In unserer Reihe der Kandidateninterviews wollen wir euch die Kandidaten für den Bundesvorstand und das Bundesschiedsgericht vorstellen. Heute geht es mit Benjamin Siggel weiter, der für einen Beisitzer-Posten im Bundesvorstand kandidiert.
Flaschenpost: Stell dich doch am besten einfach mal kurz vor: Wer bist du, wie alt bist du und was machst du?
Benjamin: Du hattest ja schon gesagt, ich bin Benjamin Siggel, ich komme aus dem schönen Niedersachsen, und da aus Hannover und bin 25 Jahre alt. Ich studiere Rechtswissenschaften in Hannover, habe da gerade meine erste juristische Staatsprüfung Ende März abgeschlossen. Ich verdiene nebenbei so mein Geld mit EDV, Beratung und Betreuung von Privatpersonen und Unternehmen und werde ab Oktober ein Schwerpunktstudium beginnen im IT-Recht und geistigen Eigentum. Ich denke, das kann man so über mich sagen, als ersten Einstieg.
Flaschenpost: Wie bist du denn zu den Piraten gekommen und warum bist du Pirat?
Benjamin: Ich bin Ende 2009 bei den Piraten eingetreten, wie wahrscheinlich ein Großteil der Piraten auch. Das Ganze fing eigentlich an mit der Zensursula-Sache Anfang 2009. Das war so der Punkt, ich war schon immer politisch interessiert, hab mich aber immer ein bisschen davor gescheut, in eine Partei einzutreten. Das war halt so der Moment, wo ich dann dachte, gut, an irgeneinem Punkt muss mal aktiv werden, wenn es zu arg und zu schlimm wird. Und das war da für mich erreicht. Ich hab dann erst angefangen dagegen zu argumentieren, hab Mitstreiter gesucht, habe eine Website gemacht, de-zensiert.de, um Argumente zu sammeln und bin dann in den AK Zensur hineingestolpert und irgendwann dann halt auch in die Piraten.
Flaschenpost: Also war die Zensursuladebatte dein politischer Auslöser, warum du Pirat geworden bist?
Benjamin: Ja. Also, da war irgendwann dann halt die Schwelle überschritten, dass ich gedacht hab, irgendwann muss man halt auch Verantwortung übernehmen, wenn die anderen so … Mist machen.
Flaschenpost: Hast du noch weitere Interessenschwerpunkte, politisch?
Benjamin: Schwerpunkt politisch, ja, also, ich interessiere mich halt erstmal natürlich aufgrund meines Studiums relativ intensiv für rechtliche Belange. Weil man die halt, wenn man Jura studiert hat, eigentlich bei jedem Gespräch und so weiter, das in so eine Richtung geht, gedanklich mitschweben hat, dabei. Dann interessiere ich mich noch für Demokratie, weil das eben auch teilweise in den staatsrechtlichen Bereich reingeht. Aber auch halt in den politikwissenschaftlichen Bereich, also dieses Schnittsystem quasi. Und sonst, Digitalpolitik, Medienpolitik, sind dann so meine Dinge, die ich gerne mache.
Flaschenpost: Also ureigenste Piratenthemen.
Benjamin: Richtig, sozusagen.
Flaschenpost: Was hast Du denn bisher in der Partei gemacht, hast du schon irgendwelche Ämter innegehabt?
