
Symbolbild: Dunkle Triade bestehend aus: Narzismuss, Machiavellismus und Psychopathie (DALL-E Generiert)
Ein Debattenbeitrag zum Umgang mit Diktatoren und Psychopathen
In den Geschichtsbüchern stoßen wir immer wieder auf die Namen von Tyrannen, deren Herrschaftszeit von Krieg, Schrecken und Armut gezeichnet war. Diese Palette reicht von antiken Herrschern wie Nero oder Caligula bis hin zu den modernen Faschistoiden Diktatoren wie Hitler oder Stalin. Eine Gemeinsamkeit all dieser Herrscher ist ein psychologisches Profil, das von Elementen der dunklen Triade durchdrungen ist:
Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie. Diese 3 Merkmale, die sich durch fehlendes Einfühlungsvermögen, Manipulativität und radikales Machtstreben auszeichnen, kombiniert mit einer meist skrupellose Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, waren oft der Nährboden für katastrophale Ereignisse. Das Konzept der ‚dunklen Triade‘ ist in der Psychologischen Forschung von zunehmend großer Bedeutung. Setzen sich diese Menschen in der politischen Arena durch und ergreifen die Macht, so führen solche Eigenschaften häufig zu totalitären Regierungsformen, zu Unterdrückung und zu aggressiver kriegerischer Außenpolitik – mit weitreichenden und sehr negativen Konsequenzen für die Mehrheit der Menschen.
In unserer heutigen Welt, die durch nukleare Fähigkeiten der Supermächte geprägt ist, erreichen die Gefahren, die von diesem Typus von Diktator ausgehen, jedoch eine neue Dimension. Diese Führer stellen eine potenziell existenzielle Bedrohung dar, die das Überleben der Menschheit gefährden kann. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, den Aufstieg persönlichkeitsgestörter Menschen in Machtpositionen zu verhindern. Die Verteidigung von freiheitlichen und demokratischen Werten ist daher eine existenzielle Notwendigkeit für die Zukunft der gesamten Menschheit.
Der Westen und die Autokraten
Bei der Betrachtung der Rolle des Westens, der durch neoliberale Politik Diktaturen leider wirtschaftlich gestärkt hat, bedarf es einer kritischen Analyse. Die Strategie des „Wandels durch Handel“, die darauf abzielt, autokratische Staaten durch wirtschaftliches Engagement zu liberalisieren, ist oft dramatisch nach hinten losgegangen. Statt demokratische Reformen und Menschenrechte zu fördern, hat sie zu oft Regimes wie die in Russland, China und Iran wirtschaftlich gestärkt. Die sich abzeichnende gefährliche Allianz, die eine ‚Achse der Autokratien‘ bildet, stellt eine bedeutende Bedrohung für die globale Stabilität dar. Die gefährliche Aggression, wie sie in Russlands Angriff auf die Ukraine und Chinas zunehmenden Drohungen gegenüber Taiwan zu sehen ist, sind deutliche Beispiele dafür, dass wirtschaftliches Beschwichtigen die psychopathischen Tendenzen solcher Herrschaftssysteme kaum dämpft. Die persönlichkeitsgestörte Psychologie von Totalitären Diktatoren, die Merkmale der dunklen Triade aufweisen, würde selbst für die professionellsten Therapeuten eine gewaltige Herausforderung darstellen. Daher ist die neoliberale Annahme, dass freier Handel und Beschwichtigung im Stile von „Wandel durch Handel“ zu einem Sinneswandel hin zu demokratischeren Werten führen könnten, in vielen Fällen außerordentlich naiv und gefährlich. Putins Krieg in der Ukraine scheint dies zu belegen, zumal mittlerweile klar ist, dass der Diktator Putin wohl auch seit längerem eine noch größere Konfrontation mit dem demokratischen Westen geplant hat. Diese ist letztendlich daran gescheitert das Russland die Ukraine nicht wie geplant in 3 Tagen erobern konnte, sondern nach über 500 Tagen im Stellungskrieg fest steckt. Putin hat also die eigenen Fähigkeiten offensichtlich weit überschätzt, ein Charakterzug, der insbesondere für Narzissten nicht ungewöhnlich ist. Man kann also getrost davon ausgehen, dass die neuropsychiatrische Verfassung von Potentaten wie Putin diese immun gegen Veränderungen durch bloßen Handel und wirtschaftliche Anreize macht. Im Gegenteil, mit zunehmender industrieller Macht und finanziellen Möglichkeiten ausgestattet, dürfte ihr Größenwahn sogar noch gefördert werden. Wandel durch Handel hat es schließlich nicht nur den neoliberalen wirtschaftlichen Eliten im Westen ermöglicht sich zu bereichern, sondern es auch Autokraten ermöglicht, ihre wirtschaftliche und somit militärische Stärke weiter auszubauen. Folglich wäre eine robustere Haltung gegenüber autoritären Regimen notwendig, die das Prinzip „Wandel und dann erst Handel“ bevorzugt. Dieser Ansatz befürwortet, industrielles Wachstum und technologischen Transfer so lange zurückzuhalten, bis demokratische Transformationen tatsächlich stattgefunden hat.
