Immer mehr Informationen und Dienstleistungen von Regierungen und Behörden werden im Internet zur Verfügung gestellt. Das ist grundsätzlich eine gute Sache. Aber wenn diese Inhalte nicht in einer barrierefreien Form angeboten werden, werden vereinzelte Nutzergruppen ausgeschlossen, da sie nicht (mehr) an diesen Prozessen teilnehmen können.
Wenn zum Beispiel eine Parlamentsdebatte als Stream mit Silverlight übertragen wird, können viele Internetnutzer, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, diese Debatte nicht verfolgen.
Und wird dieses Video nicht mit Untertiteln versehen oder durch einen Gebärdendolmetscher übersetzt, können hörbehinderte Personen die angebotene Information nicht aufnehmen. Wenn also eine hörbehinderte Person ein Formular einer Behörde ausfüllen möchte und dieses für sie aus irgendwelchen Gründen nicht zugänglich ist, die einzige Alternative aber ist, im Amt anzurufen, hat sie ein Problem.
Demnach sollten von der Regierung zur Verfügung gestellte Informationen nicht nur grundsätzlich für die Öffentlichkeit zugänglich sein, sondern in geeigneter Form auch allen Bürgern mit Einschränkungen angeboten werden. Mancher mag vermuten, die Betroffenen wären eine kleine Minderheit. Aber die Zahl wird auf etwa 80 Millionen Menschen in Europa geschätzt. Das sind rund 15 % der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter. Diese Zahl wird mit der Überalterung unserer Gesellschaft weiter steigen. Gleichzeitig geht man davon aus, dass weniger als 10 % der Webseiten barrierefrei sind.
Entwurf der EU-Kommission für eine Harmonisierung
In den Niederlanden, wie in vielen anderen Staaten auch, gibt es eine Reihe von Standards für Websites von Behörden. Trotzdem ist nur ein kleiner Teil barrierefrei. Es gibt keine echten Sanktionen und die meisten Administratoren, die diese Seiten bearbeiten, sind sich des Problems der Inklusion nicht bewusst oder halten es für nicht so wichtig. Noch schlechter sieht es bei teilprivatisierten Einrichtungen aus, wie bei einigen Schulen und Gesundheitseinrichtungen, bei denen es noch viel wichtiger wäre, für jedermann zugängliche Inhalte und Services anzubieten.
Im Dezember 2012 hat die EU-Kommission einen Entwurf zur Harmonisierung der Zugänglichkeit behördlicher Webseiten für die Mitgliedsstaaten vorgelegt. Das Niederländische Ministerium für Inneres hat insofern darauf reagiert, dass man bereits eigene Regeln habe und von daher keine EU-weite Regelung benötige. Offensichtlich haben diese Vorschriften bisher aber nur wenig gefruchtet.
Im Entwurf wird die Harmonisierung und Einführung eines Regelwerkes damit begründet, dass dies zu besseren Marktkonditionen, mehr Jobs, preiswerterem Webzugang und mehr barrierefreien Webseiten führen würden, also ein Gewinn für alle Beteiligten, insbesondere Regierung, Industrie und Bürger wären. Die EU fordert von Regierungswebseiten nicht nur, barrierefrei zu sein, sondern benennt in einer Prioritätenliste besonders wichtige Dokumente und Vorgänge wie z.B. Steuererklärungen, Dienste der Agentur für Arbeit, Anmeldungen zur Sozialversicherung, Strafanzeigen, Einschreibungen bei Bibliotheken, Universitäten und Anträge auf Gesundheitsleistungen. Ausgehend von diesen Prioritäten soll eine Erweiterung auf andere Webseiten stattfinden.
Weltweite Standards und Ressourcen: Alles ist frei verfügbar
Der weltweite Standard für Webzugänglichkeit wird in den Web-Barrierefreiheit-Richtlinien (Web Content Accessibility Guidelines oder W3C, WCAG 2.0) festgelegt. Je nachdem welche WCAG-Stufe festgelegt ist, werden Websites danach bewertet. Es ist ebenfalls festgelegt, wie die Sanktionen auszusehen haben, wenn die Richtlinien nicht eingehalten werden.
Ich denke es ist gut, dass sich die EU mit dem Thema Barrierefreiheit auseinandersetzt. Aber welche Rolle spielt es im Moment für die betroffenen Bürger, wenn eine Seite irgendwelchen nationalen Anforderungen entspricht? Es müssen Websites programmiert werden, die für soviele Menschen wie möglich barrierefrei zugänglich sind. Dazu leisten die WCAG-Richtlinien einen wichtigen Beitrag. Zusätzlich kann jeder Webentwickler und -designer mit online verfügbarer und weiterverbreiteter Best Practise bereits heute zur Inklusion beitragen.
Die Piratenpartei muss sich dafür einsetzen, dass jeder Bürger die Möglichkeit hat, an demokratischen Prozessen teilzunehmen, so dass er informierte Entscheidungen treffen kann. Dazu sollten wir zuerst die Webseiten ins Auge fassen, die dafür am Wichtigsten sind, etwa von kommunalen Behörden und Bildungseinrichtungen sowie wissenschaftlichen und journalistischen Onlinemedien. Mit diesem Engagement stimuliert die Piratenpartei Nachahmer und sorgt für eine insgesamt besser informierte Gesellschaft.
Ein Artikel von Janita Top; Übersetzung von Francis-Drake. Veröffentlicht in Zusammenarbeit mit der Pirate Times unter CC-BY.