Ein Gastartikel von Michael Berndt, energiepolitischer Sprecher der Piratenpartei Deutschland.
Bereits viermal traf sich die Welt zum jährlichen „Berlin Energy Transition Dialogue“. Mehr als 2000 Teilnehmer aus 95 Staaten, unter Ihnen 43 Minister und Staatssekretäre sowie 120 internationale Sprecher staatlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen kamen 2018 in Berlin zusammen und diskutierten in insgesamt 18 Panels über die Umsetzung der Energiewende [1]. Dr. Michael Berndt nahm als Vertreter der „Pirate Party International“ und in seiner Funktion des energiepolitischen Sprechers der Piratenpartei Deutschland teil. Im folgenden Beitrag nimmt er einige Themen dieses Dialogs in den Blick:
„Die Energiewende ist eine notwendige Bedingung für eine stabile und friedfertige Welt“
So der deutsche Außenminister Heiko Maas in seiner Eröffnungsrede [2].
Als Beispiel verwies Außenminister Maas auf den von der Bundesregierung im Jahr 2016 begründeten Deutsch-Jordanischen Energiedialog [3]. Mit Jordanien unterstützt Deutschland dabei ein Land beim Aufbau einer Versorgung mit Solarenergie, das beispielhafte Anstrengungen zum Lindern des Leids von hunderttausenden Flüchtlingen unternommen hat. Auch die Finanzierung der größten Photovoltaikanlage zur Versorgung eines Flüchtlingslagers wurde von der Bundesregierung übernommen:
In seiner Rede freute sich Außenminister Maas:
„Durch diese innovative Nutzung von Solarenergie wird eine Gruppe von Personen mit Strom versorgt, die sonst keinen Zugang zum Netz hätten und denen damit die Erfüllung vieler elementarer Bedürfnisse verwehrt bliebe. Ich finde ein solches Projekt beispielhaft für die Möglichkeiten, die erneuerbare Energien schaffen können.“
Doch ist es nicht viel besser, Leid zu verhindern statt Leid zu lindern? In Afrika leben noch 60% der Menschen ohne Strom. Mit Photovoltaikanlagen lässt sich überall Strom erzeugen, der heute die Grundlage für Bildung und Kommunikation, und damit letztlich auch die Grundlage für Frieden ist. Wäre es da nicht noch viel beispielhafter, wenn Deutschland nicht nur den Bundeswehraufenthalt in Mali verlängert hätte [5], sondern in einem gemeinsamen Projekt mit Frankreich in diesem Land eine Strom- und Wärmeversorgung mit Erneuerbaren Energien für alle Bürger aufbauen würden? So bewundernswert private Initiativen wie die von AFRIKA GREENTECH [6] auch sind, sie können nur der Anstoß für eine umfassende Lösung sein. Deutschland und Frankreich könnten mit einem solchen Projekt ein weltweites Friedenszeichen setzen.
Elementare Bedürfnisse in weiten Teilen der Welt
In weiten Teilen der Welt sind die Probleme der Energieversorgung elementar: In Ländern des „Globalen Süden“ wird der Strom für die dezentrale Grundversorgung in der Regel immer noch mit teurem und umweltschädigendem Dieselkraftstoff in Generatoren erzeugt.
Sind diese sind defekt, gibt es gar keinen Strom. Photovoltaikmodule mit Speichern wären hier die ideale Lösung: Die Sonne scheint regelmäßig und ausreichend und die Stromerzeugung durch Photovoltaik beliebig skalierbar, vom kleinen Modul für die einzelne Hütte bis zur Stromversorgung eines ganzen Dorfes oder sogar großer Flüchtlingslager. Die Stromspeicherung mit Batteriespeichern gibt auch in der Dunkelheit Licht und Strom für weitere Anwendungen. Regelmäßig zur Verfügung stehender Strom würde dort das Leben erleichtern. Er ist eine Grundvoraussetzung für Lernen und Bildung und wirtschaftliche Entwicklung.
