Hallo Bastian. Hallo Kathi. Es ist schön, dass ihr euch dieses wichtigen Themas annehmt. Wie kam es zu dieser Beauftragung?
Bastian: Der ganze Urheberrechts- und Lizenz-Komplex begleitet mich jetzt schon seit ein paar Jahren und so hab ich natürlich auch die fatalen Urheberrechts-Änderungen der letzten Jahre mit verfolgt. Seitdem im Juni die ersten Anhörungen zum Dritten Korb begonnen haben, hat sich bei den Piraten nicht mehr viel zu dem Thema getan (vgl. http://web.piratenpartei.de/Pressemitteilung-100613-Presseverleger-Wissenschaftler-oder-Nutzer-Wer-kriegt-den-Dritten-Korb). Inspiriert durch die gute Arbeit durch die Beauftragungen bei INDECT, ACTA & Co habe ich zusammen mit Kathi überlegt, ob es nicht sinnvoll wäre so etwas auch für den 3. Korb zu initiieren. Nachdem wir das Thema mit Wolfgang Dudda und Andreas Popp besprochen haben, kam es dann zu der Ausschreibung, für die sich sowohl Kathi als auch ich beworben haben. Und obwohl die Beauftragung vorläufig nur auf mich gefallen ist, werden wir das Thema zusammen bearbeiten. Gerade weil Kathi in Berlin bei den meisten Veranstaltungen direkt vor Ort mitwirken kann, bietet sich das natürlich besonders an.
Kathi: Ich war von Bastians Idee auch gleich begeistert. Durchs Studium (elende Theorie…) und durch die Arbeit in einer wissenschaftlichen Bibliothek (noch elendere Praxis) habe ich leidvolle Erfahrungen mit dem aktuellen Urheberrecht gemacht. Wenn nun um den Dritten Korb gerungen wird, müssen die Piraten dringend für die Rechte der Nutzer eintreten. Besonders die Privatnutzer – die wir alle sind – haben so gut wie keinen Fürsprecher in diesen Beratungen. Ich habe aber nur wenig Hoffnung, dass bei den nächsten Anhörungen die Piratenpartei irgendwie einbezogen wird. Das, was wir bisher davon mitbekommen konnten, kam ausschließlich von den wenigen engagierten Urheberrechtlern und Wissenschaftlern, die angehört wurden. Die spärliche Presseberichterstattung drehte sich fast nur um eigenes Terrain, das Leistungsschutzrecht für Presseverleger.
Um was handelt es sich überhaupt genau bei dem dritten Korb?
Bastian: Als „Dritter Korb“ wird das dritte „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ bezeichnet, das derzeit von Justizministerium und Bundestag vorbereitet wird. Die umfangreiche Reform des deutschen Urheberrechts wurde durch die Richtlinie zum Urheberrecht im Informationszeitalter der Europäischen Union von 2001 nötig. Und obwohl der Titel der Richtlinie und der Gesetze sich so fortschrittlich anhört, sollte man sich davon unter keinen Umständen blenden lassen. In den ersten beiden „Körben“ wurde das Urheberrecht unter dem Einfluss der Verwerter-Lobby und auf Kosten der Allgemeinheit massiv verschärft.
Kathi: Die bekanntesten Beispiele dafür sind in Piratenkreisen wohl das Verbot von „offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlagen“ Privatkopien anzufertigen und der rechtliche Schutz von DRM-Systemen. Aber auch im Bereich Bildung und Wissenschaft wurde die Nutzung von geschützten Werken in Intranets sehr restriktiv, um nicht zu sagen, realitätsfern gefasst. Diese Sachen wurden bereits im Ersten Korb 2003 durch die rot-grüne Koalition beschlossen.
Dem Zweiten Korb von 2007 verdanken wir schließlich die Kriminalisierung von Peer-To-Peer-Tauschbörsen und die anschließenden Massenabmahnungen. Aber zum Beispiel auch, dass Bibliotheken digitalisierte Werke an Computer-Arbeitsplätzen nur so häufig anzeigen dürfen, wie analoge Varianten im Bestand vorhanden sind. Die sich durch die Digitalisierung ergebenden Chancen wurden hier eindeutig verspielt. Und die Bedingungen in der Privatkopie-Schranke wurden in beiden Gesetzen so weit ausgedehnt, das diese heute praktisch nicht mehr zu gebrauchen ist.
Bastian: Und es ist zu befürchten, dass sich die Lage nach dem Dritten Korb nicht verbessern, sondern noch weiter verschlechtern wird…
Wie weit ist denn der Prozess um den dritten Korb?
Bastian: Die Arbeit an dem Dritten Korb hat im Juni diesen Jahres angefangen. Federführend war bisher das Bundesjustizministerium, weshalb die Konsultationen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. Und so hatten nicht nur wir als Piraten keine Möglichkeit daran teilzunehmen, sondern es wurde auch die breite Öffentlichkeit so ihrer Mitwirkung in diesem Stadium beraubt. Stattdessen wurden mit den Lobbyvertretern der Verwertungsindustrie mal wieder die üblichen Verdächtigen an den Tisch gebeten. Wenn im nächsten Jahr der Deutsche Bundestag bzw. der Rechtsausschuss die Beratungen übernimmt, hoffen wir, dass dies transparenter geschieht.
