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Jesus scheint dem weihnachtlichen Konsumrausch nicht viel abgewinnen zu können (DALLE-E generiert)
Es war ein kühler winterlicher Advent Abend, als Jesus Christus beschloss, der Erde mal wieder einen Besuch abzustatten. Seine Wahl fiel auf Deutschland. Warum auch immer, vermutlich wollte er sehen, wie seine „Fanclubs“ auf Erden so arbeiten. In Berlin angekommen, war sein erster Eindruck… nun ja, verwirrend. Statt freundlichen „Frohe Weihnachten!“-Rufen wurde er mit „Kaufe jetzt das neueste Smartphone!“-Plakaten und hektischen Menschen, die last-minute-Geschenke besorgten, begrüßt. „Friede auf Erden? Mehr wie ‚Sale‘ auf Erden“, dachte Jesus sarkastisch.
Während er durch die Straßen schlenderte, konnte er nicht umhin, die eklatanten Gegensätze zwischen Arm und Reich zu bemerken. Neben den glitzernden Schaufenstern, prall gefüllt mit luxuriösen Waren, erblickte er Menschen, die in Lumpen gehüllt in Eingängen kauerten. Ihre Blicke waren leer, und ihre Hände streckten sich flehend nach einer kleinen Gabe aus. Es war eine herzzerreißende Szene von Armut, direkt neben dem extremen Reichtum und Luxus. Die Straßen waren belebt mit gestressten Menschen, die mit Geschenken beladen waren, doch sie liefen achtlos und eilig an den Obdachlosen vorbei. Ihre Augen waren fixiert auf die nächste Einkaufsgelegenheit, blind für die Notleidenden an den Rändern der festlich geschmückten Wege. Trotz der fröhlichen Weihnachtsmusik, die aus den Lautsprechern dröhnte, und der christlichen Weihnachtsdekoration, die die Straßen säumte, herrschte eine spürbare soziale Kälte. Jesus beobachtete das Treiben und fühlte eine tiefe Traurigkeit. So hatte er sich das „Fest der Liebe“ sicherlich nicht vorgestellt. Inmitten der kommerziellen Hektik und des materiellen Überflusses schien die eigentliche Botschaft des Festes – Liebe, Mitgefühl und Gemeinschaft – verloren gegangen zu sein.
Beim Flanieren durch die festlich geschmückten Straßen Berlins stolperte Jesus förmlich über einen besonders pompösen Info-Stand, auf dem in großen Lettern „CDU/CSU“ prangte. Neben dem Stand, der mit glänzenden Broschüren und Plakaten vollgestopft war, stand ein Herr. Sein Anzug schrie förmlich „Maßanfertigung“, und seine Rolex Uhr funkelte im winterlichen Sonnenlicht so stark, dass man eine Sonnenbrille hätte tragen müssen, um nicht geblendet zu werden.
„Ah, ein interessierter Bürger!“ rief der Mann aus, als er Jesus sah, und winkte ihn mit einem strahlenden Lächeln heran. „Wissen Sie“, begann er, während er Jesus einen Flyer in die Hand drückte, „viele Menschen verstehen nicht, warum wir so eng mit Großunternehmen zusammenarbeiten. Aber es ist eigentlich ganz einfach: Wenn es den großen Unternehmen gut geht, geht es uns allen gut. Das ist quasi… christliche Nächstenliebe, verstehen Sie?“
Jesus blickte auf den Flyer, der die Vorzüge von Sozialkürzungen zugunsten von Steuersenkungen für Großkonzerne anpries. „Ach ja?“ erwiderte er, ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich erinnere mich, dazu mal etwas gesagt zu haben… ‚Es ist leichter für ein Kamel durch ein Nadelöhr zu gehen, als für einen Reichen in das Reich Gottes zu kommen‘. Aber vielleicht war ich ja damals ein wenig missverständlich.“
Der CDU/CSU-Vertreter lachte nervös. „Nun, die Zeiten ändern sich, nicht wahr? Und wir müssen doch wirtschaftlich denken, gerade jetzt zur Weihnachtszeit. Schauen Sie sich nur all diese Leute an, die Geschenke kaufen – Wirtschaftswachstum, wissen Sie?“ Jesus schüttelte langsam verständnisslos den Kopf, während er den Stand verließ. „Ja, sicher. ‚Du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon.‘ Aber was weiß ich schon? Ich war ja nur ein Zimmermann.“ Mit diesen Worten schlenderte er weiter, den Kopf voller Gedanken über die sehr seltsamen Interpretationen seiner Botschaften in dieser modernen Zeit.
