Besonders für kleine, nicht im Bundestag oder einem der Landtage vertretene Parteien, ist es schwierig in eines der Parlamente einzuziehen. Die sogenannte Fünf-Prozent-Hürde auf Bundes- sowie Landesebene ist eine der größten Hürden in Deutschland für den Einzug in die Parlamente, aber auch das Sammeln teilweise großer Anzahlen an Unterstützerunterschriften zur Wahlzulassung macht den kleineren Parteien das Leben schwer.
Umgehen der Prozenthürde
Eine Möglichkeit die Sperrklausel von fünf Prozent zu umgehen war die sog. Grundmandatsklausel, laut welcher diese keine Parteien betrifft, die mindestens drei Direktmandate bekommen. Davon profitierte zuletzt bei der Bundestagswahl 2021 Die Linke, welche nur 4,9 % der Zweitstimmen erreichte, aber dank dreier Direktmandate dennoch über 30 Abgeordnete entsenden durfte. Eine weitere Ausnahme von der Prozenthürde gilt für Parteien nationaler Minderheiten wie jüngst den Südschleswigschen Wählerbund, welcher mit 0,1 % der Zweitstimmen mit einem Abgeordneten in den Bundestag einzog. Während letzteres für die Piratenpartei ausgeschlossen ist, zumindest solange man Freibeuter nicht als nationale Minderheit anerkennt, ist das Erreichen von Direktmandaten die einzige Möglichkeit Abgeordnete mit weniger als 5 % der Zweitstimmen in den Bundestag oder einen der Landtage zu bekommen. Denn die Grundmandatsklausel wurde mit der Wahlrechtsreform der Ampel-Regierung 2023 abgeschafft und ist somit ebenfalls keine Option mehr, zumindest nicht auf Ebene der Bundestagswahl. Anders sieht es dabei in einigen Bundesländern aus, wo ein gewonnener Wahlkreis – Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein – bzw. zwei – Sachsen – ausreicht, um von der Fünf-Prozenthürde ausgenommen zu werden.
Die Möglichkeit von Bündnissen
Aber auch bei der letzten verbliebenen Möglichkeit ist es notwendig, genügend Stimmen für ein Direktmandat zu bekommen, und auch das ist nur in wenigen Bundesländern möglich. Eine Alternative hierzu wäre der Zusammenschluss mit anderen Parteien zu Bündnissen, um Ressourcen und Wählerstimmen zu bündeln und gemeinsam die Wahlhürden zu umgehen. Hierbei unterscheidet das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwei mögliche Arten: 1) Listenverbindungen, wobei die Listen zweier oder mehrerer Parteien als bloße Zählgemeinschaft zur Umgehung der Prozenthürde zusammen genommen werden und 2) Listenvereinigungen, bei denen zwei oder mehrere Parteien eine einzelne gemeinsame Liste aufstellen. Ersteres wurde vom BVerfG in einem Urteil 1990 untersagt, es sei denn, es existiert immer nur eine Landesliste einer der Parteien in den Bundesländern (was auch auf CSU und CDU zutrifft). Interessanter für uns sind daher Listenvereinigungen, also das gemeinsame Aufstellen einer einzelnen gemeinsamen Liste mit mehreren Parteien.
Bündnisse in der Praxis
In der Praxis sind Parteienbündnisse in Form von Listenvereinigungen bei Kommunalwahlen gang und gäbe, bei Landtagswahlen jedoch eher unüblich aufgrund der unterschiedlichen Regelungen der Landeswahlgesetze. In den meisten Bundesländern ist das Wahlvorschlagsrecht auf Parteien begrenzt, was gemeinsame Listen und Bündnisse mehrerer Parteien ausschließt. In einigen wären Bündnisse theoretisch möglich, jedoch nur bei Gründung einer gemeinsamen Wählergemeinschaft, welcher alle Kandidierenden beitreten müssen. In Brandenburg jedoch gibt es im Landeswahlgesetz einen eigenen Paragraphen zu Listenvereinigungen, welcher diese ermöglicht (§21 BbgLWahlG).
