Die Olympischen Spiele des Jahres 2022 werden definitiv nicht in Deutschland stattfinden. Eine Abstimmung in München, im Landkreis Traunstein, im Berchtesgadener Land und in Garmisch-Partenkirchen ergab ein eindeutiges Nein als Antwort auf die Frage, ob beim Olympischen Komitee eine Bewerbung für die Spiele 2022 eingereicht werden soll.
Schon die geplante Bewerbung für die Spiele 2018 stieß auf viel Widerstand. Vor allem die Androhung von Enteignungen gegenüber widerborstigen Almbesitzern trieb die Bajuwaren um. Dieses Mal sollte alles besser werden. Auf allen Kanälen wurden die Vorteile von Olympischen Spielen betont. Werbetafeln ersetzen an vielen Stellen seit Ende September die Wahlplakate, in der S-Bahn wurden Fahrgäste mit Olympiawerbung zwangsbeschallt („Sehr geehrte Fahrgäste, wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit. Die S-Bahn München unterstützt die Bewerbung um die Olympischen Spiele 2022. Der hierfür nötige Infrastrukturausbau sichert die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs in der Landeshauptstadt und ökologische Winterspiele 2022. Wir bitten daher um Ihre Unterstützung beim Bürgerentscheid am 10. November.“). Selbst der Benachrichtigung über die Abstimmung lag ein Prospekt der Befürworter bei, der Milch und Honig versprach:
- 50 Jahre nach 1972 könnte München wieder Gastgeberin Olympischer Spiele werden
- Optimierung des international anerkannten Bewerbungskonzeptes 2018
- Nachhaltigkeit statt Gigantismus
- Ausbau der öffentlichen Infrastruktur – Neue, bezahlbare Wohnungen für München
- Paralympische Spiele: Auftrieb für die Jahrhundertaufgabe Inklusion
- Deutschland ist eine Sportnation mit starken Verbänden und begeisterten Fans
- Olympische Spiele sind Motor für Wirtschaft und Tourismus.
Viele hinterfragten den Sinn einer Bewerbung und die damit verbundene 3.3 Mrd Euro (nach einer ersten Kostenschätzung waren es 1.3 Mrd) Investition kritisch. Viel fürchteten, dass auch hier wieder einmal Gewinne privatisiert, Verluste aber sozialisiert werden sollten. Für ein Ja zur Bewerbung warben Autohersteller, Brauerein, der Flughafenbetreiber und einige andere Verbände, die fette Gewinne erwarteten. Es wundert aber nicht, dass der Mieterschutzbund nicht für Olympia warb, kein Umweltschutzorganisation, kein Menschenrechtler oder Datenschützer.
Mit Blick auf London 2012 und Moskau 2014 rechneten viele Bewohner der vier betroffenen Regionen in Oberbayern mit ausnahmeähnlichen Zuständen – nicht nur in sportlicher Hinsicht. Über London wurde, wegen der angespannten Sicherheitslage, faktisch ein „Kriegsrecht light“ verhängt: Schlachtkreuzer auf der Themse, Flugabwehrgeschütze auf den Dächern, selbst Hobbyfunker mussten ihre Sender abschalten. Was Moskau wegen der angespannten Sicherheitslage blüht, ist noch nicht ganz raus. Der russische Geheimdienst FSB will den gesamten Telefon- und Datenverkehr abfangen und nach unerwünschten Wörtern in E-Mails, Chats und sozialen Netzwerken durchsuchen.
Ganz so schlimm wäre es in München nicht gekommen, alleine schon weil die Isar nicht schiffbar ist und sich die Spitzdächer in Bayern nicht dazu eigenen Soldaten darauf zu stationieren. Die Tatsache, dass in Münchens Innenstadt keine Hochhäuser stehen, verdankt die Stadt übrigens einem Volksentscheid der klar sagte: kein Häuser über 100 Metern innerhalb des die Stadt umrundenden „Mittleren Rings“. Warum die versprochenen bezahlbaren Wohnungen nach einer derartigen Investition erst nach 2022 kommen sollen, was mit den Umweltschäden geschehen soll oder wie die vertraglich zu erfüllende Schneegarantie in Zeiten der globalen Klimaerwärmung eingehalten werden soll, erschloss sich einer Mehrheit nicht. Die Grünen positionierten sich klar gegen eine Bewerbung, auch die Piraten sprachen sich in einem Parteitagsbeschluss dagegen aus.
Das IOC wird eine Entscheidung zwischen den verbliebenen Bewerbern treffen: Almaty in Kasachstan, Peking in China, vielleicht auch in Krakau in Polen, Lemberg in der Ukraine und Oslo in Norwegen. Zumindest in den beiden erstgenannten Städten wird sich das IOC nicht mit Gegnern der Olympischen Spiele rumärgern müssen, das garantiert schon die Regierungsform. München stellt sich nun auf die Seite von Barcelona in Spanien und St. Moritz in der Schweiz, die ebenfalls eine Bewerbung erwogen, diese dann aber aus unterschiedlichen Gründen zurück zogen.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.