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Mit Unmut und Zorn hat der Chef der NSA, Keith Alexander, am Mittwoch in einer Kongressbefragung zu den Vorwürfen, die NSA habe Millionen Europäer ausspioniert, reagiert. Es handle sich nur um einen Austausch zwischen den Geheimdiensten. Die Person, die so etwas behaupte habe ein Diagramm gesehen und nicht verstanden, was darauf abgebildet war. Er sehe seine Aufgabe darin, mehr Soldaten, Piloten, Marine-Infanteristen lebend nach Hause zu holen, was weder dem FBI noch der CIA vor 9/11 gelungen wäre. Es sei kein Zufall, dass es seit dem in den USA keinen größeren Terroranschlag mehr gegeben habe.
James Clapper, Direktor der CIA, wand unterstützend ein: „Wir glauben, wir haben uns immer im Rahmen der Gesetze bewegt. …Was wir nicht tun, ist, Amerikaner zu überwachen oder unschuldigen Menschen in irgendeinem Land hinterher zu spionieren.“ Es sei zudem schon seit langer Zeit Brauch, dass man ausländische Staats- und Regierungschefs abhöre. Die anderen spionieren die USA ja auch aus.
Dem gegenüber steht die neueste Entwicklung im Abhörskandal. Die NSA hat nicht nur den Handy- und Internet-Datenverkehr abgehört, es scheint erwiesen zu sein, dass auch die privaten Netze von Google und Yahoo überwacht wurden.
Hier hat die NSA Zugriff auf unendlich viele Daten, da über diese Leitungen der Abgleich der weltweit verteilten Rechenzentren beider Unternehmen stattfindet. Zu den abgeglichenen Daten gehören Mailkonten, in der Cloud gespeicherte Daten sowie Dokumente, die in z.B. GoogleDocs bearbeitet wurden. Hier sind dann trotz der gegensätzlichen Aussagen der Geheimdienstchefs mit 100%-iger Sicherheit auch Amerikaner betroffen.
Auch der Papst ist offensichtlich Opfer der NSA geworden. Selbst vor der Kirche macht der Geheimdienst also nicht halt, was jedoch wohl eher den angeblichen Machenschaften der Vatikanbank geschuldet sein könnte.
Mittlerweile warnt sogar der Verband der deutschen Journalisten vor der Nutzung von Google und Yahoo bei der Recherche zu Artikeln. Journalistische Recherche müsse vertraulich sein, erklärte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Wann immer möglich, müssten Journalisten Konsequenzen aus den Berichten ziehen. „Es gibt durchaus andere Suchmaschinen und Anbieter von E-Mail-Diensten, die nach bisherigem Kenntnisstand als sicher gelten.“ Genannt wurden leider keine.
Er warnte zudem vor den Folgen der Enthüllungen. „Die Auswirkungen auf Journalisten sind schon schlimm, weil sich unter den Kollegen natürlich ein höheres Maß an Verunsicherung breitgemacht hat“, sagte der DJV-Sprecher. „Viel schlimmer sind aber die Auswirkung auf Informanten, also auf anonyme Quellen, die dringend darauf angewiesen sind, dass ihre Anonymität gewahrt bleibt.“ Es gebe bereits erste Hinweise, dass Informanten zurückhaltender geworden seien.
Man hört aber auch andere Stimmen. Altkanzler Helmut Schmidt rät zu mehr Gelassenheit in dieser Affäre. Früher seien bei Telefonaten unter Regierungschefs manchmal erst die „Mithörer“ gegrüßt worden und dann der Gesprächspartner.
Sicherlich ruft diese Aussage bei dem einen oder anderen ein Grinsen hervor, es ist aber leider nicht komisch, wenn von Spionageaktionen nicht nur Regierungen, wo es üblich war zu spionieren, sondern auch der einfache Bürger betroffen ist. Die gewonnenen Daten ermöglichen es, ein sehr präzises Profil jedes Überwachten zu erstellen. Diese Profile könnten auch für wirtschaftliche Interessen genutzt werden, was bei Firmendaten schon vorgekommen sein soll.
