Wolfgang Preiss, Streamingpirat aus Bayern, war beruflich in China. In seinem Blog http://wolfgangp.wordpress.com berichtet er von den Einschränkungen im Internet, von Überwachung sowie dem Unterschied zwischen Reich und Arm. Die Flaschenpost fasst diese Berichte zusammen, um sie einem grösseren Publikum bekannt zu machen.
Internet
Ich war nun 2 Wochen beruflich in China (genauer in Jiaonan, Qingdao). Dies war mein erster Aufenthalt in China, und es gibt so einige Erfahrungen die ich verbloggen will. Hier nun der erste Teil: Internet.
Als relativ frischer Besitzer eines Samsung Galaxy Tabs war es für mich natürlich unvorstellbar, ohne Internetverbindung aus dem Haus zu gehen. Also habe ich mich vorab informiert und mir nach Ankunft am Airport Qingdao eine Prepaid-G3-Karte zugelegt. Meine Wahl fiel hier auf China Unicom, was grundsätzlich nicht schlecht war, im Nachhinein wäre jedoch China Mobile besser gewesen.
Auslandstelefonie und Erreichbarkeit aus dem Ausland: Grundsätzlich sind Prepaid-Sim-Karten für Auslandstelefonie, sowohl ausgehend als auch eingehend, gesperrt. Man kann diese jedoch in einer Vertretung des Providers, mit der Vorlage des Passes, freischalten lassen. Allerdings haben mir hier das chinesische Neujahrsfest und die schlechte Verbreitung von China Unicom in Jiaonan einen Strich durch die Rechnung gemacht. China Mobile hätte 2 Straßen weiter ein Büro gehabt, wo andere deutsche Monteure ihre Karten haben freischalten lassen. Mit China Unicom sind Telefonate innerhalb von China jedoch problemlos möglich, witzigerweise funktioniert auch SMS an deutsche Handys empfangen und senden problemlos.
Der Acces Point wird nicht automatisch ins Handy eingetragen. Daher muss man ein klein wenig recherchieren und dann ist dem mobilen Surfen keine Grenzen gesetzt. Skype/Jabber/Web ist überhaupt kein Problem, Twitter in jeglicher Form (Web oder Client) ist jedoch geblockt. Dies hat natürlich meinem Datenvolumen gutgetan, und ich kam mit meinen 128 MB für 300 Yuan (ca 30-40€) in den 2 Wochen sehr gut aus. Ideal war das Volumen für Touren durch die Straßen mit Google Maps – man konnte immer gut zurück zum Hotel finden. Auch Online-Übersetzungs-Apps (oder Google Übersetzung) helfen sehr beim Einkaufen, wenn man den Chinesen, die meist keine Fremdsprachen sprechen, etwas vermitteln will.
Im Hotel war dann jedoch nur LAN als kostenloses Internet verfügbar. Ein Provider bietet zwar WLAN an, aber zu so horrenden Preisen, dass man die Kabelbindung gerne in Kauf nimmt. In meinem Hotel (Detai Hotel) war nur ein 1,5m langes LAN Kabel da, also sollte man entweder sicherheitshalber ein eigenes einpacken, oder gleich einen WLAN-AP für das eigene WLAN. 😉 Ich habe über meinen Laptop das WLAN freigegeben und dann mit dem Tab in meinem Stockwerk problemlos agieren können. Die Hotelbandbreite war, mit immer über 1 Mbit, sehr gut.
Über mobiles Internet konnte ich keine Emails verschicken, empfangen dafür schon. Über das Hotelnetz funktionierte beides einwandfrei. Die berühmte chinesische Firewall ist teilweise etwas seltsam. Manche Seiten sind komplett gesperrt (Twitter, Facebook) dagegen sind andere teilweise verfügbar, wieder andere garnicht. So war Google.com und Google.de problemlos nutzbar (auch mit in China unerwünschten Suchinhalten, die gefunden wurden). Manchmal konnte man aber manche Wikipediaartikel nicht lesen, die am Vortag noch zur Verfügung standen.
