Dem französischen Minister François Guizot wird der Ausspruch Enrichissez-vous (bereichert euch!) zugeschrieben. Das war wohl im Jahr 1843, also 5 Jahre bevor eine Revolution (keine Revolte!) den König Louis-Philippe ins Exil zwang. Zu schamlos nutzten Politiker seiner Zeit ihre Position, um mit der aufkommenden Eisenbahn und der fortschreitenden Industrialisierung den persönlichen Wohlstand zu mehren. Mehr als ein Jahrhundert lang war Korruption eine Begleiterscheinung der Politik. Nicht nur rechte und linke Diktatoren wirtschafteten in die eigene Tasche, auch in der Bonner Republik gab es es manchen Abgeordneten und Minister, der diese Art der Traditionspflege betrieb. Allerdings wurde dieser Aspekt des Herrschens schon seit der Weimarer Republik mehr und mehr durch ein neues Phänomen verdrängt: der Ideologie. Politik wurde zunehmend ihrer Gestaltungsmöglichkeiten wegen gemacht, seltener aus Raffgier. Spätestens mit der Einheit waren höchstens noch Politskandälchen zu vermelden, die im Schatten der großen Schiebereien der Jahre davor unscheinbar scheinen. Nach dem Regierungsumzug nach Berlin rief Gerhard Schröder die moderne Politik aus, also frei von Ideologien. An deren Stelle trat etwas, für das Politikwissenschaftler kommender Generationen erst einen Begriff finden müssen: die völlige Unterwerfung des Staates gegenüber Wirtschaftsinteressen. Beispiele gefällig? In Stuttgart wird für 5 oder gar 10 Milliarden Euro der Oberbürgermeister-Schuster-Bahnhof gebaut. Zeitgleich sieht das Sparpaket Ausgabenkürzungen in den Bereichen Renten, beim Elterngeld und dem stets der Verschwendung verdächtigen öffentlichen Dienst vor. Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist, und der wird so eingespart und an anderer Stelle en gros ausgegeben oder zur Linderung des Kostendrucks kompensatorisch eingesetzt. Derzeit sind private Krankenkassen und Pharmahersteller wegen der einseitigen Entlastung in der Kritik. Wo der Ideologe Schäuble tausende Kameras installieren ließ, fördert Innenminister de Maizière Großinvestitionen, beispielsweise den Nacktscanner. Finanzminister Brüderle ist vom selben Schlag: besser vier Stromerzeuger unterstützen statt viele kleine Windbauern. Das hat nichts mit Öko- oder Atomstrom zu tun, das ist der neue Politkstil, der noch keinen Namen hat.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.