Am Wochenende wurde bekanntgegeben, dass die Piratenparteien international koordiniert Wikileaks unterstützen. Die Flaschenpost hat sich mit Wolfgang Dudda, Daniel Flachshaar aus dem Bundesvorstand sowie Gregory Engels von der PPI über die genaueren Umstände unterhalten.
Flaschenpost: Hallo Daniel, hallo Wolfgang, hallo Gregory. Am Sonntag wurde bekanntgegeben, dass die Piratenparteien international – auch in Deutschland – die Verfügbarkeit von Wikileaks gewährleisten. Wem verdanken wir diese Idee?
Daniel: Das Konzept, die Wikileaks-Inhalte zu spiegeln ist natürlich nicht neu, aber da in letzter Zeit viele der Spiegelserver abgeschaltet wurden, war es wichtig, dass neue bereitgestellt werden. Wir sind sehr stolz, dass die Piratenparteien aus vielen Ländern der Welt sich daran beteiligen.
Flaschenpost: Wie genau ist das abgelaufen?
Wolfgang: Am letzten Freitag trafen wir, die Österreicher, die Schweizer und die Luxemburger uns auf dem Schweizer Mumbleserver und haben diskutiert, ob und wie wir es machen wollen. Nach dem Entschluss, es zu machen, haben wir dann eine „ToDo-List“ aufgestellt. Die haben wir dann über´s Wochenende bedient. Wir Deutschen haben den Part mit der technischen Umsetzung des „Loadbalancers“ übernommen. Die Arbeiten sollten dann bis zur nächsten Konferenz am Sonntagabend um 20:00 Uhr erledigt sein. Am Sonntagabend konnten wir dann neben den o.a. Piraten auch die aus der Tschechischen Republik und Russlands begrüßen, die selbst schon Mirror aufgesetzt hatten. Alle hatten ihre „Hausaufgaben“ gemacht, so dass wir tatsächlich um kurz nach 20:00 Uhr die vorbereitete PM online stellen konnten, aus der hervorgeht, was die Piraten international binnen weniger Tage auf die Beine gestellt bekommen haben.
Daniel: Ein interessanter Fakt ist übrigens, dass die russischen Piraten sich entschieden haben, die Cablegate-Inhalte ins Russische zu übersetzen, um sie der gesamten Bevölkerung verständlich zu machen.
Gregory: Ja, diese Übersetzungen werden übrigens auch über die „Translation Task Force“ der PPI abgewickelt, und es werden dementsprechend mehr Übersetzer gesucht, denn immerhin enthalten die Wikileaks Dokumente fast 4000 Depeschen aus der Moskauer Botschaft.
Flaschenpost: Welche Länder/Piraten beteiligen sich?
Wolfgang: Zu Beginn waren es Österreich, die Schweiz, Luxemburg, Russland, die Tschechische Republik und Deutschland. Mittlerweile sind auch die Holländer dabei und weitere Länder, die das noch vorbereiten wie z.B. Argentinien.
Flaschenpost: Wie waren die Reaktionen von der Presse – auch international?
Wolfgang: Die Reaktionen waren überwältigend, wie man ja immer noch auf Google sehen kann. Wir Piraten haben durch unsere Aktion andere ermutigt, es uns gleich zu tun. Wir wollen damit wie ein Schutzschild für alle wirken. An uns als Partei traut man sich nicht so leicht heran wie an „kleine“ Privatspieler.
Daniel: Vor allem ist beeindruckend, dass durch das Bekanntwerden der mehrfachen Spiegelung viele andere Nutzer begonnen haben, die Inhalte zu spiegeln, so dass aktuell mehr als 700 Server weltweit dafür zur Verfügung stehen.
Gregory: Wir von der PPI haben auch eine Pressemitteilung herausgegeben, um auf die Aktivitäten unserer Mitglieder hinzuweisen, was zu Anfragen auch an die eher kleinen und sonst selten in der Presse vertretenen Piratenparteien geführt hat. So habe ich von vielen gehört, sie seien mit Interviewanfragen „überrannt“ worden, so z.B. in Luxemburg, Serbien, der Tschechischen Republik… Wir haben auch Anfragen erhalten, die wir fleißig weiterleiten.
