei mir melden kann, dass das also auch umgekehrt funktioniert.
Flaschenpost: Dafür ist wieder sehr wichtig, gerade für so Ausschreibungen und auch für anderes, wie die Piraten miteinander kommunizieren. Wie findest du denn, sollten sie kommunizieren und zwar einmal von der Basis zum Vorstand, aber auch die Basis beziehungsweise die Vorstände untereinander?
G: Die Kommunikation muss vereinheitlicht werden. Das heißt, es muss in unserem Parteiumfang eine Kommunikationsplattform geben. Das ist unsere eine Kommunikationsplattform, die alle, die mit einem reden wollen und mit jemandem reden wollen, benutzen. Das heißt, es darf nicht, wie es jetzt ist, die ganzen verschiedenen Plattformen nebeneinander geben. Es muss eine einheitliche geben. Zusätzlich muss diese einheitliche Kommunikationsplattform, wo alle reden müssen und auch lesen müssen, muss es natürlich Regeln geben für die Art und Weise der Kommunikation, weil es ja eine offizielle Kommunikationsplattform ist, die auch andere lesen. Und da muss es halt Regeln geben und wenn die nicht eingehalten werden, muss es auch entsprechende Sanktionen geben und wenn unsere Satzung das zum Beispiel nicht zulässt, muss es entsprechend angepasst werden, damit ich auch eine realistische Handhabe habe, wenn einer über die Stränge schlägt, dem zu sagen “So Junge, das ist jetzt hier aber nicht so gut. Jetzt gibt es hier eine gelbe Karte. Jetzt hast mal einen Tag Pause und denkst mal drüber nach, was du gerade gemacht hast.”
Das ist auf manchen Kommunikationsplattformen extrem ausgeartet, dass die Menschen miteinander extrem hart kommunizieren, sage ich mal jetzt vorsichtig ausgedrückt, dass man da auch das Gegenüber, da mein ich den anderen Partner damit, verletzt oder beleidigt. Also kann sich jeder nicht von freisprechen, dass er das nicht schon mal gemacht hat. Man kann natürlich der Sache grundsätzlich ein bisschen entgegenwirken, dass man diesen Schutzpanzer Internetkommunikation ersetzt durch wir treffen uns mal irgendwo und setzen uns zusammen und reden eins zu eins, face to face. Da baut man durchaus noch die eine Hürde ab und dann fehlt dieser Panzer. Es gab mal einen guten Vergleich von jemand anders: Das Internet ist ungefähr genauso wie ein Autofahrer mit einem Radfahrer auf dem Straßenverkehr kommuniziert. Man hat diesen schönen Blechpanzer um sich rum, man ist sozusagen vermeintlich sicher und geschützt und kann ganz anders agieren, also man agiert auch anders, als man zum Beispiel als Bürgersteig geht als Fußgänger und jetzt einen anderen Fußgänger anpöbelt. Das sind völlig verschiedene Sachen, aber Autofahrer pöbeln sich mit Gesten, Fingerzeigen gegenseitig an, weil man ist ja in diesen kleinen Blechhäuschen und die Fußgänger machen das nicht, weil die Blechhäuschen fehlen.
Das ist sozusagen dieses Internet auch, dass man sozusagen “Ach, der ist 100 km weit entfernt, der kann mir ja sowieso nichts, jetzt kann ich mal richtig einen ablassen”. Das muss halt mit Schutzregeln und dass jemand mal sagt STOP!, das darfst du so nicht, da muss auch mal der Vorstand entsprechend mal einschreiten, wenn es nicht die eigenen Mitkommunikatoren machen, also wenn es jetzt eine Diskussion gibt, die artet aus und keiner sagt, hat Zivilcourage, sagt “Hey, jetzt hör mal auf hier so zu fluchen und die Leute zu beleidigen” und wenn das nicht passiert, muss halt die nächste Stufe eingreifen und sagen “Stop, was ihr da macht, ist jetzt nicht in Ordnung, du kriegst jetzt eine auf den Hut, du kriegst eine auf den Hut”. Das muss es schon geben, sonst funktioniert das nicht in so einer großen Menge von Leuten. Wir haben ja 12.000 Mitglieder. Da muss es irgendwo auch ein bisschen Zug und Struktur geben. Das darf nicht so wie es jetzt ist, ich sage mal es grenzt auf manchen Kommunikationsebenen auch an Anarchismus. Ist ganz nett, wenn man stark genug ist, laut genug ist und merkbefreit genug ist, da kann man damit klar kommen, aber es gibt auch genug sensible Menschen. Das ist meiner Meinung nach auch ein Grund, wieso es so wenig Frauen in der Partei gibt, denn diese harte Kommunikation ist nicht das, was die haben wollen. Die wollen eine etwas freundlichere Kommunikation und so weiter. So das artet jetzt aber auch wieder aus, aber ich sage, ich habe den Punkt, glaube ich, erkannt. Es muss eine einheitliche Plattform geben, mit Regeln, das muss überwacht werden, von Leuten, die natürlich demokratisch legitimiert sind. Da kann ich jetzt nicht sagen “Oh, ich bin jetzt hier der Admin und ich mache das jetzt so, wie ich das will”. Diese Regeln müssen natürlich demokratisch legitimiert sein durch einen Landesparteitag, einen Bundesparteitag, einer entsprechenden Ebene und zuviele Hierarchiestufen darf es natürlich auch nicht geben. Das behindert die Kommunikation natürlich auch wiederum.