Der Neoliberalismus und die Autokratie
Bei der Analyse der Reaktion des Westens auf kommunistische Diktaturen während des Kalten Krieges ist die Betrachtung der Eindämmungsstrategie wesentlich. Diese Politik, primär darauf ausgerichtet, die Ausbreitung sowjetischen Einflusses zu begrenzen, war ein Grundpfeiler des geopolitischen Ansatzes des demokratischen Westens in dieser Ära. Politisch und wirtschaftlich beinhaltete sie die Unterstützung nicht-kommunistischer Regierungen, wobei deren zum Teil undemokratische Praktiken leider zu oft übersehen wurden. Ideologisch förderte sie die Verbreitung liberaler marktwirtschaftlicher Demokratien als Gegenstück zur autokratischen kommunistischen Herrschaft. Dieser Ansatz hatte bedeutende Auswirkungen. Einerseits spielte er eine Rolle bei der Begrenzung der Expansion des sowjetischen Einflusses und trug zum letztendlichen Zerfall der Sowjetunion mit bei. Im Gegensatz dazu führt das heutige „Wandel durch Handel“ zu gegenteiligen Effekten und kann somit die Macht und somit die Aggressivität autokratischer Regime weiter stärken. Während der Westen im Kalten Krieg noch auf eine weitgehende Abschottung gegenüber den totalitären kommunistischen Systemgegnern gesetzt hat, ist dies nun nicht mehr der Fall. Schließlich kann man mit den großkapitalistischen Oligarchen der verschiedentlichen Autokratien gute und profitable Geschäfte machen. Mit den Kommunisten in den Planwirtschaftsdiktaturen während des Kalten Krieges war dies nicht ganz so einfach möglich. Der moderne neoliberale Kapitalismus scheint hier also unfähig bzw. unwillig zu sein, sich wirklich konsequent von Diktatorischen und Autoritären Geschäftspartnern abzugrenzen. Zu groß scheinen die Verlockungen des Profits zu sein. Die Lobbymacht der russischen Autokratie unter Putin lässt sich unter anderem daran erkennen wie leicht es für Gazprom war, sich die Gunst des SPD-Kanzlers Schröder zu erkaufen. Diese Käuflichkeit wird natürlich von Autokraten wie Putin im Zuge einer hybriden Kriegsführung nur allzu gerne genutzt, um die eigene Macht auszubauen. Die Grenzen zwischen dem neoliberalen Kapitalismus und den Autokratien werden somit zunehmend brüchig und durchlässig. Gerade die milliardenschweren überwachungskapitalistischen US Social Media-Konzerne haben die russischen Trollfarmen jahrelang weitgehend ungehindert bei ihrer Propaganda und Desinformationsarbeit gewähren lassen.
