Auf dem Bundesparteitag im Mai sorgte vor allem zwei Bechlüsse für Aufregung unter den Piraten. Das war – wie sollte es anders sein – die “Einführung” von Liquid Feedback. Wir erinnern uns: Es gab zum einen den Beschluss, eine bundesweite LQFB-Instanz aufzusetzen und zur Umsetzung des Vorhabens 800,-€ bereitzustellen. Zum anderen den Beschluss, den nächsten BPT mit Hilfe von LQFB vorzubereiten. Zwei Beschlüsse, eine Geschichte. Die Befürworter feierten dies als Einführung eines Bundesliquid, als Vorstufe einer neuen Form von Direktdemokratie und verbindlicher Entscheidungen, je nach Gusto von der Bundesparteiebene bis zur Bundesrepublik. Die Gegner verteufelten es als eben solches. Was daraus geworden ist wissen wir alle: Eine Flut von Themen und Anträgen, viel Spreu, wenig Weizen und eine Spielwiese für Piraten mit zu viel Zeit. Auf dem zweiten BPT wurde nicht ein einziger Antrag zu LQFB behandelt – das Thema hat offensichtlich doch nicht den Stellenwert, der ihm zunächst zugeschrieben wurde. Das Thema schaffte es im Alex-Müller-Verfahren nicht weit genug nach oben in der TO.
Auf dem letzten Bundesparteitag nun gab es wieder zwei Beschlüsse die für ähnliches Aufsehen sorgen und Diskussionen auf allen internen Medien verursachen: Eine Änderung im StGB, der wir uns an anderer Stelle widmen, und der ominöse Antrag GP050, der ein “Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe” fordert. Das klingt doch erst einmal gar nicht so schlecht. Wenn Piraten sich dafür einsetzen, dass jeder Mensch einen adäquaten Internetzugang haben kann, ist das doch immerhin auch eine Form von gesellschaftlicher Teilhabe – wer von uns würde das bestreiten?
Was nun in diesen Antrag hineininterpretiert wird erinnert mich doch sehr an den damaligen Beschluss zu LQFB. Auch hier sieht der BGE-Befürworter die Forderung eines BGEs – lustigerweise genauso wie der BGE-Gegner, der darin das sieht was er befürchtet und darum dagegen Alarm schlägt. Eine dritte Gruppe sieht in den Meinungsbildern und der Ablehnung von anderen Anträgen zum BGE eine ablehnende Position der Partei zum BGE. Tatsache ist, dass die Wörter “bedingungslos” und “Einkommen” zusammen in einem Beschluss noch lange nicht bedeuten, das wir ein BGE ins Parteiprogramm aufgenommen haben. Da wird so viel aufgebauscht: Auf der einen Seite wird feuchtfröhlich gefeiert, auf der anderen werden die Messer zum Kampf gewetzt. Dabei ist der Beschluss an sich nun wirklich nicht so spektakulär. Er wird von einigen als Ergänzung der Menschenrechte angesehen, von anderen als Einschreibung der Forderung nach einem BGE ins Grundsatzprogramm. In der Presse werden die Piraten mit einem Linksruck wahrgenommen und auch dargestellt. Ja, man kann es so lesen. Aber es steht da nicht – und Papier ist geduldig. Wenn die Diskussionen abgeklungen sind wird da immer noch stehen: “Die Piratenpartei setzt sich daher für Lösungen ein, die eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe individuell und bedingungslos garantieren und dabei auch wirtschaftliche Freiheit erhalten und ermöglichen.”
Sei es nun LQFB oder das BGE. Beides kann man hineinlesen, wenn man es will. Aber man muss nicht. Man kann die Beschlüsse nämlich auch einfach wörtlich nehmen, wenn man will – und dann haben wir plötzlich nur noch mit Hilfe von LQFB einen Parteitag vorbereitet – und dafür ein bisschen Geld ausgegeben – und wir setzen uns für Teilhabe jedes Menschen an der Gesellschaft ein. Mit unserem Programm kann jeder nach seiner Facon glücklich werden. Das ist im Grunde auch nicht weiter problematisch. Man muss sich dessen nur bewusst sein. Wir gehen neue Wege. Wir parken Themen – wenn auch manchmal im Halteverbot.
Welchen Schluss ziehen wir nun daraus? Es scheint bei uns Piraten einfach üblich zu sein, schwierige Themen auf eine Art unterzubringen, in der jeder sehen kann was er sehen will. Anträge, die auf diese Art formuliert sind, haben offensichtlich eine höhere Chance angenommen zu werden. Das ist nur natürlich, denn dadurch werden sie für einen größeren Prozentsatz der abstimmenden Piraten akzeptabel. Die Frage ist nur wohin uns das führt – und ob wir dabei letztlich noch wissen, wofür wir nun eigentlich stehen. Diese Form von Hysterie zu einzelnen Beschlüssen ist übertrieben. Zum nächsten BPT wird sich auch darum niemand mehr scheren. Die Piraten sollten sich aber dringend überlegen ob sie ein derart schwammiges Programm haben wollen. So gewinnen wir kein Profil – ganz im Gegenteil, unser jetziges verschwimmt.