Die Flaschenpost interviewt alle Spitzenkandidaten der einzelnen Bundesländer für die Bundestagswahl 2013. Wir fragen genauer nach, was ihre Ziele für Deutschland sind und wie man sie im Wahlkampf unterstützen kann.
Heute: Bruno Gert Kramm
Name | Bruno Gert Kramm |
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Nick | Brunogertkramm |
Alter | 45 |
Wohnhaft in | Kulmbach |
Beruf | Musiker, Produzent |
Spitzenkandidat in | Bayern |
Direktkandidat für Wahlkreis | Kulmbach |
bruno.kramm@piratenpartei.de |
Flaschenpost: Warum bist Du der Piratenpartei beigetreten? Was macht für Dich die (Politik der) Piratenpartei aus?
Bruno: Unsere Gesellschaft blüht auf durch unsere neue Art der Partizipation in politischen Prozessen. Partizipation bedeutet mehr als Mitmachen – es bedeutet, Teil von etwas zu sein und nicht bloß Mitglied.
Politische Partizipation ist die logische Fortsetzung und gesellschaftliche Umsetzung der technischen Möglichkeiten, die wir heute dank des Internets haben.
Unsere Gesellschaft sehnt sich nach Teilhabe: Nach der Epoche des Egoismus, in der jeder sein eigenes Wohl im Sinn hatte, stehen wir nun am Anfang des neu entdeckten “Wir”, das die Vorteile der Solidarität, Kooperation und Kollaboration neu definiert.
Die Piratenpartei ist die politische Antwort auf diese Sehnsucht nach dem “Wir”: Als Mitmach-Partei, als Partei, die neue Formen der Partizipation entwickelt und als die Partei, die Demokratie wiederbelebt.
Wir haben keine Delegierten, keine abgehobenen Chef-Etagen – wir sind mittendrin, wir sind Teil der Gesellschaft, für die wir arbeiten. Diese Art des ideologisch befreiten Miteinanders, des gemeinsamen Konsens auf Basis von Fakten unterscheidet die Piraten wesentlich von allen anderen Parteien. Deshalb bin ich Mitglied geworden.
Flaschenpost: Was hat Dich motiviert für den Bundestag zu kandidieren? Was war Dein erster Gedanke, als Du das Listen-Wahlergebnis gesehen hast?
Bruno: Ich möchte Menschen mit Politik begeistern, sie mitnehmen sich selbst politisch zu engagieren statt nur verbittert und teilnahmslos als Politikverdrossene ein Schattendasein in unserer Demokratie zu fristen. Ich möchte Menschen die Hoffnung zurückgeben, dass ihre Partizipation sinnvoll ist und das gemeinsame “Wir”-Streben unsere Gesellschaft nachhaltig verändern kann.
Ich glaube, ich kann Menschen überzeugen und Zusammenhänge des digitalen Wandels hin zur kommunikativen Wissensgesellschaft und all ihren fantastischen Möglichkeiten für freie Individuen gut vermitteln. Daher habe ich kandidiert.
Das Ergebnis hat mich sehr stolz gemacht, ich war sehr gerührt und trage diesen Auftrag jetzt mit Verantwortung in den Wahlkampf. Mein erster Gedanke war: “Wo geht´s zum Wahlkampf?”
Flaschenpost: Wie möchtest Du unsere Politik und unser Programm den Wählern näher bringen?
Bruno: Ich möchte ihnen zeigen, wie sehr die herkömmliche, etablierte Politik Chancen verspielt und Menschen ausgrenzt.
