
BPT in Bochum | CC BY-SA 2.0 Joachim S. Müller
Für viele Jahre war Florian Bokor eines der Gesichter der Versammlungsleitung auf Bundesparteitagen. In Halle wird er erstmals seit dem BPT in Chemnitz (2010.2) nicht an der Versammlungsleitung beteiligt sein. Wir sprachen mit ihm.

Flaschenpost: In Halle wirst du nicht auf der Bühne stehen. Was ist passiert?
Florian Bokor: Ich war schon seit Neumarkt nur noch auf der Bühne wenn’s nicht anders ging. Das hat was damit zu tun, dass das Team so groß geworden ist, dass es einen Menschen braucht der Frontoffice, Backoffice und das Bühnenteam koordiniert; und nebenher versammlungsrechtlich den Hut auf hat. Das ist der Teil den ich seit Neumarkt – genauer seit dem Austritt von Jan – von ihm „geerbt“ habe.
Jetzt für Halle hatte sich schon recht bald abgezeichnet, dass es für mich wohl sehr schwer werden würde ein Bühnenteam zusammenzubekommen. Das kommt hauptsächlich daher, dass die Menschen mit denen ich da zusammengearbeitet habe beruflich verhindert oder ausgetreten sind. Oder als Mandatsträger oder Vorstände lieber Politik machen als Orgakram.
Flaschenpost: Es gab aber auch Unzufriedenheit im Team selbst, beispielsweise was die Zulässigkeit von Anträgen betrifft. Wurden Mitglieder des VL-Team auch wegen schwindender Gestaltungsmöglichkeiten vertrieben?
Florian Bokor: Ich glaub‘ da bist du einer klassischen piratenverschwörungstheorie aufgesessen. Ich habe nie eine Versammlung geleitet weil ich da was gestalten wollte. Ganz im Gegenteil. Gestaltung findet durch die Versammlung statt. Die Versammlung ist immer der Chef. Alles was ich als Versammlungsleiter tun kann ist sie in dem Rahmen sortieren den sie sich selbst gegeben hat.
Ich hab‘ gerade echt keine Ahung was für eine Geatslatungsmöglichkeiten das VL Team haben sollte selbst wenn es die haben wollte. Besonders, wenn mensch bedenkt, dass „Gestaltungsmöglichkeiten“ in politischen Zusammenhängen normalerweise „Macht“ genannt wird.
Klar im Vorfeld gibt’s Gespräche über Geschäftsordnungsvorschläge oder die Tagesordnung aber die sind immer öffentlich und die letzten Male haben da stellenweise so viele Menschen teilgenommen, dass es unübersichtlich wurde. Da wird dann auch immer Alles diskutiert. Da gibt’s auch jedes Mal kreative Ideen.
Ich hab auch keine Ahnung was du meinst wenn du das Verb „vertrieben“ verwendest. Die VL Teams in denen ich gearbeitet habe hatten kein „Gestaltungsinteresse“ und aus dem Team mit dem ich seit 2010 Bundesparteitage (mit)geleitet habe hat sich auch keine bei mir beschwert, dass sie aufgrund mangelnder „Gestaltungsmöglichkriten“ den Job nicht mehr machen will. Das waren echt andere und für mich sehr verständliche Gründe.
Unzufriedenheiten innerhalb des Teams habe ich bis jetzt auch noch keine mitbekommen. Es kann sein, dass ich auf Bundesparteitagen kein guter Zuhörer bin. Aber dafür gibt’s Nachbesprechungen.
Flaschenpost: Aus der Antragskommision war Gewittergrollen zu hören. Die Antragskommision gehört faktisch zur Versammlungsleitung, oder?
Florian Bokor: Nein. Die Antragskommission arbeitet selbstständig und unabhängig von der VL. Sie macht ja ihre Hauptarbeit schon vor dem Parteitag. Auf den Parteitagen unterstützt sie die VL beim Sortieren der Anträge und der Einhaltung der TO.
Flaschenpost: Auch auf dem Parteitag selbst können ja Anträge gestellt werden (Änderung der GO, TO etc), über deren Zulässigkeit dann entschieden werden muss.
Florian Bokor: Die Entscheidung über die Zulässigkeit von Anträgen die auf dem Parteitag gestellt werden fällt meist im Frontoffice wo sie eingehen. In der Antragskommission geht es um Satzungs- und Programmanträge zu gehen, die ja frist- und formgerecht vor den Parteitagen eingereicht werden müssen. Für die gibt’s laut Satzung und Vereinsrecht eher strenge Regeln deren Einhaltung u.a. von der Antragskommission kontrolliert wird. Besonders für den BPT141 war das deutlich eingeschränkt, da der einladende Bundesvorstand sich entschieden hatte nur zu einem sehr begrenzten Themensatz einzuladen.
Flaschenpost: Soweit es sich heute sagen lässt, wird das Team in Halle zum grossen Teil aus anderen Personen bestehen.
Florian Bokor: Die eigentliche Frage an dieser Stelle wäre, was zur Hölle eigentlich gerade in dieser Partei abgeht, dass jede Menge engagierter Piraten (besonders solche die bisher gute programmatische Arbeit geleistet haben) genervt hinwerfen und sich von unserer Partei abwenden. Die Frage kann ich dir leider nicht beantworten. Ich weiß nur für mich und mein Umfeld, dass es unglaublich ist wie viel politisch ungebildeter Hass durch diese Partei wabert.
Für die VL kann ich da nur sagen, dass es ja die unglaublichsten und widersprüchlichsten Gerüchte über uns gibt. Und es da auch kaum Interesse zu geben scheint sich dann mal mit den angeschuldigten Akteuren auseinanderzusetzen. Als Beispiele führe ich hier einfach mal an, dass es nach dem Parteitag in Neumarkt hieß die VL habe mit aller Gewalt die SMV durchdrücken wollen. Und, die VL habe die SMV verhindert. Danach wie wir da was und warum gemacht haben, dass die ganze eher hässlich geführte SMV-Debatte einigermaßen geregelt und kontrolliert abläuft hat keiner gefragt.
Oder meintest du mit Gestaltungsmöglichkeiten, dass sich die VL aufgrund einiger sehr deutlicher Bundesvorstandsbeschlüsse nicht mehr um den Saalschmuck kümmern muss? Das finde ich persönlich sogar gar nicht schlecht.
Flaschenpost: Das Team in Halle wird ein ganz anderes sein?
Florian Bokor: Ja. Da ich gerade noch nicht einmal in die Vorbereitung der Versammlungsleitung eingebunden bin kann ich aber nicht sagen wer da was machen wird. Ich geh‘ einfach mal davon aus, dass es schon klappen wird.
Flaschenpost: Welche Empfehlung hast du für Versammlungsleitung in Halle?
Florian Bokor: Meine Empfehlung für das VL Team in Halle ist die gleiche die ich jedem VL-Team und jeder Versammlung gebe: Lest die GO und TO Vorschläge im Vorfeld, gebt euch eine GO auf die ihr klar kommt mit möglichst wenigen Möglichkeiten den Parteitag zu blockieren, wählt VLs die die GO kennnen. Und immer ruhig bleiben und ausreichend trinken.
Flaschenpost: Es wird sicher ein spannender Parteitag werden. Die Versammlungsleitung hat grossen Einfluss darauf ob er als gelungener Parteitag in Erinnerung bleiben wird. Florian, vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen und deinen bisherigen Einsatz ganz vorne, im Scheinwerferlicht der Bühne. Geniesse den BPT in Halle aus einer ungewohnten Perspektive.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.