
Gehen wir einen Schritt weiter By Michael Renner | CC 3.0
Von Benjamin Stöcker (@einfachBen)
Die Auseinandersetzung der Piraten mit Feminismus, Geschlechtertheorien und Geschlechtergerechtigkeit hat eigentlich gerade erst begonnen und doch ist bereits eine Leidenschaft und Emotionalität in der Debatte, die Piraten nicht bei allen politischen Themen an den Tag legen. Verständlich, fühlten die Piraten die Position der Partei weit jenseits der anderen Parteien, vor allem die Lösungsansätze der Grünen scheint vielen Piraten suspekt.
Nach dem das innerparteiliche Tabu über dieses Thema so langsam gebröckelt ist, kann man sich glücklicherweise den Themen Geschlechter und Geschlechtergerechtigkeit in sachlichen Diskussionen nähern, wie es zum Beispiel auf dem Frankenplenum vor kurzem geschah.
Als ich eben für diesen meinen Vortrag über Die verstümmelten Geschlechter – Intersexualität in Deutschland vorbereitete, wurde mir klar: Man mag vom Feminismus und seinen Vertretern halten was man will, aber die Kritik am sogenannten generischen Maskulin ist berechtigt. Und zwar nicht nur, weil es durch seine Assoziationswirkung Männer gegenüber Frauen bevorteilt, nein es reproduziert eine kulturelle Norm, die logisch nicht haltbar ist: Das es zwei klar definierbare Geschlechter gibt.
Die Einteilung in zwei Geschlechter ist in keiner der bisherigen Einordungsschematas haltbar. Weder genetisch, gonadisch, genital (ob innere oder äußere Geschlechtsorgane), sozial (Gender) noch beim Konstrukt der Geschlechtsidentität passt das vorherrschende Schema mit zwei Geschlechtern für alle Menschen.
Dabei sind alle bekannten „Abnormalitäten“, sei es Asexualität, Homosexualität, Transsexualität, Intersexualität und andere „Phänomene“, nachweißlich seit Jahrhunderten vorhanden und trotz Verfolgung durch die Gesellschaften dokumentiert.Klar, wir sind toleranter geworden gegenüber Abweichung von der heterosexuellen zweigeschlechtlichen Norm, aber die zwanghafte Einteilung in eines von zwei Geschlechtern halten wir bei. Sie wirkt als unumstößlich, obwohl die Realität immer wieder an der Sinnhaftigkeit der Einstufung in zwei Geschlechter rüttelt.
Wenn aber das Einteilen von Menschen in zwei feste Gruppen nicht allen Menschen gerecht wird, führt das logischerweise und ganz automatisch zur Diskriminierung, da niemals alle den Erwartungen durch die Rollenbilder gerecht werden können. Sprache ist Ausdruck unserer Kultur, prägt aber auch unser Denken und damit wieder unsere Kultur. Genau deswegen fordern, auch Intersexuellenverbände, eine geschlechterneutrale Sprache. Sie fühlen sich von unserer Sprache gemobbt.
Der Kampf gegen die normative Kraft der Rollenbilder ist bereits 2010 in unser Grundsatzprogramm gewandert:
Die Piratenpartei steht für eine Politik, die die freie Selbstbestimmung von geschlechtlicher und sexueller Identität bzw. Orientierung respektiert und fördert. Fremdbestimmte Zuordnungen zu einem Geschlecht oder zu Geschlechterrollen lehnen wir ab. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Geschlechterrolle, der sexuellen Identität oder Orientierung ist Unrecht. Gesellschaftsstrukturen, die sich aus Geschlechterrollenbildern ergeben, werden dem Individuum nicht gerecht und müssen überwunden werden.
Wir lehnen eine fremde Zuordnung des Geschlechts oder der Geschlechterrollen ab. Aber unsere Satzung schreiben wir dann im generischen Maskulin. Bei uns werden alle Mitglieder als „der Pirat“ bezeichnet – ob sie das wünschen oder nicht. Eine Sprachregelung, die durch Assoziation in vielen Köpfen die falsche Wirkung entfaltet und inkonseqent ist. Und das auch noch ohne jegliche sprachliche Not.
Unsere ist die einzige Satzung großer deutscher Parteien die soetwas macht. So findet sich weder bei SPD noch bei Linke das Wort „Genosse“. Bei allen anderen Parteien sind Parteimitglieder in der Satzung eben einfach eins: Mitglieder. Warum wir davon Abweichen wird wohl schleierhaft bleiben, denn eine anonyme IP Adresse hat in der Gründungsphase die Beidnennung von Pirat und Piratin entfernt.
Mittlerweile verstoßen wir aber dadurch mit unserer eigenen Satzung gegen unsere Programmatik, wir sollten sie daher ändern. Denn wenn wir in unserer Satzung eben Mitglieder nicht als „der Pirat“ deklarieren sondern erstmal nur als „das Mitglied“ bezeichnen, ist – objektiv betrachtet – nichts verloren, aber doch einiges gewonnen. Die Satzung wird Geschlechtsneutraler und das ohne jegliche „Sprachumbiegungen“ wie das Binnen-I.
Natürlich können wir uns noch darüber streiten, ob und wie wir das Sprachproblem des generischen Maskulins im Allgemeinen für uns lösen wollen. Ich persönlich finde die Möglichkeit, welche die Initiative „Das Pirat„aufzeigt, durchaus überlegenswert. Aber so eine Eingriff in die Sprache benötigt viel Überzeugung aller und wir müssen darüber intensiv diskutieren. Deswegen sollten wir so etwas nicht übers Knie brechen, die Diskussionen dazu brauchen viel Zeit.
Aber ich denke auch, dass eine geschlechtsneutralere Satzung ohne Sprachverbiegung, unserem aktuellen Diskussionstand gerecht wird und daher am sinnvollsten ist. Wir setzen damit unser Grundsatzprogramm bei uns selbst um. Das ganze wäre vor allem ein Signal: Das Problembewusstsein für Diskrimnierung aufgrund des Geschlechts ist bei uns gestiegen. Eine geschlechtsneutralere Satzung ist ein Schritt in die richtige Richtung.