Der Wandel von der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft zur Wissensgesellschaft kann nur dann gelingen, wenn Netzpolitik nicht das eingehegte Thema von Unterausschüssen bleibt. Wir müssen Netzpolitik in allen gesellschaftlichen Bereichen weiter denken. Das Internet als das neuronale Netz, das alle Menschen verbindet, trägt in sich die wirkliche Befreiung des Menschen. Das jedoch nur, wenn wir statt veralteten, ausgrenzenden und neoliberalen Kapitalismusmodellen das Gemeinwesen, die Commons und die Teilhabe aller in der Vordergrund stellen.Unlesbare Restriktionsgesetze wie das Urheberrecht müssen zum einfachen Betriebssystem einer kreativen Gesellschaft werden. Statt nur wenige von den alten Kulturindustrien geförderte Privilegierte betrachten wir jeden einzelnen Bürger als Urheber, denn Menschen sind von Natur aus kreativ. Freie Kreativität, die in Offenheit als Motor eines qualitativen Wachstums im Sinne aller das Gegenmodell zur gescheiterten Realität darstellt.
Dieses Scheitern spiegelt sich auch im Armutsbericht der Bundesregierung wider, der im krassen Gegensatz zum Bruttoinlandsprodukt und zum Wirtschaftswachstum steht. Statt Menschen systematisch zur Arbeit zu zwingen, um gerade so zu überleben, muss endlich eine Lebenssicherheit gegeben sein, damit Menschen ihre Berufung entdecken. Denn Entfaltung und Vielfalt erweckt ganz neue Potentiale der Wertschöpfung. Potentiale, die in einer Neidkultur und Ellbogengesellschaft niemals entstehen können. Wer sich im Gegensatz zu unserer Idee eines positiven und kreativen Menschenbildes der Wissensgesellschaft die Ausgrenzungs-Realität des gescheiterten Extremkapitalismus anschaut, wird schnell entdecken, dass wir endlich den Neustart unserer Gesellschaft angehen müssen.
Ich möchte aber auch ganz pragmatisch auf die Erfolge von Piraten hinweisen. Piraten wirken in den Parlamenten. Überall bringen wir Transparenz und Nachvollziehbarkeit und wirken gegen Hinterzimmerlobbyismus, der als Teil des etablierten Politiksystems zur Verdrossenheit geführt hat. Alleine hierfür sollte uns der Wähler seine Stimme geben.
Und zuletzt die Idee der politischen Teilhabe. Wir stehen dafür Prozesse nicht nur transparenter, sondern auch partizipativer zu gestalten. Wir wollen die Bürger animieren, sich mehr einzubringen, sich politisch zu beteiligen. Dafür entwickeln wir als technikaffine Partei die Tools für die direkte digitale Bürgerbeteiligung. Unser bereits älterer Slogan “Wir sind die mit den Fragen. Ihr seid die mit den Antworten.” definiert damit unsere Vision der Anglizismen “Crowdsourcing” und “Open Governement”. Diese Teilhabe ist ein wesentlicher Aspekt piratigen Wirkens.
Flaschenpost: Was möchtest Du im Wahlkampf machen und wie kann man Dich dabei konkret unterstützen?
Bruno: Im Gegensatz zum allgemeinen Vorurteil, wir könnten nur “digital”, werde ich auf die Menschen direkt zugehen und in der Öffentlichkeit für unsere Positionen, aber auch unser gänzlich anderes Paradigma werben. Kurz und nerdig: AFK. Dabei will ich aber nicht den digitalen Bereich vergessen. Ich produziere viele kurze Videoclips, in denen ich unsere Inhalte aufbereite und barrierefrei bereitstelle. Auch werde ich die Social Networks umfangreich nutzen.
Unterstützen kann man mich jederzeit gerne. Wer Lust hat, kann sich melden und ich verteile Arbeiten. Darüber hinaus setze ich auch immer wieder auf die “Followerpower”, die funktioniert bei uns noch immer am besten, z. B. wenn ich um Mitarbeit an einem Thesenpapier oder um Beteiligung an einer Demo bitte.
Flaschenpost: Was ist dein thematischer Schwerpunkt?
Bruno: Der digitale Wandel ist die treibende Kraft unserer Generation.