Benjamin: Also Ämter hatte ich noch nicht inne. Ich hab halt 2009 erstmal damit gestartet, mich so ein bisschen umzusehen. Ziemlich begeistert war ich dann von LiquidFeedback. Da hab ich dann halt wie viele andere auch mich erstmal so gleich reingestürzt in diesen ersten Hype und hab dann den Parteitag in Chemnitz, da war ich in der Antragskommission, hab also den Parteitag mit vorbereitet, dass der gut läuft. Ich hab inhaltlich gearbeitet an Positionspapieren zur Vorratsdatenspeicherung und zum Jugendmedienschutz. Und was ich jetzt halt auch gerade gemacht habe, war die Initiative neue Piratensatzung. Also, die Satzung die wir haben, einmal fundamental neu zu schreiben, sag ich mal, weil halt vieles da drin nicht ganz so toll ist. Da gibt’s soweit ich weiß auch auf dem Parteitag jetzt in Heidenheim einen Antrag, dass der Vorstand eine Satzungskommission einrichten soll. Deshalb hab ich auch erstmal darauf verzichtet, das als Antrag einzureichen, damit das auf eine legitimere Basis gestellt werden kann, als wenn da nur einer dran rumschreibt.
Flaschenpost: Nach alldem, was du bislange gemacht hast, was ja jetzt nicht so wenig ist, was hat dich bewogen jetzt gerade für den BuVo zu kandidieren?
Benjamin: Das waren eigentlich zwei Punkte: Erstens – damit bin ich wahrscheinlich nicht alleine – war ich einfach unzufrieden mit der bisherigen Arbeit des BuVo und insbesondere halt auch mit der zwischenmenschlichen Aktion. Das fand ich nicht gerade gut, um’s mal so zu formulieren. Dass ich mich entschlossen habe, dann gleich für den BuVo zu kandidieren, war halt auf der einen Seite: Wenn man will, dass es richtig gemacht wird, sollte man sich auch nicht davor scheuen, es auch selbst anzupacken. Außerdem kam dazu, dass ich bei meinem Studium jetzt mit dem staatlichen Teil durch bin und extrem viel Zeit habe. Und das Dritte war, dass ich in den letzten Monaten, als ich dann gemerkt habe, dass ich Stück für Stück in die Parteiarbeit reingezogen wurde immer tiefer, dass mir das halt Spaß macht und mich auch ausfüllt. Also, dass ich das Gefühl habe, was Wichtiges und Richtiges zu tun und dabei nicht alleine zu sein. Und das ist halt so eine Sache, die habe ich vorher so halt eher selten empfunden, weshalb ich mich auch stärker einbringen wollte und dann ist natürlich jetzt so eine Kandidatur für den BuVo nicht unbedingt das Schlechteste.
Und der zweite Punkt, der mich halt am BuVo geärgert hat, das war halt dann auch der Punkt warum ich gesagt habe *ich* kandidiere für den BuVo, war die mangelnde rechtliche Kompetenz an vielen Stellen. Was halt einfach daran liegt, dass wir nicht sonderlich viele Juristen in der Partei haben. Das ist halt nicht gerade förderlich, weil viele Sachen sich halt mit rechtlichen Fragen beschäftigen. Wenn es jetzt darum geht, die Partei innerparteilich neu zu strukturieren, oder auch wenn wir nach außen treten, läuft’s ja letztlich darauf hinaus, dass wir irgendwann mal Gesetze machen wollen. Da kommt man ganz ohne gewisses rechtliches Mitbewusstsein nicht aus – in meinen Augen. Und das ist halt auch der Punkt, den ich dann in den Vorstand mit einbringen möchte.
Flaschenpost: Warum kandidierst du denn gerade für das Amt des Beisitzers?
Benjamin: Ja, darüber habe ich länger nachgedacht, wofür ich kandidiere. Der Punkt eins ist, dass ich nicht möchte, dass wir in Heidenheim mit einem komplett neuen Vorstand beginnen. Das würde keinen Sinn machen, dann die ganzen Erfahrungen zu verschenken, die der jetzige Vorstand in den letzten Monaten und Jahren halt gemacht hat. Aus dem Grund würde ich mir halt auch für den Vorsitz des Bundesvorstandes und den Vizevorsitzenden wünschen, dass das Piraten mit Erfahrung sind und möglichst aus diesem Vorstand, und das kann ich von mir halt nicht sagen. Deshalb war das für mich halt schon gestorben.