Auch mit Pornoseiten ist China inkosequent. Xhamster ist komplett gesperrt, Youporn dagegen frei verfügbar (das habe ich natürlich nur aus Interesse getestet 😉 )
Wer auf gewisse Dienste nicht verzichten will, sollte sich auf jeden Fall vorbereiten mit entsprechender Software (Tor oder zuhause eingerichteter Proxy). Wer damit zurechtkommt, nur hin und wieder mit der Heimat zu chatten, braucht sich nicht weiter vorzubereiten. Was das angeht ist soweit alles möglich. In den besseren Cafés und am Flughafen wird meist kostenloses WLAN angeboten. So war bei meiner Abreise aus Qingdao ein sehr nettes Café am Airport, das mit kostenlosem WLAN geworben hat. Auf Nachfrage hat man sofort den Schlüssel bekommen, was viele Reisende gerne in Anspruch genommen haben. Auch war dort an jedem Sitzplatz eine Steckdose (für Euro-, US- und chinesische Stecker) verfügbar.
Es ist für mich nicht nachvollziehbar gewesen, was tatsächlich alles überwacht wird. So kann es durchaus sein, dass meine Zugriffe protokolliert wurden, aber es bei mir als Ausländer niemanden interessiert. Anders mag es bei chinesischen Staatsbürgern sein. Wobei: In der Firma, in der ich tätig war, hat ein Mitarbeiter im Büro hemmungslos auf Pornoseiten gesurft. Dass ich von meiner Maschine, an der ich gearbeitet habe, in sein Büro sehen konnte, hat er erst später gemerkt, dann war das auch mit dem Pornogucken erledigt. 😉
Fazit: Man ist in China in den Stadtgebieten kaum eingeschränkt. Twitter wird uns Suchties abgehen, aber es lebt sich auch ganz gut ohne für ein paar Tage. 🙂
Überwachung
Da regen wir uns in Deutschland über eine Handvoll Überwachungskameras auf, und das ist auch gut so! Wer allerdings eine gewisse Kameraphobie mitbringt, sollte gar nicht erst nach China reisen; dort gibt es nichts, was nicht überwacht wird.
Angefangen hatte es mit dem Beantragen des Visums in der chinesischen Vertretung in München. Dort hingen die ersten Kameras. Bewusst wurde es mir dann aber erst so richtig, nachdem der Flieger in Shanghai gelandet war. Als erstes wird bei der Einreise ein aktuelles Bild, zusammen mit den Personalausweisdaten, gemacht und gespeichert. Dann hängen an jeder Ecke im Flughafen Überwachungskameras. Wer aber glaubt, dass sich das mit dem Verlassen des Flughafens ändert, der irrt.
So ist an jeder größeren Kreuzung mindestens eine Kamera, an jeder Hofeinfart zu Firmen, im Hotel in jedem Stockwerk, in jedem Flur, an jeder Ecke eine Kamera. Sie sind für das ungeschulte Auge nicht immer erkennbar, da sie gut in die ohnehin chaotische Infrastruktur integriert sind, aber sie sind überall präsent.
Es bleibt die Frage, wie gut die Überwachung funktioniert, ob alles aufgezeichnet wird, ob alles ausgewertet wird, und inwieweit Bewegungsprofile erstellt werden. Aber nach 3-4 Tagen hat man sich an die Totalüberwachung gewöhnt und registriert sie gar nicht mehr bewusst.
Es bleibt die Frage, was ein Projekt wie INDECT aus dieser lückenlosen Überwachung machen würde und ob man mit diesen Datenmengen zurecht käme. Auf meinem Weg vom Hotel zum Kunden konnte ich immerhin 20 Kameras zählen, und es scheint, dass es auch niemandem wirklich etwas ausmacht. So wird sich ganz normal (und auch daneben) verhalten, wenn man im Fokus einer Kamera steht – ob dies trotz der Kamera geschieht, oder weil man sich daran gewöhnt hat, ist nicht ganz klar. Aber z.B. im Verkehr schert sich keiner darum. Es wird trotzdem chaotisch gefahren, an allen Regeln vorbei.
