Ein Gastartikel von Katharina Nocun
Nicht nur US-Geheimdienste nutzen Hintertüren bei Unternehmen, um an unsere Nutzerdaten zu kommen. Auch in Deutschland wurden erst kürzlich mit der Bestandsdatenauskunft neue Hintertüren für Polizei, Bundeskriminalamt, Geheimdienste und Zoll geschaffen. Ein großes Bündnis aus SPD, CDU und FDP hat neue Schnittstellen zum Datenabgriff bei Telefon- und Internetanbieter eingeführt.
Wir PIRATEN klagen vor dem Bundesverfassungsgericht, weil das neue Telekommunikationsgesetz in vielen Punkten gegen das Grundgesetz verstößt. Die Änderungen zeigen den maßlosen und unersättlichen Datenhunger der Behörden, der auch die treibende Kraft hinter Programmen wie PRISM und TEMPORA war. Die Polizei darf Internetnutzer jetzt schon beim bloßen Verdacht auf eine einfache Ordnungswidrigkeit identifizieren. Geheimdienste und Bundeskriminalamt dürfen das auch anlasslos. Besonders das Bundeskriminalamt wird dank neuer Ermächtigungen mehr und mehr zu einer Internet-Geheimpolizei, die unsere intimsten Gedanken durchwühlen und rastern darf. Die Herausgabe der PUK von Handys und Smartphones und weiterer Passwörter zu Internetdiensten ist jetzt über neue Standard-Schnittstellen bei unseren Anbietern möglich. Die Telefon- und Internetanbieter bekommen einen gesetzlichen Maulkorb verpasst: Ihnen wird verboten ihre Nutzer zu informieren, wenn der Staat Daten abgreift. Das Gesetz schließt Massenabfragen nicht ausdrücklich aus und dank der neuen Anbindungen an die Anbieter wird Rasterfahndung technisch ohne weiteres möglich. In Fällen, die lediglich einen Zugang auf einzelne Informationen rechtfertigen würden, wird nun ein vollständiger Zugriff auf alle Daten eines Nutzers erlaubt.
Der Bürgerrechtler und Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer hatte bereits das rot-grüne Vorgängergesetz erfolgreich gekippt. Das neue Gesetz ist ein einziges Desaster und nach unserer Einschätzung in mehr als zehn Punkten verfassungswidrig. Der Schutz der Grundrechte ist schon zum Preis einer Briefmarke zu haben. Wer sich der Verfassungsbeschwerde von Patrick Breyer und mir gegen das neue Telekommunikationsgesetz anschließen will, sollte sich beeilen. Um mit uns nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen braucht man nur ein Formular online auszufüllen und ausdrucken. Mehr als 5000 Briefe mit Vollmachten sind inzwischen bei uns eingegangen. Seit der Überwachungsstaatenverbund rund um das US-Programm Prism durch Edward Snowden aufgedeckt wurde, hat unser Postbote besonders schwer zu tragen.
Prism ist nicht aus dem Nichts erschienen sondern das Ergebnis genau dieser Einstellung: Behörden sammeln so viele Daten wie nur möglich und zapfen dazu auch Datensammlungen von Privatunternehmen an. Bürgerrechte werden nur als hinderlich angesehen. Der Gesetzgeber schrammt regelmäßig an der Leitplanke des Grundgesetzes entlang und winkt routiniert ganz offensichtlich verfassungswidrige Gesetze durch. Was früher ein Rücktrittsgrund war, gehört heute für Innenminister zum guten Ton. Geheimdienste bekommen so auch in Deutschland am laufenden Band Blankoschecks für die Überwachung der Bevölkerung ausgestellt. Wer sich das nicht länger bieten lassen möchte ist herzlich eingeladen, sich unserer Verfassungsbeschwerde anzuschließen. Lasst uns gemeinsam ein Zeichen gegen den nimmersatten Datenhunger der Geheimdienste setzen. Und unsere Freiheitsrechte zurückerobern.
Mehr Informationen zur Verfassungsbeschwerde gegen die Bestandsdatenauskunft finden sich unter: http://www.stopp-bda.de