Flaschenpost: Ist dieses Vorgehen in allen teilnehmenden Staaten legal?
Daniel: Meines Wissens verhält es sich in den teilnehmenden Staaten ähnlich wie in Deutschland. Die Spiegelung der Wikileaks-Inhalte ist nicht strafbar, da diese schon vorher veröffentlicht waren.
Flaschenpost: Für die Nerds unter uns: Was genau wird technisch gemacht?
Wolfgang: Die Server der Piratenparteien werden mit einander verbunden und es wird ein Load Balance gestaltet, der dafür sorgt, das Abrufspitzen verteilt werden können und alles auf diese Weise stabil abrufbar bleibt. Das Skript dazu stammt aus der Bundes-IT.
Flaschenpost: Wie geht es nun weiter? Wie sicher ist Wikileaks auf unseren Servern? Und sind unsere Server sicher, oder sind unsere Inhalte bald auch weg?
Daniel: Natürlich können wir nicht absolut sicher sein, dass sich nicht eine Lücke findet, die es ermöglicht, dass uns das Spiegeln der Inhalte verboten wird. Aber da so viele andere Länder auf unseren Zug aufgesprungen sind, wird es quasi unmöglich sein, die Wikileaks-Inhalte komplett zu vernichten.
Wolfgang: Wir haben keinen Mirror auf unsere Hauptserver gelegt, damit unsere IT so oder so erreichbar bleibt.
Gregory: Ich denke, die Piraten weltweit werden sich weiter in Richtung Pressefreiheit und Whistleblowingschutz positionieren mit weiteren kreativen eigenen Projekten – wie mit dem schon genannten ruleaks.net Projekt der Piratenpartei Russlands, oder wie die Piratenpartei Tschechiens, die eine eigenständige, auf tschechische Inhalte gerichtete Plattform aufbauen.
Flaschenpost: Auf Twitter und anderen Kommunikationsplattformen wird die systematische Abschaltung von Servern inzwischen als „Krieg“, oder gar als „erster digitaler Weltkrieg“ bezeichnet. Wie seht ihr das?
Daniel: Den Begriff „Krieg“ finde ich in diesem Zusammenhang etwas übertrieben. Wikileaks hat durch Cablegate eine Welle losgetreten und viele Nutzer von „Geheimdaten“ haben nun natürlich Angst bekommen, was als nächstes veröffentlicht wird. Daher wehren sie sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen. Es wird allerdings ein Kampf bleiben, den sie auf Dauer niemals gewinnen können. Es ist eher davon auszugehen, dass sich nun noch mehr Menschen zum Whistleblowing ermutigt fühlen. Dazu gehört natürlich auch, dass wir allen bedrohten Whistleblower-Plattformen anbieten, bei uns ein Refugium zu finden. Ich würde mir wünschen, dass bald auch vermehrt deutsche Inhalte ans Tageslicht kommen, da sich Wikileaks ja momentan größtenteils auf internationale Inhalte beschränkt.
Wolfgang: Wir garantieren mit unserer Aktion die Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet. Wir verteidigen beide Werte entschlossen. Verteidigung findet üblicherweise vor Gericht und im Krieg statt. So gesehen glaube ich schon, dass wir uns in einem „Krieg“ befinden. Die weitergehenden „Aktionen“ von Amazon, Mastercard, PayPal und anderen belegen dies doch. Es werden Druck machende Allianzen geschmiedet, die denen helfen sollen, die unsere wichtigen Werte bekämpfen. Wenn wir den Begriff „Krieg“ verwenden, geben wir der Sache nach meiner Meinung auch die richtige Bedeutung.
Vielen Dank, euch dreien, für eure Zeit und eure Antworten. Ich denke es ist nicht gewagt zu sagen, dass auch durch euer Engagement seit dem Wochenende viele Piraten (wieder) stolz sind, Piraten zu sein.