Und man muss natürlich auch die Leute, die lokal, also regional einer Ecke wohnen, denen muss man natürlich die Möglichkeit geben, dass die miteinander reden. Also das ist dann besser als wenn die jetzt, zum Beispiel die Berliner jetzt immer mit den Württembergern reden müssen, weil der Abstand ist groß. Denn der Berliner weiß nicht, was in Württemberg jetzt das Detail ist, worum es geht, weil er das nicht sieht und erkennt und selber erlebt und umgekehrt auch so. Da gibt es auch wieder viele Konflikte. Da durch das “Ich kenne das nicht, ich höre bloß Gerüchte, ich lese eine Mailingliste, mache mir dann eine verzerrte Informationsbildung davon und dann polter ich los”. Also jetzt hinsichtlich auch die Kommunikationsebene, das sehe ich zumindest so, was manchmal auf ner Mailingliste abgeht oder sonstwo, wie sich die alle nennen, die ganzen Plattformen. Ich habe die noch nicht mal gezählt, was es alles gibt.
Flaschenpost: Kommen wir zu einem völlig anderen Thema. In Chemnitz wurde unser Programm ja recht stark erweitert, unter anderem auch um Familienpolitik. Wie und welche programmatische Weiterentwicklung des Programmes wünschst du dir denn?
G: Ja, die Weiterentwicklung möchte ich erstmal dahingehend sehen, also ich bin nicht jetzt einer, der sagt, wir beschränken uns auf wenige Punkte. Das möchte ich nicht. Aber die Weiterentwicklung hinsichtlich zusätzlicher Programmpunkte muss behutsam und langsam und aufbauend stattfinden. Weil wir haben teilweise noch Kernprogrammpunkte, die immer noch ein bisschen wenig Fundament haben oder teilweise auch mit unrealistischen Träumereien gefüllt worden sind. Da möchte ich vermeiden, wenn wir uns zu schnell erweitern, ohne aufeinander aufbauen – und die ganzen Prozesse dauern ja auch Zeit – kann schnell der Eindruck angehängt werden, wir wollen Hansdampf in allen Gassen spielen, das machen wir jetzt, um die Stimmen zu fangen, und sowas. Das unterminiert unsere Glaubwürdigkeit. Wir müssen unsere Kernthemen direkte Demokratie, Bürgerbeteiligung, Transparenz, Datenschutz, Urheberrecht, das sind durchaus riesige Baustellen, wenn man das mal ernst nimmt. Da fehlt meiner Meinung nach bei manchen Bereichen noch extrem viel Substanz und das muss man als erstes ausfüllen, bevor ich etwas Neues anfange. Also das ist meine persönliche Meinung.
Ich bin aber absolut der Gegner davon, zu sagen, wir beschränken uns auf diese Punkte, aber man kann die andere Punkte, die es so gibt, zum Beispiel Arbeit, Wirtschaft, Soziales, Verkehr, kann man ja mit den Punkten, die unsere Kernpunkte sind, beleuchten und dann hat man wieder eine Essenz, die man da rausziehen kann und unter Berücksichtigung der Kernpunkte kann man ja zu den entsprechenden Themen, das ist unsere Lösung dazu, das ist auch noch zu berücksichtigen, da muss man auch drauf achten und wie gesagt, ist schwierig und dauert lange. Ich weiß selber wie langfristig es ist so ein vernünftiges Positionspapier zu entwickeln, das durchzuarbeiten, dass es dann auch eine Mehrheit findet, dass die Leute das auch akzeptieren, weil es auch ganz schlimm ist, wenn in so einem Wust von Anträgen dann eine, sage ich mal, Perle versteckt ist, die gut ausgearbeitet, die dann einfach untergeht, weil so viele Anträge das zugespammt haben. Das darf dann natürlich auch nicht sein.
Flaschenpost: Welche Zukunft wünschst du dir denn für die Partei?
G: Dass wir uns immer unsere Entstehungsgeschichte und Herkunft im Hinterkopf behalten, auch bei einer möglichen Regierungsbeteiligung unsere Grundsätze niemals leichtfertig weggeben, nur damit wir vielleicht mal einen Ministerposten oder so kriegen. Ich möchte, dass wir in allen Landtagsparlamenten mit einer zweistelligen Prozentzahl vertreten sein werden und dass wir 2013 in den Bundestag einziehen. Das ist das, was ich mir für unsere Partei wünsche.
Flaschenpost: Kommen wir zur letzten und vielleicht wichtigsten Frage. Kannst du noch einmal für uns zusammenfassen, warum wir gerade dich gerade für dieses Amt wählen sollen?
G: Ich bin ein Praktiker. Kenne meine Möglichkeiten und das, was ich erreichen kann. Also kenne meine Grenzen. Bin aber mit genügend Fantasie ausgestattet, die mit meinem Realitätssinn zusammengearbeitet durchaus brauchbare und schöne Ideen erzeugt. Und noch ein kleiner Hintergedanken oder ‘ne kleine Spitze für andere Vorstandsmitglieder, die vor mir mal drangewesen: Ich habe als Kind ein Fahrrad mit Rücktrittsbremse gehabt.
Flaschenpost: Vielen Dank Gerwald für das Interview, viel Glück in Heidenheim und wir sehen uns dann sicherlich auch in Heidenheim.
G: Ja, denke ich mal auch. Ich hoffe, dass diesmal die Datei heile bleibt…
Flaschenpost: Vielen Dank und Tschüss!
G: Ja, dann noch schönen Sonntag für euch.
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