Am Infostand der AfD wurde Jesus zunächst misstrauisch beäugt. Der AfD-Mann, ein groß gewachsener, breitschultriger Typ mit blauen Augen, blonden Haaren und einem strengen Blick, musterte ihn von Kopf bis Fuß. „Sie sehen aber nicht gerade deutsch aus“, begann er in einem spöttischen Ton. „Von wo kommen Sie denn genau?“ Jesus, unbeeindruckt von dem unfreundlichen Empfang, antwortete ruhig: „Ich komme aus dem Nahen Osten, genauer gesagt aus Bethlehem.“ Der AfD-Mann lachte höhnisch. „Ah, genau das, was wir hier brauchen. Ein weiterer Einwanderer aus dem Nahen Osten. Wissen Sie, wir versuchen hier das christliche Abendland zu bewahren. Es wäre wohl besser, wenn Sie wieder gehen würden.“ Jesus konnte kaum glauben, was er hörte. „Das christliche Abendland? Ihr redet von meinen Lehren, meiner Kultur. Aber Ihr wisst schon, dass ich, Jesus, nicht blond und blauäugig war, oder? Ich bin ein Teil des Nahen Ostens, von dem Ihr sprecht. Und übrigens, ich wurde in einer Flüchtlingsfamilie geboren. Meine Eltern mussten aus ihrer Heimat fliehen, um mein Leben zu retten. Ich bin selbst einst ein Flüchtling gewesen – ein Kind in Not, auf der Suche nach Sicherheit.“ Einige der Umstehenden, die bisher nur zugehört hatten, schienen bei diesen Worten nachdenklich zu werden. Doch der AfD-Mann blieb stur. „Es ist völlig egal, wer oder was Sie sind, hier im christlich abendländischen Europa ist kein Platz für Leute wie Sie. Deutschland zuerst!“ Jesus schüttelte den Kopf und ging weiter. Es schien, als ob die Ironie, dass die Partei, die das christliche Abendland verteidigen wollte, den eigentlichen Gründer des Christentums abweisen würde, vielen entgangen war.
Beim Stand der Linken musste Jesus ein wenig länger verweilen. Es schien, als ob es gerade einen hitzige Streit zwischen den Parteimitgliedern gab. Eine Frau, die sich als Sarah Zarenknecht vorstellte, argumentierte leidenschaftlich dafür, dass man Putin als anti-imperialisten verstehen müsse, der sich mutig gegen die NATO, die USA und den Imperialismus stellte. Ein anderer Linker konterte, dass Putin nichts anderes als ein gefährlicher Faschist und Nationalist sei. Bevor Jesus sich’s versah, brach eine Schlägerei zwischen den beiden Lagern aus und der schön geschmückte Infostand wurde von den Linken im Handgemenge zertrümmert. Jesus hob die Hände in einer beschwichtigenden Geste. „Meine Güte“, sagte er, „Als ich sagte, ‚Liebt eure Feinde‘, meinte ich damit, euch nicht gegenseitig zu verprügeln.“ Er schaute in die wütenden Gesichter und konnte nicht umhin zu denken, dass manchmal die Ideologie die Menschlichkeit völlig überlagert.
Ein paar Meter weiter schaute er sich den FDP-Stand an. Dort wurde gerade eine Kampagne gestartet, um Weihnachtsboni für Banker mit Steuergeldern zu fördern. „Denkt dran, sie sind auch nur Menschen“, hörte Jesus einen Parteisprecher sagen. Jesus schmunzelte: „Vielleicht sollte ich die Geschichte von den Händlern im Tempel noch einmal auffrischen? Oder besser, sie daran erinnern, dass nicht alles Gold ist, was glänzt?“
Als Jesus den Stand der SPD erreichte, sah er, wie fleißig Schlafmasken an die Bürger verteilt wurden. Ein rosiges SPD-Logo zierte die Vorderseite jeder Maske. Ein junger SPDler, der die Masken überreichte, erklärte enthusiastisch: „Für all diejenigen, die bei unseren TV-Auftritten und Reden leichter einschlafen möchten. Manchmal können Politik und Rhetorik eben ermüdend sein.“
Jesus hob eine Augenbraue und sagte schmunzelnd: „Ah, eine ehrliche Selbstreflexion? Oder vielleicht nur ein Mittel, um die Zuschauer friedlich und ruhig zu halten, während man ihnen inhaltsleere Phrasen serviert?“ Der SPDler lachte etwas gezwungen. „Nun, man muss doch immer versuchen, das Beste aus jeder Situation zu machen. Wenn die Leute schon einschlafen, dann wenigstens komfortabel.“ Jesus schmunzelte und schlenderte weiter, die Maske fest in der Hand.
