Woran denken Sie beim Wort Konflikt? Begrüßen sie jeden Konflikt, vielleicht als Chance etwas zu klären? Oder meiden Sie Konflikte? Es gibt kein Universalrezept für den Umgang mit Konflikten. Die Konfliktforschung hat jedoch Lösungsstrategien entwickelt, die jeder nutzen kann.
Die meisten Piraten werden negative Dinge mit dem Thema Konflikt assoziieren. Deshalb verdrängen oder leugnen wir Konflikte oft, gelegentlich gehen wir Konflikte auch überängstlich und ausweichend, manchmal auch allzu offensiv an. Doch Verdrängung, Verschiebung von der Beziehungsebene auf die Sachebene oder Eskalation mit dominantem Auftreten gelten als wenig erfolgreiche Strategien im Umgang mit Konflikten. Das ist eine Erfahrung, die viele Piraten bestimmt schon persönlich machten.
Damit ein Konflikt nicht den in Abb. 1 gezeigten Verlauf nimmt muss er angegangen werden. Eine Möglichkeit dazu ist es ihn offen anzusprechen! Das mag unangenehm sein, mit ein wenig gutem Willen auf beiden Seiten (!) aber durchaus lohnend. Das Konfliktgespräch ist eine Chance Konflikte zu klären. Dabei gilt es einige Spielregeln zu beachten.
Kommunikationstipps zur Deeskalation von Konflikten
- Achten Sie auf einen günstigen Ort und Zeitpunkt für das Gespräch
- Entschleunigen Sie den Gesprächsverlauf (aktives Zuhören)
- Benutzen Sie ‘Ich’ Botschaften
- Betonen Sie, dass ihre Wahrnehmung subjektiv ist
- Schaffen Sie eine gute Gesprächskultur
- Betonen Sie Gemeinsamkeiten
- Hören Sie bewusst zu. Achten Sie auf Stimme und Körpersignale ihres Gesprächspartners
- Vermeiden Sie Polarisierungen
- Achten Sie drauf, dass Sie keinen ‘Gesichtsverlust’ zufügen
- Fragen Sie nach, bevor Sie von vorschnellen Vorannahmen ausgehen
Im Vorfeld müssen Sie überlegen, was Sie im Gespräch erreichen wollen. Soll es auf eine vollständige Durchsetzung der eigenen Position hinauslaufen? Wollen Sie nachgeben? Ist gar eine Lösung denkbar, bei der alle Konfliktpartner gewinnen (die berühmte Win-Win-Situation)? Denn dann ist der Kompromiss nur die zweitbeste Lösung! Wie auch immer: nehmen Sie sich ruhig etwas Zeit um diese Fragen mit sich selbst zu klären! Legen Sie sich eine Strategie zurecht, formulieren Sie sich in Gedanken ein Angebot, das Sie zur Beilegung unterbreiten möchten. Die Abb. 2 gibt hier einige Denkanstöße.
Konflikttypen
Die Konfliktforschung unterscheidet zwischen verschiedenen Konflikttypen. Wir als Piraten werden bei der Zusammenarbeit mit anderen Piraten häufig auf Werte-, Beziehungs- und Sachkonflikte stoßen, wie sie Abb. 3 zeigt.
Umgang mit Wertekonflikten
Ein Wertekonflikt entsteht aus einer Verletzung der eigenen Wertvorstellung durch andere. Im politischen Alltag, in dem unterschiedliche Parteien ihre Werte in die Politik einbringen wollen, ist dieser Konflikttyp nahezu an der Tagesordnung. Wertekonflikte können grundsätzlich nicht gelöst, sondern nur entschieden werden. Das kann auch eine vorläufige Entscheidung sein, um handlungsfähig zu bleiben.
Umgang mit Sachkonflikten
Selbst wenn Einigkeit über ein bestimmtes Ziel besteht, kann es unterschiedliche Vorstellungen geben, mit welchen Mitteln das Ziel erreicht werden soll und welche oder wie viele Ressourcen zu seiner Erreichung eingesetzt werden sollen. Hier hilft ein einfacher Punkteplan um sich gemeinsam einig zu werden:
- Problem identifizieren und beschreiben
- Ursache, Hintergründe, Bedürfnisse und Interessen herausfinden und analysieren
- Ziele definieren und vereinbaren
- Lösungsidee entwickeln und gewichten
- Entscheidung treffen und durchführen
Umgang mit Beziehungskonflikten
Oft entstehen Beziehungskonflikte aus Sach- oder Wertekonflikten heraus. Doch ist die zwischenmenschliche Schräglage erst entstanden, tun wir gut daran, diesen Konflikt gesondert und bevorzugt zu lösen! Denn andernfalls droht die totale Erstarrung der Diskussion. Alle Energie wird nur noch in die Schädigung des “Gegners” geleitet: subtile Angriffe, ehrabschneidende Witzchen und unsichtbare, aber vergiftete Pfeile werden aufeinander abgeschossen. In der Sache selbst geht nichts mehr voran. Auch hier hilft ein Gespräch weiter:
- Eine Person muss deutlich artikulieren, wie sehr sie sich durch das Verhalten der anderen Person getroffen, abgewertet, nicht ernstgenommen fühlt
- Die andere Person muss dies einsehen und ihr Verhalten bzw. die Auswirkung bedenken und sich entschuldigen
- Die erste Person muss die Entschuldigung annehmen
Doch ist die Atmosphäre erst einmal aufgeladen, ist anders als bei anderen Konfliten keine direkte Lösung möglich. Beziehungskonflikte können nur heilen! Das benötigt Zeit, die sich alle Beteiligen auch gönnen müssen, wenn eine dauerhafte Besserung des Miteinanders erreicht werden soll.