Letzteres macht sich auch aktuell der Landesverband Brandenburg der Piratenpartei zu nutze, welcher zur diesjährigen Landtagswahl mit dem Bündnis “Plus Brandenburg” gemeinsam mit ÖDP und Volt antritt. Die Vorteile davon sind auch bereits sichtbar. Bei der letzten Landtagswahl 2019 erreichten die PIRATEN und ÖDP zusammen 1,3%, während Volt damals noch nicht antrat. Da man nun jedoch gemeinsam antritt, hat man eine realistische Chance, die 5%-Hürde zu überwinden. Dies mobilisiert sicherlich weitere Wähler und Wählerinnen, welche bereits länger mit kleineren Parteien sympathisieren, bei ihrer Wahl jedoch Angst hatten, ihre Stimme “zu verschenken” bei nicht-Erreichen der 5%-Hürde. Außerdem sorgen die nun erhöhten Chancen auf einen Einzug für ein zusätzliches mediales Echo und eine ausführlichere Berichterstattung in den Medien. Lediglich ein Manko hat das ganze: Listenvereinigungen steht keine Parteienfinanzierung zu, weder als Vereinigung noch den einzelnen Parteien.
Fazit
In Deutschland werden kleinen Parteien sehr viele Hürden bei der Wahl in den Weg gelegt. Sei es das Sammeln von Unterstützerunterschriften oder die 5%-Hürde. Letztere ist sicherlich die größte Einschränkung der Demokratie und kann auch nicht durch Parteienbündnisse umgangen werden, nicht auf Bundesebene und kaum auf Landesebene. Dennoch ist es gut und wichtig, dort, wo diese Möglichkeit existiert, diese auch zu nutzen, wie es mit Plus Brandenburg nun gemacht wird. Bis zur dortigen Landtagswahl ist es nicht mehr lange und sie wird definitiv sehr aufschlussreich sein im Hinblick auf derartige Parteienbündnisse. Dennoch bleibt abschließend festzuhalten, dass ein derartiges Bündnis aktuell leider auch nur in Brandenburg möglich ist. Doch vielleicht bietet sich irgendwann die Möglichkeit, auch in einem der anderen Bundesländer Bündnisse zu schmieden, auch wenn es erheblich aufwendiger und kräftezehrender ist, eine gemeinsame Wählergruppe samt Vorstand und Mitgliedern zu gründen. Aber auch dies ist nicht unmöglich und vielleicht sogar unumgänglich, um eine Chance auf das Überwinden der 5%-Hürde zu haben, auch wenn ihre Abschaffung aus demokratischer Perspektive deutlich wünschenswerter wäre.
Redaktionsmitglied Julian Häffner
Ich bin 20 Jahre alt und seit 2019 Mitglied der Piratenpartei. Ich studiere aktuell Lehramt an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Außerdem bin ich Vorsitzender im Kreisverband Nürnberger Land & Roth und stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes Mittelfranken der Piratenpartei. Seit 2021 bin ich zudem Mitglied der Redaktion der Flaschenpost.
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Die Grundmandate wurden letztes Jahr von der Ampel abgeschaft. da laufen auch schon Klagen vor dem BVerfG. gegen. Weil CSU und Linke sich unfair behandelt fühlen.
Ja genau, die wurde mit der letzten Wahlrechtsreform abgeschafft. Ob die beiden Klagen Erfolg haben werden, ist aber zu bezweifeln, weil es verfassungsmäßig keine Vorschrift gibt, dass es Direktmandate überhaupt geben muss. Gerade die Klage der CSU ist reinster Populismus, weil besonders in Bayern dieselbe Regelung schon seit Ewigkeiten eingeführt ist, um Kleinparteien aus dem Landtag rauszuhalten. In Bayern ist es sogar so, dass gewählte Direktmandate nicht in den Landtag einziehen, wenn ihre Partei keine 5% erreicht.