Jesus schlenderte weiter bis zu einem weiteren Stand, der auffällig grün leuchtete. Ein riesiges Banner verkündete „Die Grünen“ und darunter in bunten Lettern: „Für eine gerechte, geschlechtsneutrale und nachhaltig ökologische Zukunft!“ Auf einer kleinen Bühne hielt gerade eine Rednerin mit wallendem Haar und einer Brille in trendigem Design eine leidenschaftliche Ansprache.
„Wir müssen aufhören, die alten binären Geschlechterkonzepte zu reproduzieren und uns endlich vom patriarchalen Joch befreien!“, rief sie aus. Das
Publikum, viele von ihnen in Fair-Trade-Kleidung und mit wiederverwendbaren Kaffeebechern in der Hand, klatschte begeistert. „Es reicht nicht, nur darüber zu reden – wir müssen handeln! Wir brauchen mehr Gender-Toiletten, mehr geschlechtsneutrale Sprache in unseren Gesetzen und vor allem viel mehr Umweltschutz!“ Jesus nickte zustimmend, beeindruckt von der Leidenschaft der Rednerin und ihrem progressiv sozialen Engagement für die Gleichberechtigung. Doch als die Rede endete und die Rednerin sich durch die Menge bahnte, traute er seinen Augen kaum. Sie öffnete die Tür eines riesigen, glänzenden SUVs – eines der neuesten Modelle, wie es schien.
„Ich dachte, wir reden von Umweltschutz?“, murmelte Jesus verwundert. Ein älterer Herr neben ihm zuckte mit den Schultern. „Ach, wissen Sie, das sind die Grünen. Sie reden viel von Veränderung, aber manchmal haben sie Schwierigkeiten, ihren eigenen hohen Standards gerecht zu werden.“ „Und was ist mit den weniger gut Verdienenden?“, fragte Jesus. „Gibt es Pläne, ihre Lebensbedingungen zu verbessern?“ Der alte Mann lachte leise. „Och, darüber wird weniger geredet. Es ist gerade nicht so… ‚woke‘, wissen Sie?“ Jesus seufzte leise und schaute nachdenklich in den Himmel. „Wandel beginnt bei anderen… oder vielleicht doch bei einem selbst?“ Er ging weiter, immer noch grübelnd über die vielen Widersprüche dieser modernen Zeit.
Als Jesus in der Berliner Gedächtniskirche ankam, hoffte er auf ein wenig Besinnung und Kontemplation. Doch kaum hatte er die heilige Stätte betreten, wurde er von einem Pfarrer und zwei Kirchendienern gepackt und sanft, aber bestimmt, zur Tür begleitet. „Entschuldigung, aber wir haben hier genug von diesen Fake-Jesus-Darstellern, die nur für ein bisschen Kleingeld auftreten wollen“, sagte der Pfarrer vorwurfsvoll, während er Jesus‘ traditionelles Gewand und Sandalen inspizierte. „Aber ich bin es wirklich“, versuchte Jesus zu erklären, „Ich wollte nur ein wenig beten.“ Der Pfarrer rollte mit den Augen. „Ja, das haben sie alle gesagt. Nächste Woche kommt hier bestimmt Elvis und möchte auch beten. Bitte gehen Sie.“
Nach der absurden Episode in der Berliner Kirche beschloss Jesus, den spirituellen Schwergewichten einen Besuch abzustatten – nichts Geringeres als den Vatikan in Rom. Vielleicht, so dachte er, würde der Papst, dieser Stellvertreter Christi auf Erden, die Dinge richtig machen. Doch bereits in der Vorhalle stolperte er über die glänzenden Schuhe von Finanziers, die sich diskret durch die heiligen Hallen bewegten. Sie wirkten wie Wölfe im Schafspelz, die mitten in der Herde Geschäfte machten. „Ein Handelshaus meines Vaters, in der Tat“, murmelte Jesus. Dann hörte er von der berüchtigten Vatikanbank, einem Finanzinstitut, das nicht nur heilige Gelder, sondern Milliardenbeträge von allerlei fragwürdigen Quellen verwaltete. Einem Ort, der mehr einem globalen Investmentfonds als einer kirchlichen Institution glich. Als er den Papst aufsuchen wollte, wurde er informiert, dass dieser gerade keine Zeit habe und an seiner Stelle ein hoher Kardinal ihn empfangen würde. Doch der Kardinal, der ihn begrüßte, saß nicht demütig und dienstbereit, sondern thronte auf einem eindrucksvoll goldenen Stuhl, umgeben von einer Aura des Reichtums und der Macht. „Verzeiht, Ehrwürdiger Kardinal“, begann Jesus vorsichtig, „aber ich habe bemerkt, dass hier Geschäfte mit recht dubiosen Charakteren gemacht werden. Die Mafia, Diktatoren… und dann ist da noch die Sache mit der Vatikanbank.“ „Mein Sohn“, unterbrach ihn der Kardinal mit einem routinierten Lächeln, „wir müssen das Licht Gottes zu allen bringen, auch zu den Sündern. Und das erfordert manchmal… Finanzstrategien.“ „Aber auf einem goldenen Thron sitzen, während ihr Milliardeneinlagen von zweifelhaften Quellen akzeptiert?“, fragte Jesus mit erhobener Augenbraue. „War das nicht ein wenig… wie soll ich sagen… unchristlich?“ Der Kardinal räusperte sich unbehaglich, während im Hintergrund ein Kirchenbeamter diskret einen Koffer voller Geld wegtrug. „Wir haben unsere Wege, die Botschaft zu verbreiten und die Kirche am Leben zu erhalten“, antwortete er ausweichend. Jesus seufzte und verließ den Vatikan, enttäuscht und mit einer spürbaren Schwere im Herzen. „Vater vergib ihnen“, flüsterte er, „aber manchmal frage ich mich wirklich, ob sie überhaupt verstehen, was Vergebung bedeutet.“ So verließ er den Vatikan mit einer Wolke der Betrübnis, die seine Hoffnungen auf eine geistige Erneuerung verdunkelte.