Ich hab darüber nachgedacht, ob ich fürs Schiedsgericht kandidiere. Ich weiß nicht genau, ob Recht sprechen zu den Dingen gehört, die mir Spaß machen würden. Auf jeden Fall fühle ich mich dafür auch noch nicht so richtig … weise genug, sag ich mal. Ich bin halt auch erst 25 Jahre alt, da hat man noch nicht so die Distanz zu allen Dingen, die man vielleicht mitbringen muss, um ein guter Richter zu sein.
Flaschenpost: Wie stellst du dir die Arbeit im Bundesvorstand vor? Was genau möchtest du mit dem Amt machen, wenn du es hast?
Benjamin: Was will ich mit dem Amt machen. Erst einmal würde ich mich freuen, wenn wir einen Bundesvorstand haben, der dann zusammenarbeiten kann. Also, das ist für mich erstmal ganz wichtig. Das ist auch der Punkt warum ich zwar halt sage, was würde ich gerne umgesetzt sehen, was kann ich, woran würde ich gerne mitarbeiten, aber ich trete jetzt nicht an mit irgendwelchen bestimmten Wahlversprechen. Sozusagen „Das setz ich jetzt durch“, weil das in meinen Augen der Arbeit des Bundesvorstands später vorgreifen würde, dann hat jeder so ein Wahlprogramm – das bringt’s ja auch nicht.
Was möchte ich also damit erreichen? Den einen Punkt hatte ich ja schon genannt, ich möchte eine juristische Expertise und eine juristische Perspektive einbringen. Das bedeutet einfach, dass wenn man halt gewisse Dinge diskutiert, dass da schon jemand dabeisitzt, der im Hinterkopf die rechtliche Seite der ganzen Sache mitbedenkt. Und nicht später dann irgendwie versucht, da rechtlichen Rat einzuholen, weil das halt zwei unterschiedliche Kategorien sind.
Und ein zweiter Punkt, den ich voranbringen möchte, sind die innerparteilichen Strukturen. Da haben wir einen Mangel, den man auch daran sieht, dass wir halt auch teilweise Schwierigkeiten haben, zwischen den Parteitagen politisch Position zu beziehen.
Ein dritter Punkt, der wäre nice-to-have, den würde ich gerne machen, aber er ist mir nicht super-wichtig, wäre halt die neue Satzung. Die mal zu überarbeiten und wenn’s dann so eine Satzungskommission gibt oder so, kann ich mir auch gut vorstellen, dass ich daran mitarbeite.
Flaschenpost: Du hast dir eine Menge vorgenommen. Was qualifiziert dich denn für den Posten, auf den du dich bewirbst? Also was qualifiziert dich für die Arbeit, die du tun möchtest?
Benjamin: Nun, für die Arbeit, die jetzt einen rechtlichen Hintergrund hat, das ist ja klar. Dass ich ein juristisches Studium hinter mir habe. Das wäre so die inhaltliche Qualifikation. Was ich für noch viel wichtiger halte, nach diesem Vorstand, ist, dass der Vorstand mit Personen besetzt wird, die ihr eigenes Ego ein Stück zurückstellen können. Und dann nicht das Hau-drauf irgendwie durchsetzen, und dann steht man vor einem Scherbenhaufen. Das klingt natürlich schon wieder nach einem großen Ego, aber ich habe durchaus den Eindruck, dass das eine Sache ist, die ich kann, dass ich mich nicht immer hundertprozentig durchsetzen muss, und dass ich vielleicht auch ein bisschen vermitteln kann und nicht überall Gräben aufreiße.
Flaschenpost: Du sagtest, du willst auch zwischen den Parteitagen politische Positionen verabschieden. Weißt du schon, wie du das erreichen möchtest?
