Den zweiten Tag des Landesparteitages füllten die vom Vortag übrig gebliebenen Programmanträge aus – laut Protokoll 21 plus Varianten. (Antragsbuch)
Ein großer Teil der Anträge diente dazu, Aktualisierungen vorzunehmen, Überholtes zu streichen und Widersprüche zu beseitigen. Dies wurde immer dann kompliziert, wenn man sich zwischen mehreren Varianten entscheiden konnte, wurde mit einigem Zeitaufwand aber erledigt. Die dazu erforderlichen Anträge formulierte eine zu diesem Zweck gebildete Arbeitsgruppe.
Zu größeren Diskussionen führten die Abschaffung des Paragraf 166 im Strafgesetzbuch „Beschimpfung von Bekenntnissen“, die Radhelmpflicht, Share Economy, die äußerst detaillierten Anträge zur sexuellen Diskriminierung und der Länderfinanzausgleich. Lange Debatten ließen aber nicht unbedingt auf ein knappes Ergebnis schließen. Vielleicht hätte ein Meinungsbild vor der Diskussion der Anträge viel Zeit gespart.
Der Antrag zur Abschaffung des Paragrafen 166 wurde dahingehend diskutiert, ob er nicht tatsächlich dazu beitragen könne, den öffentlichen Frieden zu sichern. Befürworter des Antrages verwiesen auf die Rechtspraxis und Erfahrungen: Demnach habe der Artikel vor allem dazu gedient, die Meinungsfreiheit einzuschränken und Kritik an Religionen zu unterbinden. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen.
Ebenfalls mit großer Mehrheit wurden Quoten in Verwaltung und Wirtschaft und bei Wahlen grundlegend abgelehnt, obwohl ein Pirat davor warnte und meinte, dass sie in einzelnen Fällen durchaus sinnvoll sein könnten. Ob eine Quote bestehende Diskriminierungen beseitigen und der Partei bei Koalitionsverhandlungen notwendigen Spielraum gewähren könnte, wurde nicht diskutiert, ebenso wenig wie die Frage, ob man eine geringe Quote akzeptieren würde. Es wird sich zeigen, ob diese pauschale Ablehnung in Zukunft Probleme bereiten wird.
Der Antrag „Share Economy ermöglichen“ wurde deutlich kritisiert, weil laut Presseberichten zunehmend Unternehmen auf dem Markt auftauchen, die diese an sich gute Idee nutzen, um Tarife, Steuerpflicht und Sozialversicherung zu umgehen. Diese Ansicht schien der Großteil der Teilnehmer zu teilen und lehnte den Antrag ab.
An einer Stelle wurde das Manko offenbar, dass sich die Antragsteller offenbar kaum vernetzen, um gemeinsam Anträge zu stellen, und dass man kaum darauf achtet, ob die Inhalte sich im Wahlkampf leicht vermitteln lassen: Ein Antrag, der die Ablehnung der Maut ausschließlich mit wirtschaftlichen Argumenten begründet, fand keine Mehrheit. Dagegen wurde ein Antrag angenommen, laut dem die Piratenpartei die Maut in erster Linie aus Datenschutzgründen ablehnt. Die Anträge widersprachen sich nicht inhaltlich, sondern nur in ihrer Begründung, doch ist die Ablehnung der Maut aus wirtschaftlichen Gründen für die Mehrheit der Bürger sicher leichter nachzuvollziehen.
Die Anträge auf die Einrichtung einer Pflegekammer und zur Beseitigung der Zwangsmitgliedschaft in Kammern widersprachen sich grundsätzlich. Man entschied sich für die Beseitigung der Zwangsmitgliedschaft und lehnte die Pflegekammer ab.
Mit den beschlossenen Anträgen zum Thema Stuttgart 21 lehnt die Partei das Projekt ab und fordert, dass die Bahn ihr Baurecht nicht zum Nachteil des Landes und seiner Bürger nutzen dürfe. Zudem bekennt sie sich zum Kostendeckel und lehnt eine darüber hinausgehende Beteiligung des Landes an den Baukosten ab. Für die erforderliche Neuplanung des Filderbahnhofs am Flughafen, den Filderbahnhof Plus, fordert sie die Variante, die im Filderdialog die größte Unterstützung fand, mit dem Erhalt der Gäubahn und dem Umsteigebahnhof in Stuttgart-Vaihingen.
Alles in allem brachte der Antragsmarathon die Piratenpartei Baden-Württemberg programmatisch deutlich voran. Mitunter wünscht man jedoch, dass die Piraten ihr Programm mehr im Hinblick auf den kommenden Landtagswahlkampf gestalten und weniger nach persönlichen Ansichten. Wichtige Wählergruppen werden sich im Wahlprogramm nicht wiederfinden, wenn nicht auf dem nächsten Parteitag noch umfassende Ergänzungen folgen.