Die Erwartungen an den Politischen Aschermittwoch waren nicht sehr hoch gehängt. Wer sollte da auch noch kommen, im Jahr acht der Krise? Einige unverbesserliche Parteisoldaten, die sich in einem viel zu grossen Saal von “wisst ihr noch, damals ….” Vorträgen gelangweilt in die innere Twitter-Immigration zurück ziehen? Aber so war es nicht. 120 Piraten, und solche die es mal waren, fanden im Münchner Backstage zusammen, um der krachledernen Schelte von der Bühne herunter zuzujubeln. Es gab Bier, schnelles Internet, einen Stream und nur 5 Stunden nach der Veranstaltung waren die ersten Videos auf Youtube – hier jeweils einzeln verlinkt oder im Kanal der Landesgeschäftsstelle S71 anzusehen.
Christopher Lauer, der Mann mit den 1000 Gesichtern
@schmidtlepp, laut Wiki noch Fraktionsvorsitzender, machte den Anfang. Der ist bekanntlich schwer. Aber da er gerade keine doofen Fragen beantworteten musste, ging er im Austeilen voll auf. Er griff die Klagen über den Tugendterror auf und befand, dass es uns schon lange nicht mehr so gut ging: Welches Land leistet sich dank Einwanderungspolitik schon Professoren und Ärzte als Taxifahrer? In welchem Land wird von offizieller Stelle beschieden, dass es nicht in Ordnung ist, wenn eine Lehrerin ihre Schüler mit einem Sieg heil in die Ferien schickt? Welches Land baut Bischöfen Paläste und erlässt Fußballern Steuern, solange es keinen kostenlosen ÖPNV gibt? Kritik fand er allerdings an seinen Piraten. Der “ich kann deine Fresse nicht mehr sehen”-Partei, die 40 Mrd. Euro Bankschulden alleine in Berlin zu verantworten hat, die die NSA-Affäre für beendet erklärte und den Flughafen nicht zu Ende gebaut bekommt. Lauter teilte groß aus. Von den Döner-Morden über die Schlecker-Frauen bis zu einem Seehofer – Bruno Ganz-Vergleich. Er bekam viel Applaus, auch wenn er das Glas nicht austrank.
Nikki Britz – Vom GroKodil gefressen
@dyfustic, Landesvorsitzende in Bayern, bekannte gleich am Anfang, dass sie tief gesunken sei. Hier im Backstage, wo sie vor wenigen Jahren noch jedes Wochenende versackte, hält sie jetzt politische Reden. Die entsprach aber dem Geschmack den Publikums – der Großteil der Anwesenden wird sie auch zur Vorsitzenden gewählt haben. Nikki teilte aus, wie es die Großen können, nur leiser! Hans Peter Friedrich, der sich die Regierungsradieschen jetzt von unten anschauen muss, bekam als erster sein Fett weg. Das Highlight war “der Umgang der Regierung mit Whistleblowern, der so sehr daran erinnert, wie die Mafia lästige Zeugen entsorgt”. Am Ende holte sie jedoch die Sachpolitik ein. Es kamen Vorschläge zur Energiewende: Aus den vielen Wenden des Ministerpräsidenten Seehofer könne man ja schließlich Energie gewinnen. Den Seehofer faktisch als Drehhofer nutzen. Dafür gab es viel Beifall – dann trank sie ihr Glas brav aus.
Gregory Engels – Der Mann ohne Hut
Für einen Hessen wusste @dichter erstaunlich viel von bayrischen Verhältnissen. Von den Grünen, die nicht nur geistig bei Windows XP stehen blieben und deswegen den Umstieg auf Linux in Münchens Stadtverwaltung stoppen möchten. Von Wahlgewinnlern, die gar nicht auf dem Wahlzettel standen. Und von den 12.000 Lobbyisten in Brüssel, von denen nur fünf Journalisten berichten. Engels zog seine Kreise weiter und weiter und kam über die Krim bis zu den Exoplaneten. Auch er trank aus. Zweifler unterstellten jedoch, es sein kein Bier im Glas sondern Äppelwoi.
Jan Kastner – mit Antifa-T-Shirt
Den grössen Anfangsapplaus bekam @KollegeJansen, der in auffälliger Garderobe die Bühne erkomm und ankündigte, dass seine Rede nicht lang würde. Er hatte sich den Konservatismus als Thema gesucht, der den Wahlkampf der Konservativen durchzieht.
Jens Stomber – Der Mann hinter NSA, Merkel und Uhl
Der @ZomBi lies fast nichts Gutes an Landwirtschaftsminister a.D. Hans Peter Friedrich, der nach seinem allzu zahmen Umgang mit der NSA als Innenminister a.D. noch die Schäfchen hüten durfte. Immerhin sei ihm sein Doktortitel geblieben.
Tina Lorenz – sehr kreativ
Ungewöhnlich für einen politischen Aschermittwoch brannte @twena ein multimediales Feuerwerk ab. Es war die Kommunalpolitik im Freistaat, die zum Thema wurde. Sie musste keine satirische Rede halten, das hatten die Konkurrenten mit ihren Werbespots in Regensburg schon erledigt.
Martina Wenta – 100% bayrischer Dialekt
Die @mertl0rn rockte das Haus. Mit der Gitarre in der Hand machte sie gleich klar: “Wenn mich jemand nicht versteht, ist mir das auch wurst”. Mit Akkorden und Gstanzlsgesang rechnete sie mit den Bundesministern ab – “die meinen, dass mir auf der Brennsuppn dahergeschwommen wärn”.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.