Die Aktion 108e ist ein Thema, bei dem jeder Pirat sich ganz einfach beteiligen kann. Die Argumente sind klar, alles was wir tun müssen ist auf die Straße gehen und Unterschriften sammeln. Das Thema ist wichtig, es passt perfekt zu den Piraten und wird darum auch vom Bundesvorstand forciert. Um diese Aktion so zu unterstützen, wie es ihr gebührt, möchten wir es euch ein bisschen näher bringen. Dafür haben wir Tirsales interviewt.
– Hallo Tirsales, stell dich doch bitte kurz vor.
Mein Name ist Sebastian Nerz, ich bin 27 Jahre alt und gerade beim Abschluss meines Bioinformatik-Studiums an der Uni Tübingen. In der Piratenpartei aktiv bin ich in diversen Arbeitsgruppen (u. a. Ansprechpartner der AG Landespolitik BaWü), seit April bin ich Vorsitzender des Landesverbands Baden-Württemberg. Meine Politischen Schwerpunkte sind dabei staatliche Transparenz / Bürgerrechte und Bildungspolitik.
– Warum engagierst du dich für die Aktion 108e?
Korruption ist ein wichtiges Thema – denn Korruption ist das Gegenteil staatlicher Transparenz und es ist immer eine Einschränkung demokratischer Rechte bzw. Gleichbehandlung. Wenn man sich eine Stimme kaufen kann – wird eine Wahl eigentlich hinfällig. Dass Deutschland seit Jahren ein sehr laxes Strafrecht zur Abgeordnetenbestechung hat sollte eigentlich allen klar sein – oder erinnert sich jemand an eine tatsächliche Verurteilung wg. Bestechlichkeit? Anlässe gab es ja genug (bspw. die ominösen Kofferspenden der CDU, Rent-A-Rüttgers-Affäre, Mövenpick, etc.) – aber geschehen ist nie etwas.
Dass der Bundestag dann eine öffentliche Behandlung dieses Themas – bzw. einer entsprechenden Petition – abgelehnt hat … zeigt für mich, dass ihm dieses Thema sehr unangenehm ist. Mir ist es wichtig zu wissen, WARUM das der Fall ist – und mir ist es wichtig, auf Dauer eine angemessene rechtliche Behandlung der Abgeordnetenbestechung zu erreichen. Dabei geht es nicht darum, Abgeordnete pauschal zu verurteilen, ihnen pauschal Bestechlichkeit zu unterstellen oder Rufmord zu erleichtern – sondern eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema zu erreichen.
In der BRD ist alles gesetzlich geregelt – nur die Abgeordnetenbestechung nicht? Das ist für mich nicht hinnehmbar. Die Bevölkerung verliert immer mehr das Vertrauen in die Politik (“Die sind sowieso alle käuflich” ist einer der meistgehörten Sätze auf der Straße!) – und das stellt ein echtes Problem für eine Demokratie dar. Mangelndes Vertrauen in die Politik bedeutet auch mangelnde Akzeptanz politischer Entscheidungen, mangelnde Beteiligung der Bürger und sinkende Wahlbeteiligung – und damit eine Verschärfung dieses Teufelskreises.
Die Ablehnung der öffentlichen Behandlung war für mich dann Anlass genug zu sagen: “Wir müssen etwas unternehmen, wir müssen das Thema endlich an die Öffentlichkeit bringen” – also habe ich die ‘Initiative 108e’ ins Leben gerufen und begonnen, online und auf der Straße Unterschriften zu sammeln. Neben allem anderen verwalte ich jetzt also die eingehenden Unterschriften, beantworte Fragen zur Initiative und zum Thema Abgeordnetenbestechung und knüpfe Kontakte mit anderen Initiativen und Gruppierungen. Es ist schließlich ein wichtiges Anliegen, das ein hohes Öffentlichkeitsinteresse hervorrufen kann!
– Mit welchen Initiativen und Gruppen stehst du dazu in Kontakt?
Eigentlich versuche ich, Kontakte mit allen Gruppen zu knüpfen, die sich für Demokratie, Bürgerrechte und Transparenz einsetzen. Transparency International und Mehr Demokratie fallen da natürlich sofort ein.
– Was wird noch getan, um die Aktion zu unterstützen?
Aktuell gibt es einen Videowettbewerb (auch im Wiki), zu dem noch bis zum 08.08. Videos eingereicht werden können, die zeigen, warum Abgeordnetenbestechung relevant ist oder was man dagegen tun könnte.
Die Piratenpartei hat kürzlich größere Mengen an Infomaterialien und Plakaten bestellt und wird diese an die Stammtische verteilen, damit Infostände bestückt werden können. Wir versuchen, in sozialen Netzwerken zu informieren, und werden Kontakte mit Bloggern aufbauen, um im Internet ein Verständnis für das Problem zu schaffen. Auch Pressemitteillungen wird es in nächster Zeit geben – unser Ziel ist es, in die klassischen und die Web 2.0 Medien zu kommen. Deshalb freuen wir uns, hier vertreten zu sein. Wir wollen bald alle Abgeordneten anschreiben und entsprechende Briefe für jeden Interessierten zur Verfügung stellen.