Verschwörungstheorien und Fake News bringen ja schließlich Interaktionen, erhöhen die Verweilzeit der Nutzer auf den Plattformen und bringen somit erhebliche Werbeeinnahmen. Daran sieht man, dass der neoliberale Kapitalismus keinesfalls per se für Liberalität und Menschenrechte eintritt, sondern psychopatisch veranlagten Machtsystemen geradezu Tür und Tor für den Missbrauch geöffnet hat, solange es dem Gewinnstreben dienlich war. Das betrifft freilich nicht nur ausländische Autokratien, sondern auch die in/ausländischen Rechtspopulisten wie Donald Trump oder AfD/Höcke. Nicht zuletzt die absichtliche Erzeugung von permanentem Stress und gefühlten Unsicherheiten kann gezielt dazu dienen, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Die AG Außenpolitik der Piratenpartei hat dazu übrigens ein interessantes Paper veröffentlicht:
Auch die Cambridge Analytica Leaks haben eindrücklich bewiesen, dass illegal erlangte Facebook Daten von der Firma Cambridge Analytica (CA) verwendet wurden, um die öffentliche Meinung zugunsten von Donald Trump zu manipulieren. Es ist eigentlich ziemlich eindeutig, dass Donald Trump ebenfalls einige Charaktereigenschaften der dunklen Triade besitzt, besonders offensichtlich die des Narzissmus. Der Aufstieg autokratischer Kräfte wäre somit niemals ohne die Unterstützung oder zumindest die passive Duldung durch die neoliberalen Wirtschaftseliten und überwachungskapitalistischen Großkonzerne möglich gewesen.
Macht korrumpiert die Besten
Die Konzentration von immer mehr Macht in immer weniger Händen begünstigt den Aufstieg von Oligarchen und später auch Autokraten. Die Weltgeschichte hat immer wieder deutlich gemacht, dass diktatorische Macht, sobald sie einmal erlangt wurde, in der Regel missbraucht wird. Die Idee, dass Macht selbst die Besten korrumpiert, findet in diesem Kontext tiefgreifende Resonanz. Bedeutende Denker der anarchistischen Theorie, wie z.B. Bakunin, argumentierten ausführlich gegen das Konzept des autoritären Staates und die inhärente Korruptibilität der Macht, selbst in den Händen scheinbar tugendhafter oder fähiger Personen. Ihre Ideen stehen im Einklang mit dem altbekannten Sprichwort: ‚Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut‘. Sie belegten, dass selbst der wohlmeinendste politische Führer durch Macht korrumpiert werden kann, wodurch die Vorstellung einer wohlwollenden Autokratie (egal ob links oder rechts) zur vollständigen Unmöglichkeit wird.
Zwar hat sich der Anarchismus als politische Utopie überlebt. Schließlich ist der demokratische Rechtsstaat das einzige bekannte wirksame Instrument, um das Machtstreben einzelner zu regulieren und zu beschränken. Die Idee einer staatenlosen freien Gesellschaft wird daher auf Dauer eine unerfüllbare Utopie bleiben. Jedoch lässt sich diese radikal Macht kritische Theorie durchaus für eine demokratische Realpolitik nutzen, um die dringende Notwendigkeit einer permanenten Machtbegrenzung und Machtumverteilung in liberalen Demokratien zu untermauern. Die Konzentration von zu großer Macht, sei es in politischen Ämtern oder in Vorstandsetagen von monopolistischen Unternehmen muss wachsam vermieden werden, um die Möglichkeit eines psychopathischen Machtmissbrauchs zu verhindern. Dies gilt insbesondere auch für oligarchische Konzerne, welche danach streben, eine Monopolmacht am freien Markt zu erlangen. Zu erwähnen ist hier, dass sich Machtmenschen, welche die Persönlichkeitsmerkmale der dunklen Triade besitzen, viel eher motiviert fühlen, mit allen geeigneten Mitteln nach Macht in Staat und Wirtschaft zu streben als der Durchschnitt. Aktuellen Studien zufolge sind Menschen mit psychopatischen und narzisstischen Persönlichkeitsmerkmalen etwa 3-4 mal häufiger in Machtpositionen vertreten als im Bevölkerungsdurchschnitt. Nur in Machtpositionen können diese ihr machiavellistisches Dominanzbedürfniss gut ausleben, aber auch enorm viel Schaden anrichten.