Er hat viele junge Menschen im Netz sozialisiert und zu Zivilcourage und politischer Aktivität inspiriert. Selbstbewusst stehen wir auf der Bruchkante zwischen der alten, krisengeschüttelten, industriellen Welt und der neuen kommunikativen Wissensgesellschaft mit all ihren phantastischen Möglichkeiten. Wir sehen in ihr nicht nur eine gerechtere Gesellschaft der Teilhabe und Bürgerbeteiligung, sondern eine Gemeinschaft der wahren individuellen Freiheit. Wir müssen den Begriff der Arbeit neu denken, denn die neue Informationsgesellschaft wird mehr und mehr die klassischen Arbeitsplätze im Industrie- und Dienstleistungssektor verdrängen.
Das sozialdemokratische Credo der Vollbeschäftigung und Abhängigkeit der Arbeiterklasse funktioniert heute so wenig wie morgen. Die offene und freie Wissensgesellschaft, die sich über die Grenzen der Einhegung erhebt, verspricht weit mehr als neue Geschäftsideen und Modelle der Wertschöpfung. Werte und Schöpfungen, die genauso wie der freie Zugang zu Wissen nicht mehr auf Rentabilität, sondern auf gesamtgesellschaftlicher Lebensqualität und Entfaltung basiert. Diese Teilhabe nutzt nicht nur die Potentiale, sondern haucht unserem Land der Dichter und Denker einen neuen Gründergeist und qualitative Prosperität ein. Dieser Gründergeist braucht eine Grundlage, die weder auf die autoritäre Abgrenzung noch das ideologische Ausgrenzen der etablierten Parteien baut.
Die sozialen, wirtschaftlichen, politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen der oft so aussichtslos erscheinenden Zukunft finden nur in der konsequenten Nutzung der Chancen des digitalen Wandels eine Lösung. Die Kernthemen der Piraten bauen auf den wesentlichen Eckpfeilern von Netzpolitik eine Brücke in die Zukunft der Partizipation. Unsere Kernthemen beseelen unser Grundsatzprogramm und befruchten sämtliche gesellschaftlichen Bereiche mit der Idee des Wandels.
Unsere Lösungen bauen auf das Gemeinwesen und die Kraft von Wissen, Bildung und Kultur. Sie unterscheiden sich wesentlich von Turbokapitalismus und Neoliberalismus, der unsere demokratische Gesellschaft bis zur Unkenntlichkeit dem egoistischen Streben nach Profit unterworfen hat. Profit aus externalisierten Kosten in Form ökologischer Schäden, sozialem Raubbau und dem willfähriger Banken.
Flaschenpost: Wofür möchtest Du Dich im Bundestag einsetzen, welches Ressort / welche Ausschüsse möchtest Du besetzen?
Bruno: Ich stehe natürlich für jedes Ressort zur Verfügung, sehe aber meine Kompetenzen als Vertreter der Kreativbranche im Bereich Kultur, Bildung, Medien und Urheberrecht.
Persönlich ist mir die Verbindung unserer Kernthemen mit allen gesellschaftlichen Bereichen wichtig, weshalb mir “Arbeit und Soziales” sehr am Herzen liegt.
Flaschenpost: Wenn Du eine Sache in Deutschlands Politik ändern könntest – was wäre das?
Bruno: Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich ein Ministerium mit dem Ressort “Bildung, Kultur und Digitales” zusammenstellen und gänzlich den Prinzipien der “Open”-Bewegung öffnen. Also: digitale Lernmittelfreiheit, “Open Access” und freier Zugang zu Bildung, wesentliche Öffnung und Förderung für “Creative Commons” im kulturellen Bereich und umfassenden Netzausbau unter Wahrung von Netzneutralität, dem Schutz der Privatsphäre und Förderung innovativer gemeinwohlorientierter Angebote sowie Förderprogrammen zur digitalen Mündigkeit, die wesentlich ist, um individuell den schwierigen Spagat zwischen informationeller Selbstbestimmung, Datenschutz und freier Entfaltung im Netz zu erlernen.
Flaschenpost: Danke für das tolle und motivierende Gespräch!
In ein bis zwei Wochen erscheint das nächste Interview, dann mit Nene aus Berlin!