Was hörten wir nicht alles in der Ausspähaffähre, die durch Enthüllungen von Edward Snowden ausgelöst wurde? Die NSA belauscht jeden von uns, das steht fest. Doch nicht nur “irgendwo” auf der Welt, nein, auch hier in Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt, Griesheim, im Örtchen Norden in Ostfriesland und wahrscheinlich noch immer in Bad Aibling. Wir erfuhren, dass dass auch das Brüsseler Ratsgebäude, die UN-Zentrale in New York und die EU-Vertretungen in Washington verwanzt sind. Somit ist kein Dokument, keine Videokonferenz und kein Terminkalender mehr sicher. Wir erfuhren, dass in den Netzwerkomponenten von Cisco, unangefochtener Marktführer, Hintertüren zum leichteren Abhören eingebaut sind und Windows derart viele Sicherheitslöcher enthält, dass es als ausgeschlossen gelten kann, dass dies Zufall ist. Überflüssig zu erwähnen, dass auch Serverhersteller, hier sei Hewlett-Packard exemplarisch genannt, sich etwas nettes einfallen lies um es Überwachern leicht zu machen – vorausgesetzt, sie haben den geheimen Zugangscode. Dazu warnten IT-Experten der Bundesregierung sogar vor Windows 8 – ebenfalls wegen einer Hintertür.
Die Regierung gab sich derweil betont entspannt. Die medial verabreichten Beruhigungspillen reichten von “auf deutschen Boden gilt deutsches Recht” bis zu “alle Vorwürfe entpuppten sich als Hirngespinst”. Einzig die Ausspähung in Brüssel lies Frau Merkel kurz die Sirn in Falten ziehen – um sie nur wenige Augenblicke später wieder weg zu lächeln.
Derweil schlugen Sicherheitsexperten Alarm. Sie warnten vor Clouddiensten, empfahlen E-Mails immer zu verschlüsseln und, wo immer dies möglich ist, Open-Source-Software einzusetzen. Hier ist die IT im Bundestag nicht ganz schlecht aufgestellt. Zwar laufen die Mailserver unter Windows, als Mailprogramm ist bei den Abgeordneten aber Thunderbird installiert. Das gilt, nicht nur wegen des frei zugänglichen Quellcodes, als sicher. Es hat zusätzlich den Vorteil, dass sich mit zwei Zusatzprogrammen, nämlich Enigmail und GPG4win, eine sichere Verschlüsselung von E-Mails erreichen lässt. Da stört es dann auch nicht, wenn ein Lauscher sich auf dem Server in Keller die Daten abgreift – die Verschlüsselung hat das Mailprogramm erledigt – unkaputtbar.
Nun hat der Ältestenrad den Bundestags [update]erneut[/update] beschlossen, dass Thunderbird deinstalliert, und Outlook von Microsoft installiert wird. Damit können ebenfalls verschlüsselte Mails geschrieben werden. Nur kann niemand in den Quellcode von Outlook rein schauen um zu prüfen, ob da nicht eine Hintertür ist, die es ermöglicht den Text vor der Verschlüsslung abzugreifen. Zukünftig stehen die Abgeordneten also gänzlich ohne eine Möglichkeit der sicheren Kommunikation da.
Tiefer kann eine Unterwerfung nicht ausfallen. Vollkommener kann dem Bundestag nicht jedes Selbstwertgefühl genommen werden, härter kann der Kniefall nicht sein, schallender kann die Ohrfeige nicht ausfallen, mit der allen Abgeordneten gezeigt wird, wie sinnlos jede Auflehnung ist.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.