Benjamin: Ja, da habe ich auch für Heidenheim einen Antrag eingebracht. Ich bin nicht sicher, ob Heidenheim jetzt schon der richtige Moment ist, den zu entscheiden. Vielleicht sollten wir damit auch noch ein Jahr warten. Es geht darum, der einzige Punkt ist halt, wie wir uns politisch positionieren zwischen den Parteitagen, sind Positionspapiere im Wesentlichen, wenn man von Pressearbeit jetzt mal absieht… Aber auch die Pressearbeit muss sich ja, wenn’s jetzt kein politischer Standpunkt ist, der schon ausgearbeitet ist, auf irgendwas stützen können. Sie soll ja nicht aus dem luftleeren Raum irgendwas schaffen und dann stehen wir da. Von daher geht es mir darum, dass wir Entscheidungssysteme über das Internet einsetzen, welche das auch immer sein mögen. Ich persönlich bevorzuge ein System, das auf Liquid Democracy beruht, weil ich das für funktionierender halte. Aber egal, welche das am Ende sein sollen, geht es für mich darum, dass man ein solches System mittelfristig so auslegt, dass darüber rechtsverbindliche Entscheidungen getroffen werden. Was auf dem Gebiet der Positionspapiere, anders als beim Grundsatzprogramm oder Satzungsänderungen, die die Mitgliederversammlung machen muss, auch durchaus geht. Und das finde ich halt viel schöner als es so zu belassen, wie es ist, dass der Vorstand das halt beschließt, mit wenigen Stimmen.
Flaschenpost: Wenn du in den Vorstand gewählt wirst, dann kommt es wie du ja selber schon gesagt hast auch auf das Team an, das dann gemeinsam den neuen Vorstand stellt. Würdest du denn auch mit Personen zusammenarbeiten, die du persönlich nicht ausstehen kannst?
Benjamin: Ich muss ehrlich sagen, es gibt glaube ich niemanden, von dem ich sagen kann, dass ich ihn absolut nicht ausstehen kann. Aber davon mal abgesehen, ist das eine Frage, die können wir uns, glaube ich, nicht leisten. Die können wir uns auch später nicht leisten, wenn wir die Parlamente geentert haben und dann politische Verantwortung übernehmen. Da können wir uns auch nicht aussuchen, welche Leute das sind mit denen wir Arbeiten und zu sagen „Nö, den mag ich nicht, mit dem arbeite ich jetzt nicht“. Da ist es halt dann einfach nötig, dass man die private Sphäre und die Arbeitssphäre ein Stück weit trennen kann. Das ist durchaus ein Punkt, den würde ich mir zuschreiben. Insofern ein klares Ja, ich würde natürlich auch mit Leuten zusammenarbeiten, die ich nicht mag, wenngleich ich durchaus sehe, dass man wahrscheinlich mit Leuten, die man mag, doch besser zusammenarbeiten kann. Also dass da was Besseres rauskommt. Aber man kann sich darum bemühen.
Flaschenpost: Eine letzte Frage noch zu deiner Kandidatur. Vorstandsarbeit ist, wie wir alle wissen, sehr sehr zeitaufwändig. Wieviel Zeit hast du denn, die du für die Piratenpartei aufwenden kannst?
Benjamin: Gegenwärtig habe ich eine Menge Zeit, also bis Oktober habe ich quasi frei, von so ein bisschen Broterwerb nebenbei abgesehen. Ab Oktober, hatte ich ja gesagt, fange ich mein Schwerpunktstudium an. Das muss sich dann entsprechend vereinbaren lassen. Aber da bin ich relativ optimistisch, weil sich da sicherlich auch wieder Schnittmengen ergeben, wo dann das Studium beispielsweise der Fortentwicklung von Programmatik der Piraten helfen kann. Wie gesagt, es geht ja um IT-Recht und geistiges Eigentum, also ein sogenanntes Kernthema bei den Piraten. Also insofern habe ich eine Menge Zeit.