Neben dem fehlenden Strom ist die Energie für das Kochen der täglichen Mahlzeit eines der großen Probleme in Ländern des globalen Südens. In ihrer Grundsatzrede benannte Lucia Bakulumpagi-Wamala, Gründerin und Vorsitzende der Firma Bakulu Power aus Uganda [7], dieses Problem in Afrika deutlich:
„Wenn sich nichts ändert, haben wir im Jahr 2050 in Uganda keinen Wald mehr![…] Mehr als 80% der Energie wird in Afrika zum Kochen verbraucht[…] Energiewende in Afrika heißt: Strom und sauberen und nachhaltigen Brennstoff zum Kochen zu haben!“ [8]
Im Jahr 2013 wurde die Initiative „Partnerschaften für Unternehmerinnen im Bereich der erneuerbaren Energien“ (wPOWER HUB) [9] ins Leben gerufen. Gründungspartner waren das amerikanische Außenministerium, die United States Agency for International Development sowie die MacArthur Foundation, Global Alliance for Clean Cookstoves, CARE International, Solar Sister, Swayam Shikshan Prayog und das Wangari Maathai Institute for Peace & Environmental Studies. Dr. Linda Davies, Direktorin dieser Initiative schilderte die mit dem täglichen Kochen verbundenen massiven Gefahren eindrucksvoll:
“In den meisten afrikanischen Staaten südlich der Sahara und in Südostasien sind Frauen dafür verantwortlich, ein, manchmal auch zwei heiße Essen täglich auf den Tisch zu bringen. Das bedeutet, dass dort Frauen zwei- oder dreimal in der Woche in den Wald gehen müssen, um Brennholz zu holen oder mehr als 50kg Holz nach Hause zu bringen. Durch Abgase in Innenräumen sterben statistisch mehr Menschen als durch Aids, Tuberkulose und Malaria zusammen. Die UNO sagt ungefähr 4 Millionen im Jahr. Und Frauen und Kinder sterben überproportional oft, da sie vorwiegend die Köche sind […] und die meiste Zeit in der Küche sind. Eine weitere Statistik aus den USA sagt aus, […] dass eine Stunde Kochen den Effekt vom Rauchen von 4 Packungen Zigaretten am Tag hat.“ [10]
Die Initiative wPOWER HUB sieht ihre Aufgabe darin, „… die zentrale Rolle zu fördern, die Frauen beim Unternehmertum für saubere Energie und beim Umgang mit dem Klimawandel spielen müssen. … Das große Potenzial von Frauen auf der ganzen Welt als erfolgreiche Unternehmer nutzen, um Energiearmut zu beseitigen und die klimaschädigenden CO 2 -Emissionen durch ineffiziente Koch-, Beleuchtungs- und Heizmethoden, die von über 2,7 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt eingesetzt werden, zu bekämpfen.“
„Frauen müssen auch stärker in der politischen Verantwortung und in führenden Positionen von Energieunternehmen vertreten sein“ ergänzt Linda Davies in ihrem Statement. Auch hier versuchen private Initiativen die ländliche Bevölkerung mit einer selbstorganisierten Eigenversorgung mit Biogas zum täglichen Kochen zu unterstützen. [11]
Klartext
Klare Worte fanden Teilnehmer auf dem Podium im Panel „Carbon pricing“, in dem die Möglichkeit der CO2-Reduktion durch eine stärkere Bepreisung klimaschädlicher Emissionen behandelt wurde:
“Wir sind nicht auf dem Weg, die Pariser Klimaschutzvereinbarungen einzuhalten. Der Planet erhitzt sich zu stark und wir müssen mehr, viel mehr tun, um das Ziel zu erreichen“
so die französische Staatssekretärin Brune Poirson. Noch deutlicher wurde der Außenminister von Costa Rica Manuel Gonzáles Sanz:
„Aber lassen Sie mich auch sagen, wir sollten uns als Menschheit schämen, dass wir diese Art von Diskussion führen. Wir bringen unseren Planeten um, wir bringen uns selbst um.“ [12]
Am Strukturwandel führt kein Weg vorbei
Die Industriestaaten stehen mit der Energiewende u. a. vor der Aufgabe, den Strukturwandel weg von der Kohleförderung und Kohlestromerzeugung hin zum Einsatz von erneuerbaren Energien zur Strom- und Wärmeerzeugung zu bewältigen. Der rumänische Energieminister Anton Anton wies im Panel „Carbon pricing“ auf die Schwierigkeiten dieses Prozesses hin:
Rumänien stehe voll und ganz hinter den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens und kämpfe auch für das Erreichen der Ziele. Der Anteil der Kohlestromerzeugung betrage nur noch 25% und man habe die Anzahl der Kohlearbeiter dramatisch reduziert. Dennoch seien soziale Aufgaben zu erfüllen, denn Kohleregionen sind mono-industrielle Regionen. Es ist schwierig, Arbeitsplätze zu konvertieren und zudem müsse das Stromnetz weiterentwickelt werden, um die Stromversorgung auch im Winter sicherzustellen. [13]
Die Lösung liegt in der Energiewende selbst. Darauf wies auch Umweltministerin Schulze in ihrer Rede hin: „Die Klima- und Energietransformation der nächsten Jahrzehnte ist ein gewaltiges Modernisierungsprogramm. Es führt, wenn wir es klug anstellen, zu weiterem Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum.“ [14]
Wir müssen einander zuhören, miteinander diskutieren und uns unterstützen. Dann gebe ich als Bürger auch gerne Steuergeld – so wie für diese Veranstaltung. Aber nicht nur die Energiewende braucht einen ehrlichen, konstruktiven Dialog, sondern auch die Weltmeere, deren Verschmutzung dramatisch geworden ist. Und so wünsche ich mir als Bürger zusätzlich den „Berlin Ocean Protection Dialogue“.
Quellen:
[1] https://www.bee-ev.de/home/presse/mitteilungen/berlin-energy-transition-dialogue-2018/
[3] Gabriel: Deutschland unterstützt Jordanien beim Umbau seines Energiesektors
[4] http://www.unhcr.org/news/latest/2017/11/5a0ab9854/jordans-zaatari-camp-green-new-solar-plant.html
[5] Bundestag verlängert Mandate
[6] https://www.africagreentec.com/
[8] Keynote von Lucia Bakulumpagi-Wamala zur Eröffnung des “Berlin Energy Transition Dialog 2018“
[11] https://www.myclimate.org/de/klimaschutzprojekte/projekt/indien-biogas-7168/
und http://www.be-nrg.com/b-home/
[12] BETD 2018: Carbon Pricing
[13] Rumänische Energieminister Anton Anton ab 22:40 min:
[14] https://www.bmu.de/rede/rede-beim-berlin-energy-transition-dialogue-2018/