Der Wahlkampf 2013 verspricht besonders in Bayern spannend zu werden. Alle Ebenen des föderalen Systems schalten simultan in den Wahlkampfmodus, denn in zeitlicher Nähe zur Bundestagswahl finden auch die Wahlen zum Bezirkstag und zum Landtag statt. Auf Landesebene geht es der CSU um nichts weniger als das Wiedererlangen der absoluten Mehrheit. Rund 46 Jahre hatte sie diese verteidigt. Ob der Verlust 2008 als „Denkzettel“ abgehakt werden kann oder die Entwicklung zum Fünf- oder Sechs-Parteien-System selbst Bayern nachhaltig erfasst, ist auch von bundespolitischer Bedeutung. Schließlich geht es einerseits um die Machtverhältnisse im Bundesparlament, andererseits um die Stimmverteilung im Bundesrat.
In manchen Stimmkreisen Bayerns wird sich die Politprominenz sogar oft die Klinke in die Hand geben. Das wird dort sein, wo bundesweit bekannte Spitzenpolitiker antreten. Den PIRATEN wird dabei der eiskalte Wind ins Gesicht wehen. Außerdem spitzt sich erfahrungsgemäß der Wahlkampf bei einer Ballung verschiedener Urnengänge schnell auf wenige Themen und Personen der Bundespolitik zu. Gleichwohl gilt für Landtags- und besonders für Bezirkstagsdirektkandidaten, diesem Sog möglichst zu widerstehen, die Verankerung in der Region zu halten und vielleicht sogar noch eine eigene Agenda zu setzen.
Pirat auf hoher See
Die unterschiedliche politische Gemengelage wird besonders deutlich in Oberbayern, beispielsweise im Stimmkreis 120 Miesbach. Dieser umfasst den Landkreis Miesbach sowie die Gemeinden Bad Feilnbach und Feldkirchen-Westerham des Landkreises Rosenheim. Für diesen Stimmkreis hat derzeit der CSU-Politiker Alexander Radwan das Landtagsdirektmandat inne. Radwan bewirbt sich allerdings um das bisherige Bundestagsmandat von Ilse Aigner, der Bundesministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Aigner ihrerseits möchte für den Stimmkreis Miesbach in den Bayerischen Landtag wechseln und sich stärker in ihrer politischen Heimat Oberbayern verankern. Für die Piratenpartei tritt nun in Miesbach Andreas Witte als Landtagsdirektkandidat gegen Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner an. Damit ist die CSU-Bezirksvorsitzende laut Witte sein „Counterpart“. Wittes thematischer Schwerpunkt liegt allerdings in der Energie- und Verkehrspolitik. So profiliert sich der 25-jährige Unternehmer im Bereich von Wartung und Betrieb von Photovoltaikanlagen gerne auch mal gegen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, sieht etwa in dessen Konzept für eine Autobahnmaut eine „dritte Abgabeform auf Pkw“ neben Kfz-Steuer und Ökosteuer. Womöglich werden sich beide auch noch im Wahlkampf begegnen, denn Ramsauer tritt zum siebten Mal als Direktkandidat im Bundestagswahlkreis Traunstein/Berchtesgadener Land an, der an Rosenheim grenzt.
Witte aber versucht Kurs zu halten. „Ich will eine pragmatische Verkehrspolitik umsetzen, die sich nicht an ideologischen Grenzen – Auto schlecht, Bahn gut oder umgekehrt – orientiert, sondern an den technischen und organisatorischen Merkmalen des jeweiligen Verkehrssystems.“ Seine verkehrspolitischen Positionen haben bereits Eingang in das Landeswahlprogramm der Piratenpartei gefunden. Der frühere Politische Geschäftsführer und stellvertretende Vorsitzender von Oberbayern ist zudem vertäut mit dem Ortsentwicklungsverein Holzkirchen und der Bürgerinitiative gegen die geplante Umgehungsstraße von Holzkirchen.
Verengung auf Bundesthemen widerstehen
Mit dieser Agenda gestaltete sich die Befragung Wittes bei der Aufstellungsversammlung der PIRATEN zum unmoderierten Fachgespräch über Verkehrsthemen. Daran beteiligten sich mit Interesse auch PIRATEN, die bereits zu Direktkandidaten gewählt wurden, darunter Andreas Popp, Bundestagsdirektkandidat im Wahlkreis 217 Ingolstadt, und Daniel Seuffert, Bezirkstagskandidat im Stimmkreis 122 München-Land-Nord. Bei aller denkbaren Verengung auf bundespolitische Themen, will Witte dennoch vier griffige verkehrspolitische Positionen im Wahlkampf vertreten. Zunächst sei die kommunale Selbstbestimmung beim fahrscheinlosen ÖPNV zu stärken. Zweitens sollten „Insellösungen“ im ländlichen Raum abgelöst werden zugunsten einer „Mobilitäts-Grundversorgung“ mittels bayernweiten integrierten Anruf-Sammel-Taxis. Drittens plädiert Witte für eine „tarifliche Kantenglättung an den Tarifraumgrenzen“ durch die Erweiterung des BayernTickets zum landesweit gültigen Pendler-Monats-Ticket mit Familienfunktionen. Und viertens sei eine „bessere Lösung“ als die des zweiten S-Bahn-Tunnels in München umzusetzen.