Nach den frustrierenden und enttäuschenden Begegnungen in Berlin und im Vatikan saß Jesus in einem ruhigen Caffe in Rom und überdachte seinen Platz in dieser modernen Welt. Jede Generation hatte ihre Kämpfe und ihre Dämonen. Aber diese moderne Ära, so schien es, hatte die einst klaren Wasser der Moral und Ethik mit den trüben Schatten von Heuchelei und Gier verschmutzt.
Er überlegte, ob die komplexen Glaubensstrukturen und Dogmen, die über die Jahrhunderte um seine Botschaft herum gewachsen waren, vielleicht sogar mehr Schaden als Nutzen anrichteten. Wenn die Menschen die Kernbotschaften des Glaubens – Liebe, Mitgefühl und Selbstlosigkeit – nicht mehr verinnerlichten, war dann nicht der gesamte Überbau des Glaubens überflüssig geworden?
Und so kam ihm ein radikaler Gedanke: Vielleicht war es an der Zeit, den Glauben selbst in Frage zu stellen. Wenn die Menschen in dieser Zeit nicht durch spirituelle Lehren erreicht werden konnten, dann vielleicht durch die Grundsätze des Humanismus und der Vernunft. „Warum nicht Atheist werden?“, dachte er. „Ein Atheist, der für wahre menschliche Werte kämpft, anstatt sich in religiösen Dogmen zu verstricken.“
Während er so nachdachte, las er von einer Partei, die für Transparenz, Gleichheit und Basisdemokratie eintrat: Die Piratenpartei. Diese Gruppe vertrat auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, eine Idee, die Jesus faszinierend und passend fand. Ein Grundeinkommen könnte das grundlegende Bedürfnis nach Sicherheit und Würde für alle erfüllen, unabhängig von ihrem sozialen oder wirtschaftlichen Status. Es spiegelte die Prinzipien der Nächstenliebe und der Fürsorge wider, die er immer gelehrt hatte. Einige Wochen später, an einem bescheidenen Piraten Stammtisch in Berlin, wurde Jesus Mitglied der Piratenpartei. Er, der einst von der Einfachheit und der Demut lehrte, fühlte sich zu dieser Bewegung hingezogen, die statt Doppelmoral auf Transparente Offenheit und echte Mitsprache setzte, und die Vision eines bedingungslosen Grundeinkommens als Weg zu einer gerechteren Gesellschaft sah. Die Medien waren fassungslos. „Der Erlöser wird Atheist und tritt der Piratenpartei bei!“ titelten sie. Aber für Jesus war es eine logische Evolution. In einer Welt, die die religiöse Moral missachtete, wollte er den Menschen zeigen, dass man auch ohne himmlische und religiöse Versprechungen das Richtige tun konnte.
Und während einige seiner Entscheidung spotteten und andere sie bejubelten, war Jesus klar in seiner Mission: Es war nicht mehr das Reich Gottes, das er predigte, sondern das Reich der humanistischen Menschlichkeit, Freiheit, Transparenz und echter Demokratie – gestärkt durch die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens, das für alle Menschen sorgen würde.
Redaktionsmitglied Max Kehm
Seit 2009 netzpolitisch und bei den Piraten aktiv. Technikenthusiast und Künstler mit Interesse an philosophischen und intellektuellen Themen.