In Tübingen wollte die dortige Schülermitverantwortung (SMV) einen Infoabend zur Politik veranstalten. Hierzu sollten neben den im Landtag vertretenen auch die Linke und die Piratenpartei eingeladen werden, da sie laut Einschätzung als die relevantesten außerparlamentarischen Parteien gelten.
Unter fadenscheinigen Credo dürfen nun auf Weisung des Regierungspräsidiums weder die Linke noch die Piratenpartei an dieser Diskussion teilnehmen. Dies wird recht dünn mit der Neutralitätspflicht der Schulen begründet. Dabei ist laut Kultusministerium eine solche Podiumsdiskussion legitim, solange alle im Landtag vertretenen Parteien eingeladen werden. Dass darüber hinaus keine weiteren Parteien eingeladen werden dürfen, ist nicht erwähnt. Dennoch sieht das Regierungspräsidium (RP) keinen Spielraum. Die Aussperrung der Piratenpartei und der Linken begründet der RP-Sprecher Oliver Knörr mit der „Gleichbehandlung“ der nicht im Landtag vertretenen Parteien: „Dann müsste man auch die anderen einladen und ihnen das gleiche Forum bieten.“
Roman Kremer, der betroffene Kandidat der Piratenpartei im Wahlkreis Tübingen, ist enttäuscht. Der Landesvorsitzende der Piratenpartei Sebastian Nerz kommentiert dies mit den Worten: „Das Verhalten des Kultusministeriums ist fragwürdig“. Generell sei es „sehr schwierig zu erfahren, was die Richtlinien sind. Bei Nachfragen wird man nicht richtig oder gar nicht beraten oder es werden kaum Auskünfte erteilt. Einer unser Schwerpunkte war von Anfang an die Bildungspolitik“. Er verweist damit auf das sehr detailliert ausgearbeitete Wahlprogramm zum Thema Bildung in Baden-Württemberg. Für die Piraten sei es schwierig genug „die Wähler zu erreichen und die Themen zu präsentieren“, umso schwerwiegender sei dadurch die Aussperrung.
Selbst innerhalb des Landtages kommen indes Zweifel auf, ob und wie eine solche Aussperrung gerechtfertigt ist und ob es richtig sei politisches Engagement seitens des SMV so zu ersticken. Eine Diskussion zwischen den politischen Parteien des Landtages und den außerparlamentarischen Parteien wird mit Spitzfindigkeiten seitens der noch amtierenden Regierung unterbunden und torpediert. Es scheint als wolle man die beiden Parteien kategorisch isolieren, aus Angst noch mehr Stimmen zu verlieren.
„Wenn junge Leute sich für die Demokratie engagieren, sollten sie nicht frustriert werden“, sagte Ulrich Narr, der persönliche Assistent des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer am Nachmittag.
Da es somit keine schulische Veranstaltung ist, greifen die Neutralitätsforderungen des Kultusministerium und des Regierungspräsidiums nicht mehr. Schade ist, dass engagierte SchülerInnen direkt lernen, stumpfer Paragraphenreiterei mit Winkelzügen beizukommen. Bleibt zu hoffen, dass die Podiumsdiskussion inhaltlich sinnhaftiger läuft als die vom Kultusministerium angedachten Rahmenbedingungen, Jugendliche mit der Vielfalt von Politik und landespolitischen Themen in Berührung zu bringen.
Quelle:
http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Ministerium-sperrt-Piratenpartei-und-Linke-von-Schul-Podium-aus-_arid,123468.html