Unterschiedliche Sichtweisen von Konflikten
Mit großer Wahrscheinlichkeit sehen Sie den Konflikt mit anderen Augen anders als Ihr Gegenüber. Was für den Einen eine Beleidigung war, kann für den Anderen als lockerer Spruch gelten. Vielleicht ist die Austragung des Konfliktes auch notwendig, damit die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt wird! Bei der Entscheidung wie zu verfahren ist, hilft wieder eines der beliebten Vier-Qudranten-Felder. Tragen Sie ein, ob der Konflikt lösbar ist oder eben nicht, und setzen das in Beziehung zur Einschätzung, ob der Konflikt vermeidbar ist oder nicht. Daraus kann eine Schlussfolgerung wie in Abb. 5 folgen.
Kurze Kritikgespräche
Um es erst gar nicht zum Konflikt kommen zu lassen empfehlen sich gelegentliche Kritikgespräche. In deren Verlauf können alle Beteiligte ihe Positionen, Bedürfnisse und Werte dem oder den anderen darlegen. Ein solches Gespräch hilft dabei sich gegenseitig besser einschätzen und kennen zu lernen. Darüber hinaus gibt es die Chance das Selbstbild mit dem Fremdbild abzugleichen. Ziel solch einer Feedbackrunde ist grundsätzlich etwas vom Eindruck der anderen zu erfahren. Widerstehen Sie also dem Impuls sich während des Gesprächs zu verteidigen oder zu rechtfertigen. Sie erfahren mehr über sich und Ihre Wirkung, wenn Sie sich auf das Zuhören konzentrieren. Darüber hinaus gibt es bei einer solchen Feedbackrunde weitere Verhaltensregeln zu beachten:
- Offene Fragen stellen (W-Fragen)
- Durchaus auch ‘hart’ sein
- Schnell auf den Punkt kommen
- Auf Weichmacher verzichten, Kritik konkret benennen
- Ausreden lassen
- Nicht zu viele Wörter
- Achtung mit ‘rhetorischen Spielchen’
- Ernsthaftig, nicht zu ‘flapsig’
Der innere Konflikt
Wie oft mussten Sie eine Entscheidung für sich selbst treffen, kamen aber zu keiner Lösung. Stellt sich Ihnen eine Frage wie should I stay or should I go, lohnt es die Vor- und Nachteile in einer Tabelle gegenüber zu stellen. Etwa in der Art: was hält mich, was zieht mich? Sicher gibt es kein Universalrezept um zu einer Entscheidung zu kommen. Deswegen kann die Abb. 4. auch maximal einen Denkanstoß geben, wie solche Gedanken zu Papier gebracht werden können.
Konfliktlösungen delegieren
Ist ein Konflikt nicht lösbar, kann er zur Lösung auch delegiert werden. Das kann innerhalb der Parteihierachie geschehen (beispielsweise an das Bundesschiedsgericht, das allerdings rein formal entscheidet), aber auch an einen externen Schlichter gegeben werden, dessen Urteil alle Beteiligten respektieren. Dabei gibt es verschiedene Ebenen die genutzt werden können. Gerade Sachkonflikte lassen sich oft nicht auf der unteren Gliederungsebene lösen. Geht es beispielsweise um die Verteilung von Ressourcen, muss ein Konflikt auchmal bis zum Parteivorsitzenden hinauf delegiert werden ;-).
Einige Begriffe die im Artikel vorkommen, bedürfen der Erlauterung:
- Offene Fragen lassen ein breites Spektrum an Antwortmöglichkeiten. So ist die Antwort auf die Frage Welche Ideen haben Sie noch aufschlussreicher als die Frage Haben Sie noch Ideen?
- Beim aktiven Zuhören werden Fehlinterpretationen über das Gehörte vermieden. Der Zuhörende wiederholt das Gehörte. Und entschleunigt das Gespräch auch so.
- Weichmacher verwässern die eigene Position und vermitteln dem Gegenüber ein wenig selbstbewusstes Bild. Worte wie vielleicht, ein bisschen, sollte oder eigentlich können höchstens wohldosiert, auf keinen Fall inflationär angewendet werden!
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.