In der Affäre ist viel Bewegung. Grünen-Politiker Ströbele hat sich mit Edward Snowden getroffen und einen Brief von ihm entgegen genommen, in dem Snowden seine Hilfe bei der Aufklärung des Skandals anbietet. Hier der Brief in der deutschen Übersetzung:
An die Zuständigen
Ich wurde gebeten, Ihnen bezüglich Ihrer Untersuchung zur Massenüberwachung zu schreiben.
Ich heiße Edward Joseph Snowden und war früher vertraglich beziehungsweise über eine Direktanstellung als technischer Experte bei der National Security Agency (NSA), der Central Intelligence Agency (CIA) und der Defense Intelligence Agency (DIA) der Vereinigten Staaten beschäftigt.
Im Zuge meiner Beschäftigung in diesen Einrichtungen wurde ich Zeuge systematischer Gesetzesverstöße meiner Regierung, die mich aus moralischer Pflicht zum Handeln veranlassten. Als Ergebnis der Veröffentlichung dieser Bedenken sah ich mich einer schwerwiegenden und anhaltenden Hetze ausgesetzt, die mich zwang, meine Familie und meine Heimat zu verlassen. Ich lebe derzeit im Exil und genieße befristetes Asyl, das mir die Russische Föderation gemäß internationalem Recht gewährt.
Ich bin ermutigt von der Resonanz auf mein politisches Handeln, sowohl in den USA als auch anderswo. Bürger auf der ganzen Welt und auch hohe Amtsträger – einschließlich der Vereinigten Staaten – haben die Enthüllungen zu einem System der allumfassenden Überwachung, das niemandem Rechenschaft schuldig ist, als einen Dienst an der Öffentlichkeit beurteilt. Diese Spionage-Enthüllungen zogen viele Vorschläge zu neuen Gesetzen und Richtlinien nach sich, die auf den vormals verdeckten Missbrauch des öffentlichen Vertrauens abzielten. Der Nutzen für die Gesellschaft aus diesen gewonnenen Erkenntnissen wird zunehmend klarer; gleichzeitig wurden die in Kauf genommenen Risiken sichtlich vermindert.
Obwohl das Ergebnis meiner Bemühungen nachweislich positiv war, behandelt meine Regierung Dissens nach wie vor als Treuebruch und strebt danach, politische Meinungsäußerung zu kriminalisieren und unter Anklage (zu) stellen. Dennoch: Die Wahrheit auszusprechen ist kein Verbrechen. Ich bin zuversichtlich, dass die Regierung der Vereinigten Staaten mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft diese abträgliche Haltung ablegen wird. Ich hoffe, dass ich, wenn die Schwierigkeiten dieser humanitären Lage beigelegt sind, in der Lage sein werde, mich an der verantwortungsvollen Aufklärung der Sachverhalte bezüglich der in den Medien getätigten Aussagen, insbesondere im Hinblick auf Wahrheit und Authentizität der Berichte, angemessen und gesetzesgemäß zu beteiligen.
Ich freue mich auf ein Gespräch mit Ihnen in Ihrem Land, sobald die Situation geklärt ist und danke Ihnen für ihre Bemühungen, das internationale Recht zu wahren, das uns alle beschützt.
Mit besten Grüßen
gez. Edward Snowden bezeugt durch Hans-Christian Ströbele
Mit diesem Kontakt hat sich Ströbele auf dünnes Eis gewagt. Er dürfte jetzt eines der Top-Ziele der Geheimdienste geworden sein. Auch ist jetzt wieder die Debatte im Gange, Edward Snowden Asyl in Deutschland zu gewähren, was ja schon einmal abgelehnt wurde.
In den nächsten Tagen wird sich hier noch einiges ergeben, wir bleiben dran…