Ein Gastartikel von Gaby Weber
Seit Urzeiten schlichteten Menschen aufgrund der ihnen zugeschriebenen Autorität Streit zwischen ihren Mitmenschen. Das erleichtert das Zusammenleben, denn die Alternative wäre das Gesetz des Dschungels, bei dem der Stärkere gewinnt. Bei den Naturvölkern waren das weise Männer oder Frauen, die Meinungsverschiedenheiten klärten. Mit der Entwicklung der Staatsstruktur übernahmen autorisierte Personen, genannt „Richter“, dieses Amt – auf der Grundlage aufgeschriebener Regeln, genannt „Gesetze“.
Wir alle wissen, dass diese Richter auch Fehlentscheidungen treffen, aufgrund von Subjektivität, Unkenntnis oder Feigheit. Doch ich möchte klarstellen, dass es für mich trotzdem zu einer (mangelhaften) Justiz und zu (mit Mängeln versehenen) Richtern keine Alternative gibt, da unsere Meinungsverschiedenheiten ja irgendwie geklärt werden müssen, ohne die Gewalt des Dschungels.
Deshalb prozessiere ich seit über 40 Jahren gegen staatliche Willkür, für Datenschutz und vor allem, für Transparenz und Zugang zu amtlichen Akten – Grundlage jeder Demokratie – obwohl ich vor deutschen Verwaltungsgerichten fast ALLE Prozesse verliere. Ich nehme es inzwischen mit Humor, setze auf die langfristige Wirkung in der Gesellschaft und eben auf das Motto: besser schlechte Richter als keine Richter (= Gesetz des Dschungels).
Aber das, was sich das Leipziger Bundesverwaltungsgericht jetzt geleistet hat, hat mich sprachlos gemacht. Sein Urteilsspruch hat mit richterlicher Autorität nicht einmal mehr ansatzweise etwas zu tun, sondern ist Willkür und Borniertheit. Die Leipziger Richterchen haben sich zum internationalen Gespött gemacht. Sorry, ich hab das I vergessen, die Richterchen und RichterInchen.
Es geht um die geklauten Akten von Helmut Kohl. Dieser schickte, als er das Kanzleramt verließ, seine Akten zur Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Sankt Augustin, ein privates Archiv, das sich das Recht herausnimmt, nur ausgewählte Schreiberlinge an sie heranzulassen. Diese Erfahrung machte ich, als ich dort die Unterlagen von Hans Globke einsehen wollte, einst Kommentator der Nürnberger Rassengesetze und dann rechte Hand Adenauers. Mir wurden in Sankt Augustin dessen Unterlagen – wohlgemerkt amtliche und zum Teil geheime Akten – nicht vollständig vorgelegt. Doch meine Klage auf Überführung dieser Unterlagen wurde von deutschen Verwaltungsgerichten verworfen und schlummert derzeit in Straßburg beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Und der nimmt sich viel Zeit.
Die Kohlakten (wohlgemerkt: die Originale) schickte das KAS später auf dessen Wunsch nach Oggersheim, wo der Alt-Kanzler zusammen mit dem Ghostwriter Heribert Schwan seine Memoiren verfassen wollte. Daran besteht kein Zweifel, die KAS bestätigte dies in einer Presseerklärung, Schwan vor Gericht. Dann starb Kohl und seitdem hütet die Witwe diese Papiere und lässt nicht einmal den Chef des Bundesarchivs an ihren Schatz. Strafrechtlich gilt das als „Verwahrungsbruch“, da Akten des Kanzleramts in das Bundesarchiv gehören. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem von mir erstrittenen Urteil 2017 ausdrücklich festgestellt, dass diese Akten weiterhin Eigentum der Bundesrepublik seien. Man sollte also meinen, die Verwaltungsrichter würden das auch so sehen und die Rechtsordnung wieder herstellen.
Ich erstattete Strafanzeige gegen die Witwe bei der Staatsanwaltschaft Zweibrücken, wo man aber keinen „Anfangsverdacht“ sehen wollte. Auch mein Antrag auf Klageerzwingung hatte keinen Erfolg, ebenso wenig eine Verfassungsbeschwerde. Dagegen habe ich Beschwerde beim europäischen Menschenrechtsgerichtshof eingelegt.
Meine Klage gegen das Kanzleramt auf Wiederbeschaffung der Oggersheimer Papiere verwarf das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im letzten Jahr. Es gebe keine gesetzliche Wiederbeschaffungspflicht, und über die Herstellung der allgemeinen Rechtsordnung (Verwahrungsbruch, wie gesagt, steht unter Strafe) verlor man kein Wort. Für die Richterchen galt das Motto: Einmal geklaut, immer verloren. Und jetzt legte das BVerwG sein höchstrichterliches Urteil vor und bestätigte diese “Rechts”-Auffassung. Ich empfehle die Lektüre dieses Machwerks, das zeigt, wie es in Deutschland um die richterliche Autorität bestellt ist.
Natürlich hatte mein Anwalt, Raphael Thomas, vor Gericht erwähnt, wie man auf der anderen Seite des Atlantiks dieses Thema handhabt: Dort hat das US-Justizministerium auf Bitten des Bundesarchivs NARA das FBI zuerst zu Ex-Präsident Donald Trump und danach zum amtierenden Staatschef Joe Biden nach Hause geschickt und dort kistenweise Akten beschlagnahmen lassen. Trump drohen strafrechtliche Konsequenzen, bei Biden ist das noch nicht entschieden. Die deutsche Presse berichtete ausführlich über die FBI-Aktionen, unterließ aber die Frage, warum in Deutschland das BKA nicht nach Oggersheim abkommandiert wird. So wurde, zumindest in der Fachwelt, die Bundesrepublik zum internationalen Gespött. Mal wieder.
Ich werde Verfassungsbeschwerde gegen dieses Machwerk aus Leipzig einlegen und kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass die Karlsruher Richter ihr eigenes Urteil von 2017 in die Tonne treten. Diese Verfassungsbeschwerde sowie alle anderen Prozesse auf Informationszugang wurden und werden durch Spenden ermöglicht.
Wer diese unterstützen will, kann dies tun über Paypal: gaby.weber@gmx.net oder über die Comdirect Bank: Iban DE53200411550192074300, BIC COBADEH055