Zensur war einer der Kondensationskerne, um die herum sich die Piratenpartei bildete. Denn während in der Vergangenheit nur abgrundtief böse Regime zu dieser Maßnahme griffen, sank die Hemmschwelle für Zensurmaßnahmen mit dem Aufkommen des Internets auch in unserer Hemisphäre. Früher, als schwarz noch schwarz und weiß noch weiß war, wurde in Metternichs Deutschland zensiert, in der UdSSR, in Francos Spanien und Honeckers DDR. In der dunklen Epoche der 30er und 40er Jahre in Europa, sowie den 70er und 80er Jahren in Südamerika, verschwanden nicht nur kritische Publikationen, sondern gelegentlich auch deren Autoren – oft für immer.
2010 ehrte das Nobelpreiskomitee zwei Personen, die massiv unter staatlicher Zensur leiden oder zu leiden hatten. Vom Träger des Literaturnobelpreises Mario Vargas Llosa waren über Jahrzehnte in Spanien nur mit weichgespülten Fassungen zu lesen. Der Träger des diesjährigen Friedensnobelpreises Liu Xiaobo sitzt wegen Menschenrechtsaktivitäten in Haft. So kam es, dass zum ersten Mal seit 1936 ein Nobelpreis in Abwesenheit des Preisträgers verliehen werden musste. In China sollte unterdessen niemand von der Preisverleihung oder dem Preisträger erfahren: die chinesische Presse berichtete keine Zeile, die große Firewall ließ keinen Bericht über die Preisverleihung ins Land. Damals, 1936, ließen die Nazis den Publizisten Carl von Ossietzky nicht nach Oslo reisen – er saß im KZ und hatte noch zwei Jahre zu leben.
Die Flaschenpost gratuliert den Preisträgern Liu Xiaobo und Vargas Llosa zum Nobelpreis. Wir gedenken allen Opfern der Zensur. Das sind jene, die nicht sagen oder schreiben dürfen was sie denken – aber auch jene, die nichts davon hören oder lesen dürfen! Dem Nobelpreiskomitee sei an dieser Stelle für die wahrhaft piratige Auswahl der Preisträger gedankt.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.