Einer der zentralen Punkte soll zumindest das Urheberrecht für den Wissenschafts- und Bildungssektor sein. Bislang wurden Forderungen seitens der Wissenschaftsgemeinschaft immer vertröstet, und so ist es kein Wunder, dass Deutschlands Open-Access-Bewegung in vielen Bereichen noch in den Kinderschuhen steckt. Wir unterstützen die Forderungen des Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ und hoffen, dass dieser Zusammenschluss von zahlreichen Wissenschaftsorgansiationen genug Gehör findet. Und auch wenn mittlerweile viele Fraktionen angekündigt haben ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht zu begrüßen, sollte man hier weiterhin wachsam sein.
Kathi: Außer zur Förderung von Open Access hat man wenigstens noch eine Anhörung zum Problem der „verwaisten Werke“ durchgeführt. Das sind solche nicht wenigen Werke, dessen Rechteinhaber nicht auffindbar oder feststellbar sind. Dies ist bei einem Urheberrecht, das 70 Jahre nach dem Tod des Urheber andauert, schon beinahe vorprogrammiert, zumal bei Werken, an denen mehrere Personen beteiligt sind wie zum Beispiel Filme. Das Fatale an der Situation ist, dass zum Beispiel Archive und Museen, die solche Werke gerne digitalisieren und verfügbar machen würden (und es wegen Medienzerfalls sogar müssen!), dies nicht dürfen bzw. sich strafbar machen, wenn sie es dennoch tun. Im Zweifelsfall können sie für ihre Arbeit, das kulturelle Erbe zu erhalten, verklagt werden. Dieses Risiko gehen öffentliche Institutionen – im Gegensatz zu Google – in der Regel nicht ein. Hier müssen also dringend Regelungen geschaffen werden, die den allgemeinen Zugang zu diesen Werken ermöglicht und sichert.
Bastian: Ein wichtiger Punkt bei dem wir Piraten die Augen unbedingt offenhalten und aktiv werden sollten, ist das Leistungsschutzrecht für Presseverleger, das in den letzten Wochen und Monaten oft durch die Medien geisterte. Die Verlage arbeiten auf ein eigenes Schutzrecht hin, durch das zur Vervielfältigung nutzbare Geräte mit Abgaben belegt werden sollen. So wie Urheber bzw. Verwerter durch Pauschalabgaben auf Druckern, CD-Rohlingen, Computern etc. entschädigt werden, wollen die Verleger nun ihre „Leistung“ noch einmal zusätzlich entlohnt haben. Dabei ist besonders bedenklich, dass sich die Entwüfe der Verlage gegen Suchmaschinen wenden. Dienste, die nur kleine Informations-Häppchen aggregieren, remixen und verlinken, wie Google News beispielsweise, sollen so nicht nur zur Vergütung gezwungen werden. Gleichzeitig wollen die Verlage ein Verbotsrecht eingeräumt haben. Damit wackelt sogar die Freiheit des Zitats und damit die Informations- und Meinungsfreiheit! Leider hat sich die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bisher hinter diese Forderung gestellt (vgl. http://donutpiraten.wordpress.com/2010/06/16/sls-die-berliner-rede-zum-lexspringer/)
Kathi: Darüber hinaus sind Dinge wie eine weitere Einschränkung der Privatkopie und auch ein Verbot intelligenter Aufnahmesoftware für Webradios im Gespräch. Es gibt also mehr als genug Gründe, wieso wir uns sorgen sollten.
Und was können wir Piraten dagegen unternehmen?
Bastian: Damit der Dritte Korb nicht zu so einem der Allgemeinheit schädlichen Machwerk verkommt, müssen auch wir Piraten jetzt aktiv werden. Und das heißt vor allem den Widerstand in der breiten Bevölkerung zu aktivieren und so gut es geht zu bündeln, um das Feld nicht wieder der Verwerter-Lobby zu überlassen. Im ersten Schritt sind wir gerade dabei hier den Kontakt zu ähnlich eingestellten Organisationen herzustellen. Und da das Feld Urheberrecht kein gerade Kleines ist, brauchen wir natürlich noch Unterstützung. Sei es durch Leute, die in der Materie bereits tief drin stecken, sei es durch Leute die Werbematerial entwerfen können, Texter und ja: Eigentlich all diese Dinge, die man für eine Kampagne benötigt. Denn auch wenn der Gesetzesentwurf noch vergleichsweise am Anfang steht, sollten wir uns darauf einstellen, dass wir auch mit diesem Thema auf die Straße müssen.
Kathi: Und wenn man weiterdenkt, ist eine breite Diskussion und eine weitergehende Positionierung der Piraten zum Urheberrecht natürlich sehr wichtig. Auch da gibt es noch viel zu tun, wie man bei den Diskussionen zu den Urheberrechts-Anträgen auf dem Parteitag in Chemnitz gesehen hat. Aber das ist eine andere Baustelle. 🙂
Wenn ihr uns also in dem Kampf um den Dritten Korb unterstützen wollt, dann meldet euch bei Bastian oder Kathi.
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