Im Januar kassierte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung mit einer schallenden Ohrfeige für die Regierung: So nicht! Doch CDU und FDP ist schon lange nichts mehr peinlich. Deswegen formulierten sie einen Ersatz, der noch monströser ausfiel als das, was mit der Vorratsdatenspeicherung möglich sein sollte. Während die Neuformulierung des Gesetzeswerks von der Öffentlichkeit unbemerkt stattfand, lies sich die Abstimmung im Bundestag nicht verheimlichen.
Um gegen das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft zu demonstrieren, gingen zwischen Hamburg und München Bürger in 32 Städten auf die Straße. Redakteure und Leser der Flaschenpost schrieben ihre Eindrücke von den Demonstrationen für die Flaschenpost auf. Vielen Dank an jeden Einzelnen dafür.
Nürnberg (von @dyfustic)
Die Nürnberger Demo gegen die Bestandsdatenauskunft war mit circa 100 Teilnehmern nicht überragend gut besucht, allerdings muss bittererweise hinzugefügt werden, dass es mehr als doppelt so viele Teilnehmer waren als bei der fraglichen Abstimmung im Bundestag. Dort hielten es nämlich nur etwa 40 Abgeordnete überhaupt für notwendig, an der Abstimmung über ein Gesetz teilzunehmen, welches sehr tief in die Privatsphäre eingreift.
In Nürnberg ging es bei strahlendem Sonnenschein von der Kundgebung an der Lorenzkirche durch die Innenstadt. In der Fußgängerzone saßen viele Leute in den Cafés und wurden so mit unserem Anliegen zwangsläufig konfrontiert. Es gelang uns, eine ordentliche Menge an Flyern zu verteilen, auch wenn wir oftmals auf Ablehnung oder schieres Desinteresse stießen. Es ist erschreckend, wie vielen Menschen der Verlust bürgerlicher Freiheiten vollkommen gleichgültig zu sein scheint. Den Abschluss bildeten einige spontane Redebeiträge, die wiederum vor der Lorenzkirche gehalten wurden. Danke an @pinny84 und weiteren Helfern für die Organisation der Veranstaltung.
Düsseldorf (von @markusvonkrella und @Faserpiratin)
“Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr uns die Freiheit klaut!” Am Sonntag trafen sich in Düsseldorf zwischen 200 und 250 Menschen im strahlenden Sonnenschein auf dem Platz vor dem Hauptbahnhof. Die Bürgerinnen und Bürger waren für das Demonstrationsthema teilweise sehr offen, ein anderer Teil war empört über die lautstarke Meute, welche – auch für deren Grundrechte – auf die Straße ging. Eine Bürgerin forderte sogar: “So etwas sollte verboten werden”. Dass unser Recht zu demonstrieren einer der wesentlichen Grundpfeiler unserer Demokratie ist, scheint demnach noch nicht bei allen Menschen angekommen zu sein. Gegen 14.30 Uhr stimmte Christina Herlitschka, stellvertretende Vorsitzende im Landesverband Nordrhein-Westfalen (NRW) die Demonstrantinnen und Demonstranten auf das Thema des Tages ein – die Bestandsdatenauskunft. Ganz nach dem Motto “Wir sind hier und wir sind laut” bewegte sich die Menge dann Richtung Altstadt. Es wurde gesungen, GEMA-freie Musik
gespielt und immer wieder wurden Slogans angestimmt. Melanie Kalkowski, die in NRW auf Platz 1 der Bundestagsliste steht, und Joachim Paul, Fraktionsvorsitzender der Piraten im Landtag, hielten Ansprachen. Die Piratinnen und Piraten aus ganz NRW waren teilweise schon am Samstag auf verschiedenen Demos gewesen und hatten von dort ihre Transparente mitgebracht. Während des Demonstrationszuges wurde Flyer an Interessierte verteilt, die bei dem guten Wetter zahlreich auf den Straßen unterwegs waren.
Auf dem Grabbeplatz fand dann eine Kundgebung statt, auf der auch Udo Vetter ein paar Worte an die Bürgerinnen und Bürger richtete. In guter Stimmung zog der Demonstrationszug dann zum Graf-Adolf-Platz, auf dem die Demo beendet wurde.