Flaschenpost: Wir haben jetzt schon ein bisschen über das Programm gesprochen, und wo du dich selbst einordnest. Welche programmatische Weiterentwicklung wünschst du dir denn für die Piraten konkret?
Benjamin: Konkret würde ich mir wünschen, dass – oder: Ich wünsche es mir. Den Konjunktiv wollten wir ja eliminieren. Konkret wünsche ich mir, dass wir bei der Digitalpolitik Perspektiven ausbauen. Sei es jetzt Netzneutralität oder die Neudefinition von Öffentlich und Privat. Aber auf jeden Fall, dass wir da mit Konzepten kommen, und nicht mehr den „Konzepten“ der bisherigen Parteien hinterherrennen. Also, dass wir da quasi ein bisschen Agendasetting betreiben und nicht immer nur aufschreien, wenn wieder irgendwo Netzsperren oder sowas diskutiert wird, sondern auch in die Gesellschaft gehen und zeigen: Wir haben hier etwas und wir bringen mit dieser Technik die Gesellschaft nach vorne, und das ist gut, und das ist richtig und das ist eine Perspektive. Also das wäre für mich ein ganz wichtiger Punkt.
Ansonsten… Was wir sicher nochmal abhandeln sollten, wäre die Drogenpolitik, weil wir da gut zeigen können, dass wir rationale Politik machen und keine Ideologiepolitik. Und ansonsten müssen wir unserer Sozialpolitik eine vernünftige Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik hinzufügen. Und das hatte ich auch schon auf dem Sozicamp gesagt.
Was schön wäre, bei den Bürgern zu verankern – als Gefühl – ist einfach ein Gefühl dafür, wie Demokratie funktionieren kann. Also bisher sagen wir, sie muss viel transparenter sein und muss man mehr mitmachen können. Aber das sind halt erstmal nur Worte. Es wäre toll, wenn wir es vermitteln könnten, dass die Menschen, wenn sie an Demokratie denken, zugleich auch die Idee haben, wie Demokratie auch sein kann. Weil sie es gefühlt haben, weil sie es gesehen haben und es halt nicht mehr nur Worte für sie sind, sondern eine Perspektive. Die sie dann natürlich auch wieder nach außen tragen und sagen: Ich hab die gesehen bei den Piraten, so und so kann das funktionieren, und warum haben wir das eigentlich nicht auf Landesebene, auf Bundesebene, auf kommunaler Ebene?
Flaschenpost: Was du vorhast, erfordert viel Manpower und viele Piraten. Wie willst du mehr Piraten motivieren sich einzubringen und verbrannte Leute wieder mit einzugliedern?
Benjamin: Ein Problem, das ich gegenwärtig sehe, ist: Wir haben viele kompetente Piraten, von denen aber niemand weiß, dass sie kompetent sind oder worin sie kompetent sind. Und wir haben teilweise auch Abstimmungsprobleme, also dass drei, vier, fünf Leute an derselben Sache arbeiten und vielleicht gar nicht voneinander wissen, und dann vielleicht am Parteitag aufschlagen mit ähnlichen Programmanträgen. Das ist halt nicht unbedingt sinnvoll. Eine Sache wäre zum Beispiel, dass wir, das fände ich ganz toll, so eine Arbeitsbörse machen. Also wo Piraten drin sind, wo man sich registrieren kann und sagen kann „Ich brauch das, ich kann das, das und das“. Auf die Art und Weise kann man sich dann auch Mitstreiter suchen, die entsprechend qualifiziert sind.
Dann ist es sicher ganz wichtig, dass es einfach ist mitzumachen. Da sehe ich halt gegenwärtig noch das Problem, dass wir ziemlich viele Kommunikationstechniken haben, die man alle irgendwie können muss, wo man wissen muss, wo dann was interessantes vielleicht steht. Da müssen wir, denke ich, unsere Kommunikationskultur einfach verbessern. Dass man die Informationen besser heranträgt, vielleicht auch gezielter an Neumitglieder, damit die nicht gleich alleingelassen werden, sondern vielleicht so einen Einstieg kriegen: Hier kannst Du das machen, so funktioniert das bei uns.