Ansonsten kann jeder einzelne helfen – auf seinem Blog über die Initiative schreiben, Bekannte informieren, Unterschriften sammeln, etc. Wir bekamen sogar eine Anfrage, ein offizielles Interview mit einem YouTube-Reporter zu führen …
Viel wäre erreicht, wenn wir die 50.000 Unterschriften zusammen kriegen – dann müsste das Thema im Petitionsausschuss behandelt werden, ein Vertuschen wäre nicht mehr möglich. 50.000 Unterschriften sind nicht so viel – wenn von 10.000 Leuten jeder fünf sammeln würde, wäre das erreicht … wenn 1.000 Personen jeweils 50 sammeln – aus (einige Aktive haben alleine schon mehrere hundert Unterschriften beisammen).
– Wie viele Unterschriften sind bereits gesammelt?
Das ist schwierig zu beantworten – wir sammeln dezentral. Viele Stammtische und lokale Gruppierungen sammeln Unterschriften, haben mir aber bislang noch nicht alle zugeschickt. Laut unserem Wiki sind es bislang etwas mehr als 4.000 Unterschriften (über die 108e.de Homepage kamen auch einige)
– Hast du ein paar Tipps, wie man die Leute auf der Straße am besten überzeugt?
An sich gibt’s kein Patentrezept für Überzeugungsarbeit … Der Wortlaut und die Schlussfolgerungen von §108e StGB sollten aber eindeutig sein. Spätestens in Besinnung an die ‘100.000 Mark im Koffer’ und ‘Mehrwertsteuer runter, Spendenkonto rauf’ – Unklarheiten, die leider nicht im Öffentlichkeitsinteresse untersucht wurden, dürften selbst Nichtwähler aufhorchen! Schließlich soll diese Lücke im Interesse der Allgemeinheit entfernt werden …
– Was sind die häufigsten Fragen zur Initiative?
Ob es wirklich stimmt, dass die BRD hier Nachholbedarf hat, warum die Petition nicht online verfügbar ist und was man noch tun könnte, um die Initiative zu unterstützen.
– Warum wurde die Petition nicht zur Onlineabstimmung freigegeben?
Das kann leider nur der Bundestag beantworten. Bis jetzt wurde sich hierzu nicht geäußert, was ich sehr bedauerlich finde, und obendrein geeignet ist, einen falschen Eindruck vom Petitionsausschuss und dem BT zu bekommen! Jedenfalls fällt mir kein plausibler Grund ein, den ich den MdB’s unterstellen möchte …
– Gab es schon ähnliche Aktionen, um Abgeordnetenbestechung als solche in das öffentliche Interesse zu setzen?
Es gibt immer wieder Aktionen von beispielsweise Transparency International, aber wenige die sich direkt nur auf Abgeordnetenbestechung beziehen. Allerdings hatte die Plattform Campact! eine Aktion unter dem Titel ”Wie viel kostet der Atomausstieg?” gestartet, bei welcher Personen aufgefordert wurden, den Abgeordneten ihres Wahlkreises zu bestechen! Allerdings ohne Erfolg …
– Was kann es für Argumente gegen eine Änderung des Artikels geben?
Einzelne Abgeordnete argumentieren gegen eine Verschärfung, weil Abgeordnetenbestechung sowieso nicht beweisbar wäre und damit dem Rufmord Tür und Tor geöffnet würde … In der Mehrzahl der Länder dieser Welt ist die Abgeordnetenbestechung deutlich weitgehender gefasst als bei uns [vgl.]. Die BRD befindet sich damit auf einer unrühmlichen Linie mit bspw. Griechenland (im letzten Jahr u. a. von Abgeordneten massiv wg. Korruptions-Auswüchsen kritisiert) und Italien (ebenso).
Und was die Beweisbarkeit angeht – selbstverständlich wäre Abgeordnetenbestechung beweisbar. Vielleicht nicht immer, vielleicht nicht überall – wie das bei Korruption nun mal ist – aber dass es schwierig ist, ein Vergehen zu verfolgen, heißt noch lange nicht, dass wir es gar nicht versuchen sollten! (Mal ganz abgesehen davon, dass dem BT die Beweisbarkeit und Verfolgbarkeit bei der Verschärfung des UrhG völlig egal war!)
Übrigens: Das Strafrecht zur Bestechlichkeit bei Beamten ist deutlich schärfer gefasst als bei Abgeordneten – da ist es also auf einmal beweisbar? Unverständlich, wenn man von einer niedrigeren Verantwortung im Vergleich zu MdB’s ausgeht.
– Vielen Dank, Sebastian, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!