
Letztes Jahr, Mitte September, erschien das Buch „Der geheime Krieg“ von Christian Fuchs und John Goetz bei Rowohlt und sorgte für viel Aufregung in Deutschland – zumindest vordergründig. Der geneigte Leser erfuhr, wie sehr Regierung und Geheimdienste in illegale, grundrechtswidrige Aktivitäten verwickelt waren und sind bzw. in welchem Umfang sie diese selbst veranlassten.
Wir lesen, wie deutsche Bürger mit Unterstützung deutscher Beamter durch amerikanische Drohnen exekutiert werden – ohne Gerichtsbeschluss. Wir erfahren, dass das BKA sog. „Antiterroreinheiten“ in Kenia (die auch schon mal Unschuldige entführen und den Amerikanern überstellen) mit Fahrzeugen versorgt und ausbildet werden – vorgeblich zur Terrorismusbekämpfung. Wer sich bereits früher mit den vorgeblichen Verschwörungstheorien rund um die Datenschnüffelei der NSA beschäftigte erfährt, dass nicht wenig davon in Deutschland – unweit des Deutschen Internetknotens DECIX – betrieben wird. Und so weiter, und so fort.
Jetzt könnte man sagen: Hey, das haben wir doch schon immer gewusst oder vermutet, was soll die Aufregung. Richtig, das haben wir – aber nicht in dieser Dimension. Wie bei der Affäre um Prism konnten die Regierenden bisher sagen “ Das stimmt alles gar nicht“ oder „Das sind Verschwörungstheorien“ – und da es keine Belege gab war „man“ machtlos. Heute ist das anders – durch Snwoden wissen wir um Prism, die NSA und alles darum herum, und durch das hier besprochene Buch wissen wir, wie sehr sich deutsche Regierungen und vor allem Geheimdienste einen Dreck um Rechtsstaatlichkeit und Moral scheren.
Was besonders erschreckt, ist, mit welcher Skrupellosigkeit bei der Einrichtung der AFRICOM das Parlament umgangen wurde und wird – und niemand kann etwas dagegen tun. Ich meine, wozu haben wir ein Parlament wenn bei Fragen von Krieg oder Frieden dieses umgangen wird? Das Parlament verkommt immer mehr zu einem Abnickverein, und wenn es umgangen wird, tut es nichts. Mit den Stimmen der CDU, CSU und der SPD – die auch in Ausschüssen und Untersuchungskommissionen die Mehrheit haben – werden alle Anträge der Opposition, die Aufklärung bringen könnten, abgelehnt.
Das Buch ist sehr lehrreich und zeigt auf, wie sehr der vorgebliche Kampf gegen den Terror dazu genutzt wurde und wird, parlamentarische und rechtsstaatliche Regelungen zu umgehen oder zu ignorieren. Leider ist der Effekt auf die öffentliche Wahrnehmung nur begrenzt – es läuft der übliche „Schweinezyklus“ aus Überraschung, Empörung, Diskussion in Talkshows und vergessen – und das Thema verschwindet wieder.
Vielleicht wäre eine Salamitaktik, wie sie bei den Informationen von Edward Snwoden verwendet wird, besser gewesen. Die Autoren hatten sich aber entschlossen, ihr Wissen nicht in Zeitungsartikel sondern in ein Buch zu gießen – ein Vorgehen das ich unterstütze. Denn im Gegensatz zu einem Zeitungsartikel, dessen Inhalte auf Geheiß eines Ressortleiters, Chefredakteurs bzw. des/der Herausgeber schon mal variiert werden kann, enthält ein Buch alles was der Autor drinhaben will – nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Meine Empfehlung: Lesen, verstehen, das Wissen integrieren und bei der nächsten Verschwörungstheorie rund um Staat und die sogenannten Sicherheitsbehörden nicht sofort „absurd“ denken sondern sich fragen, ob das stimmen kann. Das Buch erschien gebunden und als DRM-geschütztes E-Book – ich empfehle euch die gebundene Version, die könnt ihr auch mal eurem Nachbarn geben wenn ihr sie gelesen habt
Redaktionsmitglied Sperling
Redakteur seit 2011, Kernteam der Redaktion seit 2013. De facto "Leitung" ab 2016, irgendwann auch offiziell Chefredakteur - bis 2023. Schreibt und Podcastet nur wenn ihm die Laune danach steht, zahlt aktuell die Infrastruktur der Flaschenpost, muss aber zum Glück nicht haften 🙂