Wir freuen uns sehr über diesen Gastbeitrag von Thomas Brueck, der auch im Original auf seinem Blog bewundert werden kann. Vielen Dank!
Im Büro nutze ich das Internet etwa eine halbe Stunde am Tag, in meiner Freizeit eine Stunde. Ich schaue mir Nachrichten an, maile, erledige Bankgeschäfte. Und dann gibt es eine wunderbare Internetseite, mit der man jede gute Musikeinspielung finden kann, und wenn man möchte, den Namen des Saxophonisten noch dazu. Das finde ich faszinierend.
In einem FAS- Interview (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) untermauert Innenminister Thomas De Maiziere mit diesen Worten seine Netzaffinität. Ich hingegen mache mir während meines Tagesgeschäftes Gedanken darüber, wie ich clientseitig die Domainsuffixe im Produktivbetrieb ändere, ohne dass die User die Arbeit an ihren Maschinen dafür einstellen müssen oder wie ich effizient falsche Einträge im Active Directory herausfiltere und korrigiere…usw.
Der selbsternannte IT- Minister will das Internet entdämonisieren und packt erneut die inzwischen ausgeleierte Gebetsmühle der CDU/CSU- Fraktion aus, die den Slogan „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“ mit dem üblichen konservativen Scheinargumenten herausposaunt. Laut Überschrift (Weder Löschen noch Sperren reicht) dreht es sich hauptsächlich einmal mehr um die Debatte, wie Kinderpornographie im Internet am effektivsten bekämpft werden kann. Traurig nur, dass unsere Polit- Elite bei dieser Thematik die Kompetenz eines Zwergkanninchens an den Tag legt, welches gelegentlich gerne Telefonkabel genüßlich anknabbert, womit dessen Selbstverständnis mit diesem Medium recht schnell ausgeschöpft sein dürfte. Nur knapp über diesem Niveau ist die Aussage des deutschen Innenministers anzusiedeln:
Weder das Löschen noch das Sperren ist Kriminalitätsbekämpfung. Es ermittelt weder die Täter noch die Nutzer, die sich strafbar machen. Und auch das Geld, das damit verdient wird, bleibt unberührt.
Wenn man am Sonntag noch nicht richtig ausgeschlafen hat, sollte man Interviews tunlichst meiden. Die Löschstrategie besteht eben nicht allein aus dem Entfernen von illegalen Inhalten aus dem Web, die Daten und Protokolle zu jedem Fall , also auch die Namen und Adressen der Betreiber werden gesichert. Das gehört schlicht zu jeder ordentlichen Ermittlungstätigkeit. Sehr genau lassen sich bei richtiger Vorgehensweise die Täter und Nutzer ermitteln. Das darf man durchaus als Teil einer Kriminalitätsbekämpfung bezeichnen. Bevor Herr De Maiziere von „Geld verdienen“ redet, sollte er dieses Märchen vom Millionengeschäft, welches bereits seine Parteikollegin Ursula von der Leyen immer wieder predigte, endlich mal beweisen. Der Innenminister legt sogar noch nach:
Kann man nicht Suchmaschinen nutzen, um Angebote gezielt zu suchen? Können wir nicht über die Kreditkarten, mit denen das kinderpornographische Material bezahlt wird, den Tätern auf die Spur kommen?
Die Sache mit den Kreditkarten ist ja nicht einmal die schlechteste Idee, sofern sich denn solche Online- Bezahlsysteme für Kinderpornographie finden lassen würden. Lächerlich jedoch macht er sich damit, über Suchmaschinen kinderpornographische Angebote gezielt zu suchen, das funktioniert vielleicht halbwegs vernünftig bei Saxophonisten, die der Innenminister offensichtlich so toll findet. Google & Co. würden sich selbst strafbar machen, wenn sie in ihrem Angebot wissentlich auf Kinderpornographie verweisen würden, was demnach auch sehr genau beachtet wird. Gerne jedoch darf Thomas De Maiziere diesen Beweis antreten…
Unglaublich hört sich an, was am Ende seiner unsinnigen Argumentationskette folgt:
Bisher dürfen verdeckte Ermittler keine szenetypischen Straftaten begehen. Wenn man erst pornographisches Material abrufen oder zur Verfügung stellen muss, um in eine Szene reinzukommen, stellt sich die Frage, ob wir das nicht für die ermittelnden Beamten straflos stellen müssen.
Was werden wohl die Opfer dazu sagen, wenn die Ermittlungsbehörden genau das tun, was sie eigentlich verhindern sollen? Geht das eigentlich ohne deren Einverständnis? Sowas kann der Innenminister doch nicht mit seiner doch recht freizügig ausgelegten Sichtweise auf Google Streetview begründen, nur weil in der benachbarten Netzdebatte in irgend einer Weise von Persönlichkeitsrechten die Rede ist?
Wenn es doch, nach Ansicht von Thomas De Maiziere, so einfach sein soll, über Suchmaschinen, kinderpornographische Inhalte aufzuspüren, stellt sich die Frage, wieso sich die ermittelnden Beamten noch in die Szene einkaufen sollen?
Im FAS- Artikel werden neben der Kinderpornographie noch andere Themenbereiche angesprochen, was es schwierig macht, aus der Gesamtheit die Widersprüche des Innenministers im Bezug auf die Kinderpornographieproblematik herauszufiltern. Hier mal abschließend noch ein Beispiel:
Aber es gibt dauernd neue Angebote, oft mit denselben Kindern. Es handelt sich hier um Kraken, bei denen, wenn man einer den Kopf abschlägt, zehn neue wachsen.
Mit dieser Aussage, erklärt der Innenminister zwar an einem falschen Beispiel (Ein Krake hat nur einen Kopf, dessen Entfernen durchaus zum Tode des Tieres führt, bei den Fangarmen könnte man seiner Theorie noch zaghaft folgen wollen…), dass das Internet nichts vergisst…
Vergessen zu können und zu dürfen ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Wir haben in Strafregistern Löschungsfristen, wir haben Regeln, wie lange man einem Menschen etwas vorhalten kann. Das hat einen versöhnenden Effekt zwischen Menschen. Diesen Gedanken will ich nicht so schnell aufgeben. In diesem Zusammenhang sind mir Auskunftsansprüche gegenüber Unternehmen sehr wichtig. Welche Daten habt ihr von mir? Und dann muss es den Anspruch geben, dass das, was es da gibt, auch gelöscht wird, wenn man das will. Den einen digitalen Radiergummi wird es also nicht geben, aber eben viele Radiergummis.
In dieser Aussage wiederum signalisiert er, dass er ein konventionelles Prinzip, welches ansatzweise funktioniert, auf das Internet anwenden möchte, obwohl ihm die Sinnlosigkeit völlig klar ist. Geschickt verpackt als Geschenk des Wohltäters „Staat“ macht der Innenminister Werbung für die ersehnte Vorratsdatenspeicherung, die derzeit nur in einer Light- Version zur Verfügung steht…
Autor: Thomas Brueck