Und es ist natürlich auch wichtig, dass man sieht, es passiert was. Also dass ich ein Erfolgserlebnis habe. Dafür braucht man Strukturen und Verfahren, die etwas bewirken. Ich denke, das Schlimmste ist, wenn man irgendwelche Arbeit leistet und dann zum Beispiel zum Vorstand geht und sagt „Hier, ich habe hier was ausgearbeitet“ – und dann passiert damit nix. Also das wäre total frustrierend. Ich denke, die Richtung müssen wir in der Hinsicht gehen.
Flaschenpost: Für all das, was du gerade beschrieben hast, ist es sehr sehr wichtig, wie die Piraten kommunizieren. Wie findest du sollten wir das lösen mit der Kommunikation untereinander – horizontal sowohl als auch vertikal?
Benjamin: Wir brauchen an dieser Stelle halt Verfahren. Also dass es klar ist, wenn ich irgendwie ein politisches Ziel habe oder ein politisches Themenfeld beackern will, dass es mehrere Schritte gibt. Dass ich eine Diskussion irgendwo führe, und dann muss halt klar sein, wo man so eine Diskussion führt. Da hab ich dann so eine Tendenz zum Sync-Forum, dass da die “offizielle Diskussion”, sage ich mal, stattfindet. Und nicht irgendwo – also ich habe nichts gegen Twitter, ich benutz das ja auch total gerne. Aber dass halt ne Diskussion an einem bestimmten Punkt stattfindet, ist schon ganz wichtig, damit man daran halt auch teilnehmen kann. Dass es dann auch weiter geht, dass das durch irgendein Entscheidungssystem gejagt wird und dann auch klar ist, wer darüber beschließt und unter welchen Voraussetzungen. Das ist ganz wichtig, denke ich, um produktive Arbeit leisten zu können.
Auf der anderen Seite finde ich es wichtig, dass offizielle Informationen oder wichtige Informationen irgendwie gebündelt werden. Das heißt, wenn ich jetzt nicht so zeitintensiv mitarbeite, dass ich nicht überall alles lese, dass trotzdem wichtige Dinge halt zu mir durchdringen. Da wäre halt ein Konzept von einer zentralen Informationsquelle, also ein Kommunikationskanal zwischen der Partei und den Piraten, die darin Mitglied sind, das finde ich sehr wünschenswert. Da hatte ich ein Konzept vorgelegt, den Piratenanzeiger. Das wollte ich in die Satzung schreiben, da hab ich jetzt erstmal von abgesehen, weil ich mir dachte, sowas probiert man vielleicht erstmal informell aus, bevor man das in die Satzung schreibt und sich den Aufwand dafür macht.
Eine Sache, zum Beispiel, die auch ein bisschen in die Richtung geht: Wie bedienen wir die neuen Medien auf eine neue Art? Wie machen wir Demokratie auf eine neue Art? Da hatte ich zum Beispiel mal darüber nachgedacht eine Piraten-App zu machen, um zu gucken: Wie kann ich damit Demokratie besser darstellen, auf eine neue Art. Das kann man zum Beispiel auf ein Tablet, auf ein Smartphone bringen. Und da kann man dann die Sachen gut vereinen, weil die haben alle eine Schnittstelle, um sie in einer App abzubilden. Ich denke, es wäre halt auch ein viel einfacherer Einstieg, wenn man jemandem sagt: Hier guck mal, wenn du dich für die Piratenpartei interessiert, installier Dir die Piraten-App und dann hast du da meinetwegen LiquidFeedback, dann hast du da die Foren, dann hast du vielleicht noch sowas wie Piraten-Twitter, wenn wir sowas einrichten. Halt gleich erreichbar, ohne dass man sich Gedanken machen muss, welche Technik jetzt dahintersteht, wie ich die bediene. Also, es möglichst simpel zu machen.