Neuwied (von @Duesenberg_)
Bunt und laut demonstrierten am Sonntag knapp 100 Piraten und Sympathisanten in Neuwied gegen die von der Regierung beabsichtigte Bestandsdatensicherung.
Laut tönte der Ruf „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Daten klaut“ durch die Straßen von Neuwied. Durch die Unterstützung von zahlreichen Trillerpfeifen und vielen, bunt in der Sonne strahlenden Piratenfahnen und Transparenten war dies eine beeindruckende Demonstration. Dazu wurde zahlreich der „Kompass“ verteilt, welcher detailliert das Thema Bestandsdatenauskunft erläutert.
Auf dem Luisenplatz von Neuwied gab es zum Abschluss Reden von Kandidaten der Piratenpartei, dazu Johannes Thon, der Beauftragte für Kultur & Medien: „Das hat ja prima gepasst, dass heute das Barcamp der RLP-Piraten hier in Neuwied stattgefunden hat, so dass wir dem Bürger zahlreich vermitteln konnten, wie wichtig seine Teilhabe an solchen demokratischen Prozessen ist.“
Magdeburg (von Steven Kollmorgen)
Am Nachmittag des 14.4.2013 fand auf dem Vorplatz des Magdeburger Hauptbahnhofes eine von der Piratenpartei Sachsen-Anhalt koordinierte Demonstration gegen die sogenannte “Bestandsdatenauskunft” statt. Die Demonstration war Teil eines bundesweiten Aktionstages, der von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis getragen wurde. Vor allem die Jung-Sozialen beteiligten sich an den Protesten vor Ort.
Die Teilnehmer der überparteilichen Kundgebung informierten Passanten über das Gesetz und stellten mit einem Spiel den zeitlichen Ablauf der Überwachungsgesetze in Deutschland dar. Dies diente der Sensibilisierung der Bürger, dass wir immer stärker Grundrechte einbüßen und fast jedes Jahr ein neues Überwachungsgesetz diskutieren. Laut den Angaben des Veranstalters waren bis zu 70 Demonstranten zugegen.
Würzburg (von @bl4uge/Michaela Keupp)
Es ist der erste richtig sonnige Tag im April. Die Menschen freuen sich des Wetters und stehen an der Eisdiele herum. Warum eigentlich? Dort ist überhaupt nichts mit Sonne und Freude über das sich verändernde Wetter. Nur kaltes Eis. Aber warum diese Menschen auf der Straße sind wird schnell klar. Es geht um ein weiteres Überwachungsgesetz. Ein weiteres Gesetz, welches dem Bürger erklärt, wie wenig vertrauenswürdig er ist. Und wie stark man ihn und seine Tätigkeiten im Internet überwachen muss.
Bei der Demo haben sich unterschiedliche Gruppierungen zusammengetan, neben den Piraten, die die Veranstaltung dominieren, sieht man junge Grüne und junge SPDler. Das gemeinsame Ziel ist es, das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft im Bundesrat zu kippen. Die Erfolgsaussichten sind denkbar schlecht. Aber was bleibt einem sonst noch übrig?
Immer wieder informiert Jan Bühler am Megafon die Bürger, was für ein Gesetz das ist, welches den Beamten da gerade weitreichende Befugnisse gewährt. Die grob hundert Menschen, die zusammengekommen sind, um in Würzburg gegen die Bestandsdatenauskunft zu demonstrieren, trennen sich mit dem Versprechen: Am 1. Mai werden wir mehr sein. Das Freie Netz Süd hat zu einer Großdemo in Würzburg aufgerufen und zumindest die Würzburger Piraten sind darauf eingestellt. Lasst das (Trauer)Spiel beginnen!
Berlin (von @Zweifeln )
Ein Gesetzesvorhaben, das Zugang zu Mails und IP-Adressen ermöglicht, sowie Telefon-PIN und -PUK per Schnittstelle ohne jeden Richterbeschluss heraus gibt, brachte etwa 250 Leute auf die Straße. Vom Hansaplatz zogen wir protestierend vorbei am Bundesministerium des Inneren durch Moabit zum
Kanzler★innenamt und kritisierten die andauernde Salamitaktik neuer Überwachungsgesetze.
