Gastartikel von Daniel Neumann und Christian Hufgard
Den Antrag zur Reform des Urheberrechts im Detail zu beschreiben, ist ein relativ unfruchtbares Unterfangen, da er bereits hoch komprimiert ist. Alleine die Überschriften der einzelnen Themen haben einen Umfang von über einer Seite. Zusammengefasst enthält der Antrag alle entscheidenden Piratenforderungen: Die Legalisierung von Tauschbörsen, die Ausweitung der Schranken für Privatkopie und der Schaffung abgeleiteter Werke, die Stärkung von Bildungseinrichtungen, die Verkürzung von Schutzfristen, die Eindämmung der Abmahnindustrie und die Stärkung von Urhebern gegenüber Verwertern. Das wesentliche Kernelement dabei ist aber, dass ein neues Gleichgewicht im Kräftedreieck Urheber-Verwerter-Allgemeinheit geschaffen wird. Dabei lassen Piraten, Urheber und Verwerter alle ein paar Federn. Kaum verwunderlich dürfte sein, dass es die Verwerter sind, die am meisten verlieren.
Piraten hatten die Kröte zu schlucken, dass nun die Laufzeit des Urheberrechts bis zum Tod des Urhebers anerkannt wird. In Chemnitz wurde ein Positionspapier verabschiedet, das ihm eine Laufzeit von nur 10 Jahren zugestanden hat. Da das Urheberrecht aber als ein Persönlichkeitsrecht definiert ist, war dies nach Meinung der Antragsteller relativ absurd, das ist nun glücklicherweise korrigiert worden. Dies stellt auch einen Kompromiss in Richtung Urheber dar. Für viele ist die Möglichkeit, auch 30 oder 40 Jahre alte Werke noch verkaufen zu können, wichtig für die wirtschaftliche Existenz. Laufzeitverkürzungen auf wenige Jahre würden die Urheber vollständig der Marktmacht der großen Verwerter ausliefern. Dies ist eindeutig nicht im Interesse der Piraten.
Der Verzicht der Piratenpartei wird aber auch reich belohnt, indem alle ihre Kernforderungen eingeflossen sind. So werden Bildungseinrichtungen von Abgaben für die Nutzung von Werken vollständig freigestellt. Dies wird damit begründet, dass das Interesse der Allgemeinheit an einer umfassenden und möglichst verwaltungsfreien Bildung, das Interesse von Urhebern und Verwertern am Geld-Verdienen deutlich überwiegt. Büchereien können unbegrenzt Kopien digitaler Werke verleihen. Die Privatkopie wird umfassend gestärkt: in Zukunft soll es keine Rolle mehr spielen, aus welcher Quelle eine für nicht gewerbliche Zwecke genutzte Kopie stammt, Internettauschbörsen sind hier explizit inbegriffen. Die Rechte zum Erstellen von Remixes und Mashups werden deutlich ausgeweitet und vor allem auch auf Musik ausgedehnt. Vor einer Abmahnung bei einfachen Verletzungen muss der vermeintlich in seinen Rechten Verletzte versuchen, die Verletzung durch einen einfachen Hinweis bereinigen zu lassen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass öffentlich-rechtliche Sendeanstalten in die Pflicht genommen werden, ihre ausgestrahlten Eigenproduktionen unbegrenzt abrufbar zu halten.
Urheber verlieren, sobald die Position der Piratenpartei umgesetzt ist, die exklusive Kontrolle über veröffentlichte Werke. Diese haben sie de facto aber bereits mit dem Aufkommen des Internet verloren und der Versuch, sie wiederzuerlangen, führte zu Forderungen wie der Vorratsdatenspeicherung, Three-Strikes-Regelungen und dem Wunsch nach vollständiger Durchsicht jedes im Internet verschickten Datenpakets. Der Entwurf lässt aber explizit die Option offen, dass Pauschalabgaben in Höhe von maximal einem Prozent des Kaufpreises z.B. auf internetfähige Handys oder allgemein Internetzugangs-Hardware erhoben werden.
Weiterhin werden Bauwerke nicht mehr als Werke im Sinne des Urheberrechts angesehen. Dieser Punkt führt regelmässig zu absurden Situationen, bei denen Eigentümer eines Gebäudes aus ihrer Sicht notwendige Änderungen nicht vornehmen dürfen. Sofern ein Architekt Elemente eines Gebäudes für unveränderbar hält, muss dies dann im Vertrag explizit festgehalten werden.
Bei Filmen wird ebenfalls ein drastischer Einschnitt vorgenommen. Statt wie bisher als Grenze für die Gemeinfreiheit siebzig Jahre nach dem Tod des längstlebenden beteiligten Personen: Hauptregisseur, Urheber des Drehbuchs, Urheber der Dialoge, Komponist der für das betreffende Filmwerk komponierten Musik zu nehmen, werden ab Veröffentlichung 50 Jahre angenommen. Die Piraten sehen es nicht als sinnvoll an, einzelne Personen hier deutlich stärker als andere zu privilegieren und damit eine Rückführung von Filmwerken in die Allgemeinheit unnötig zu verkomplizieren.
Der Ausgleich für die Urheber für die Einschränkungen besteht unter anderem darin, dass Zweitverwertungsrechte eingeräumt werden, Rechte bei Nichtausübung schneller zurückfallen, unbekannte Nutzungsarten nicht pauschal eingeräumt werden können und die exklusive Laufzeit von Verträgen mit Verwertern beschränkt wird.
Großer Verlierer bei dem Reformvorschlag sind Rechteverwerter. Aber auch hier wird Maß gehalten. Ihre Funktion als Vermittler im Markt wird von den Piraten anerkannt, aber auch darauf zurückgestutzt. Verleger werden von den Vergütungen der Urheber ausgeschlossen, das exklusive Leistungsschutzrecht für Tonträgerhersteller wird auf fünf Jahre, das der Sendeunternehmen auf 25 Jahre reduziert. Sie werden also über verschiedene Maßnahmen gezwungen, nicht mehr als passive Verwalter von jahrzehntealten Rechten zu agieren, sondern aktiv Künstler zu fördern und zu unterstützen.
Laufzeitänderungen
Die Laufzeitänderungen sind alle als maximale Werte zu sehen. Spielraum für eine weitere Verkürzung ist explizit vorgesehen.
* 1/2 Jahr Exklusivrechte für Sammlungen und Zeitungen – im Normalfall aber kein Exklusivrecht
* 1 Jahr bis zum Rückrufsrecht von Nutzungsrechten bei Nichtausübung
* 1 Jahr nach Kinostart: Nutzung im Unterricht
* 1% des Verkaufspreises als Deckelung der Urheberrechtsabgaben auf Speichermedien und Geräte
* 5 Jahre Exklusivrecht für Tonträgerhersteller
* 5 Jahre Exklusivrecht bei der Verfilmung eines Werkes
* 10 Jahre nach dem Tod läuft das Urheberrecht aus
* 20 Jahre Schutz für Software
* 25 Jahre Beschränkung der Vergabe ausschließlicher Nutzungsrechte
* 25 Jahre Leistungsschutzrecht für Sendeunternehmen
* 25 Jahre Leistungsschutzrecht für Filmhersteller
* 30 Jahre Schutz für anonym und pseudonym veröffentlichte Werke
* 30 Jahre Schutz für ausübende Künstler
* 50 Jahre Schutz für Filme