Ich denke, so kann man dann halt auch die Kommunikation verbessern. Das kann man dann zum Beispiel auch so machen, dass du dann angezeigt bekommst, wo ist der nächste Termin in meiner Umgebung, was liegt hier an. Die Leute halt gleich viel besser einzubringen, die Informationen dahin zu liefern, wo sie eigentlich hingehören. Ich denke, da können wir mit besserer Technik vielleicht auch noch einiges erreichen.
Flaschenpost: Du wünscht dir also eine maschinenlesbare Partei?
Benjamin: Das sowieso, ja. Richtig. Aber sie soll nicht nur maschinenlesbar sein, sondern sie soll auch sexy sein. Das ist für mich der Punkt.
Die Einstiegsschwelle ist halt viel geringer, da kannst du halt schon anfangen auch als Nicht-Pirat. Dann kann man sagen, gut, ich will jetzt Pirat werden, dann kriegst Du gleich ein Dings zugesandt, oder du kannst gleich spenden, solche Sachen. Dass das halt simpel ist. Ich finde das ganz wichtig.
Flaschenpost: Welche Zukunft wünscht du dir denn sonst so für die Partei?
Benjamin: Ich habe vor ein paar Tagen mit jemandem gesprochen, der hatte von der Piratenpartei noch nie gehört. Als ich ihm davon erzählt habe, hat er erstmal geglaubt, dass ich ihn verarschen würde: „Piratenpartei? Das meinst ja wohl nicht ernst!“ Also was ich mir wünsche, ist, dass erstens die Piratenpartei eben als realistische Alternative bei den Leuten in den Köpfen ankommt. Dass alle Leute wissen „Ja klar, Piraten, kenn ich, wofür stehen die ungefähr“. Und auch, dass wir uns abgrenzen zu den bisherigen Parteien, dadurch dass wir halt zeigen: Wir haben eine Perspektive, wir haben ein Ziel, wir haben eine Idee, wo wir als Gesellschaft hinwollen.
Denn das ist so ein Punkt, wo ich bei den anderen Parteien immer denke, gut, die denken sich halt irgendwas aus, wenn was passiert. Und dann machen sie irgendwas. Richtig ein Paradigma dafür ist für mich die Kehrtwende in Sachen Atompolitik bei Schwarz-Gelb. Wo sich ja de facto halt nichts verändert hat, und plötzlich sind alle anderer Meinung und erzählen was völlig anderes als vorher. Das wäre halt schön, und wenn wir uns insgesamt dann vielleicht profilieren als eine freiheitliche Partei mit einem sozialem Gewissen. Und dadurch so FDP, Linke und SPD so ein bisschen aufsaugen. Das wär so für mich das Schönste.
Flaschenpost: Vielen Dank für diese Antwort. Kommen wir zum Schluss – kannst du uns noch einmal in kurzen knappen Sätzen sagen: Warum sollen wir gerade dich als Beisitzer für den neuen BuVo wählen?
Benjamin: Erstens, weil ich fachliche Kompetenz mitbringe, in rechtlicher Hinsicht, die benötigt ist, weil wir als Partei in vielerlei Hinsicht auch Neuland betreten. Zweitens, weil ich der Auffassung bin, dass ich menschlich dafür geeignet bin, weil ich mein Ego unter Kontrolle habe und es einem gemeinsamen Ziel, das wir alle verfolgen, unterordnen kann – ein Stück weit.
Flaschenpost: Vielen Dank, Benjamin, für das Interview. Viel Glück in Heidenheim. Vielen Dank auch wieder fürs Zuhören an unsere Zuhörer, und wir sehen uns dann in Heidenheim.
Benjamin: Jo, richtig. Bis dann, tschau!
Flaschenpost: Tschüss!