Quelle: https://www.zeit.de/karriere/beruf/2014-05/psychopathen-interview-psychologe-jens-hoffmann
Angesichts dieser Betrachtungen wird deutlich, dass innenpolitische Dynamiken und Außenpolitik eng miteinander verflochten sind. Eine Abkehr von einer Politik, die vom Lobbyismus der großen Konzerne dominiert wird, hin zu einem sozial gerechteren freien Markt, der wieder mehr mittelständischen Wettbewerb anstrebt, ist unabdingbar. Diese Neuorientierung betrifft nicht nur die Außenpolitik, sondern ist auch entscheidend, um dem Aufstieg oligarchischer Eliten und autoritärem Populismus im Inland entgegenzuwirken. Eine inklusive, soziale und partizipative Politik kann als Bollwerk gegen die aus konzernlobbyistischer Politik entstehenden Frustrationen dienen. Mit dem Ziel, so die Anziehungskraft autokratischer, psychopathischer und narzisstischer Populisten zu verringern.
Die direkte Volksdemokratie der Schweiz bietet ein beeindruckendes Beispiel für ein politisches System, das sich gegen die Übernahme durch Psychopathen oder Diktatoren als außerordentlich resilient erwiesen hat. Ihre Struktur der Machtumverteilung durch Volksabstimmungen, hat zu ihrer Stabilität und ihrem Wohlstand beigetragen. Die Rolle der Schweiz in der europäischen Geschichte ist daher sehr außergewöhnlich, da fast alle anderen europäischen Länder zeitgleich zahlreiche autoritäre Phasen und Diktaturen in ihrer Geschichte erlebt haben. Dieses zuverlässige und bewährte Modell könnte zu radikalen politischen Reformen inspirieren, die die Verteilung der Macht und die direkte Partizipation aller Bürger an der politischen Entscheidungsfindung betonen.
Position der Piratenpartei:
In einer Ära, in der demokratische Institutionen vielfältigen asymmetrischen internen und externen Herausforderungen durch aufstrebende Autokratien gegenüberstehen, bietet die Piratenpartei Deutschlands einen Leitfaden zur Revitalisierung der Demokratie durch partizipative Ansätze, wie zum Beispiel Volksabstimmungen.
Transparenz ist ein weiterer Grundpfeiler der Ideologie der Piratenpartei. In einem transparenten System sind Regierungshandlungen und wirtschaftliche Prozesse der öffentlichen Kontrolle zugänglich. Diese Offenheit ist aus zwei Gründen entscheidend: Sie hilft, Korruption und Machtmissbrauch zu verhindern, und sie fördert das Vertrauen in Institutionen. Persönlichkeiten, die dem psychologischen Spektrum der dunklen Triade angehören, dürften es unter diesen Bedingungen deutlich schwerer haben, mit manipulativen
Taktiken an Macht zu gewinnen. Indem sie sich für Gesetze einsetzt, die Transparenz bei Regierungsaufträgen, politischen Spenden und wirtschaftlichen Transaktionen vorschreiben, zielt die Piratenpartei darauf ab, eine besser informierte und engagiertere Bürgerschaft zu schaffen.
Angesichts weltweit zunehmender autokratischer Tendenzen bieten die Prinzipien der Piratenpartei eine tragfähige Alternative zur Stärkung demokratischer Ideen und Strukturen. Die Verbreitung und Entwicklung einer transparenten, direkten und partizipativen Demokratie im großen Maßstab ist entscheidend, um dem Aufstieg von Autokratien und Populismus entgegenzuwirken. Durch die direkte Einbindung der Bürger in den Entscheidungsprozess und die Gewährleistung von Transparenz und Rechtsschutz können Demokratien widerstandsfähiger werden.
Zusammenfassend präsentiert der Ansatz der Piratenpartei ein überzeugendes Modell zur Revitalisierung und Stärkung demokratischer Praktiken. Während autokratische Regime an Macht gewinnen, könnte die Übernahme und Anpassung dieser Prinzipien insbesondere auch im Wirtschaftsleben als globale Alternative zum überholten Neoliberalismus entscheidend sein, um demokratische Werte und Institutionen zu bewahren und zu stärken. Dieses partizipative Modell begegnet nicht nur den unmittelbaren internen Herausforderungen durch autoritären Populismus, sondern legt auch den Grundstein für eine engagiertere, informiertere und ermächtigte Bürgerschaft, die in der Lage ist, die Demokratie für zukünftige Generationen zu schützen und sozialer zu gestalten.
Redaktionsmitglied Max Kehm
Seit 2009 netzpolitisch und bei den Piraten aktiv. Technikenthusiast und Künstler mit Interesse an philosophischen und intellektuellen Themen.