Berlin reihte sich in eine ganze Liste von Städten ein, in denen Demonstrationen gegen das geplante Gesetz stattfanden.
Vom Hansaplatz zogen wir auf die Moabiter Brücke, auf der Cornelia Otto, die Spitzenkandidatin der Berliner Piraten für den Bundestag die Auftaktrede mit Blick auf das alte BMI hielt. Laut mit Parolen und Musik ging es durch Moabit am Neubau des BMI vorbei zum Kanzler★innenamt, wo Patrick Breyer, AK-Vorrat-Aktivist und Fraktionsvorsitzender der Piratenpartei in Schleswig-Holstein eine Rede hielt und der Linguist Martin Haase herausstellte, wie die Begriffe “Bestandsdatenauskunft”, “Vorratsdatenspeicherung” und “Übersichtsaufnahmen” bewusst vernebelt werden und als “Neusprech” eine bewusste Bedeutungstäuschung sind.
Am Ende haben viele Demonstrant★innen die Gelegenheit genutzt, am Mikro selbst ihrem Unmut kundzutun und auch auf weitere Demonstrationen am 27.04.2013 (auch wieder gegen die Bestandsdatenauskunft) und 01.06.2013 (gegen INDECT) hingewiesen.
Potsdam (von @Baruckpirat und @omuecke, Direktkandidaten zur Bundestagswahl 2013)
Am Sonntag trafen sich in Potsdam Piraten, um gegen die „BDA“ zu demonstrieren. An der Demonstration nahmen 60-70 Personen teil.
„Durch das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft droht eine massive, unverhältnismäßige Einschränkung der Privatsphäre.“ Auch wenn Jürgen sich eine bessere Beteiligung der Kandidaten und aus dem Vorstand gewünscht hätte. „Das wichtigste Ziel wurde jedoch erreicht: Die Potsdamer Bevölkerung wurde auf das Gesetz aufmerksam und die sich daraus ergebenen Fragen zeigten das eine Sensibilisierung für die Gefahr der Einschränkung von Bürgerrechten möglich ist. Fast niemand will einen Überwachungsstaat.“ „Jeder von uns war schon in der Situation, dass er eine Ordnungswidrigkeit, beispielsweise verkehrtes Parken, zu vertreten hat. Stell dir vor nun werden deine IP-Adresse, deine Passwörter und andere private Daten aufgrund des Bestandsdatengesetzes und deiner Ordnungswidrigkeit erschnüffelt. Genau dagegen und für den Schutz deiner Daten haben am 14.04.2013 die Piraten in Potsdam demonstriert. Achte auf den Schutz deiner Daten und empöre dich.“
Der Landesverband Brandenburg der Piratenpartei fordert den brandenburgischen Innenminister, Herrn Dr. Woidke (SPD), in einem offenen Brief auf, dem kürzlich vom Bundestag beschlossenen Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft im Bundesrat nicht zuzustimmen.
Auf der Abschlussveranstaltung sprach unter anderen auch Anke Domscheit-Berg zu den Teilnehmern und Zuhörern.
Aus Potsdam erreicht uns außerdem ein Youtube-Video, das nicht nur die Stimmung wieder gibt, sondern auch die einzelnen Mitglieder des Bündnisses gegen die Bestandsdatenauskunft zeigt.
Fazit
Das Thema Privatsphäre bewegt die Menschen und ihr Verschwinden macht vielen Angst. Das zeigte die Beteiligung bei den Demonstrationen. Es waren bei weitem nicht die Teilnehmerzahlen, wie wir sie bei den ACTA-Demonstrationen hatten, doch das Mobilisierungspotential ist vorhanden. Geholfen haben mag auch das schöne Wetter, viele verbanden die Demo mit dem ersten Sonntagsspaziergang bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen. Die Demonstrationen gegen die Bestandsdatenauskunft waren der Auftakt, um den Feinden der Freiheit zu zeigen: Wir sind da.