Solange man nicht im Fokus eines Überwachungsstaates landet, mag dies alles kein Problem sein, so ist man nur eine Person unter Millionen von anderen, deren Bewegungsdaten in irgendeiner Datenbank landen. Aber nimmt die Überwachungsmaschinerie einen erst mal aufs Korn, muss man sich bewusst sein, dass es kein „Entkommen“ gibt, und kein Agieren vorbei an der staatlichen Erfassung möglich ist.
Für China mag diese Überwachung mittlerweile normal sein, und 2 Wochen politisch nicht motiviert erfasst worden zu sein, macht mir auch nicht wirklich Angst. Aber es braucht nicht viel Phantasie, mit dem Wissen um Projekte wie INDECT, um sich vorzustellen, dass komplette Bewegungsprofile bald abrufbar sind und automatisch ausgewertet werden. Ob China hier schon so weit ist und nun sagen kann wann und wo ich auf den Boden gespuckt habe, ist dann wieder eine andere Frage.
Soziale Strukturen
Es wäre vermessen zu glauben, dass man nach 2 Wochen Aufenthalt in China einen Überblick über die sozialen Strukturen hätte. Dennoch gab es einige Erlebnisse und Beobachtungen, die mich doch sehr stark zum Nachdenken anregten.
So war es eigentlich ein Schlüsselerlebnis bei der Abreise, das mich angeregt hat, darüber nachzudenken:
Bei unserem Zwischenstopp auf der Heimreise in Shanghai standen wir draussen zum Rauchen. Es ist dann eine alte Frau aufgetaucht, die gezielt die Mülleimer und -Kästen durchsucht und verwertbare Rohstoffe wie Getränkedosen eingesammelt hat. Ich würde diese Frau auf 70 Jahre schätzen. Interessant war bei dieser Beobachtung, dass die dort anwesenden rauchenden Chinesen der alten Frau respektvoll Platz gemacht haben, damit diese ihrer Arbeit nachgehen kann. Besonders drastisch dabei war aber, dass, keine 10m weiter, ein Fahrer eines nicht gerade durchschnittlichen Fahrzeugs einem deutlich ansehbar reichem Chinesen die Autotüre aufgehalten hat.
Aus früheren Gesprächen mit Mitarbeiter unseres Kunden (eine deutsche Firma, die in China ein Fertigungswerk aufbaut) wusste ich, dass Recycling ein fester Bestandteil der Sozialstrukturen ist. So gibt es keine Mülltrennung, und nach Abriss von Gebäuden bleiben diese erst mal einige Tage unbearbeitet, damit dort verwertbare Materialien heraussortiert werden können. Es sind gerade die sozial Schwachen, die das machen, und ihre Dreiräder, mit Mofamotor, mit Kupfer, Stahl und Blech befüllen, um diese dann, an Wertstoffhändler zur Wiederverwertung, zu verkaufen. Ein System das funktioniert, zumindestens aus Recyclingsicht.
Interessant ist auch, dass die sozial Schwachen, die diese Arbeiten durchführen, scheinbar in der Gesellschaft keinen niedrigeren Stellenwert einnehmen als andere. Sie werden für ihre Arbeit genauso geachtet wie alle anderen. Und dennoch – gerade in einem kommunistischen System – sollte die Arm-Reich Schere nicht so extrem auseinanderklaffen. Zumindestens aus der Sicht eines Europäers aus der Wohlstandsgesellschaft ist es verstörend, dass eine 70 Jährige Frau abends um zehn an einem Flughafen den Müll durchforsten muss.
Das chinesische System ist für Europäer wohl nicht so einfach zu begreifen. Es könnte sich sicherlich etwas von den Sozialstrukturen westlicher Länder abschauen. Auf der anderen Seite sollten sich die westlichen Gesellschaftssysteme vielleicht ein wenig von der asiatischen Mentalität aneignen – nicht jeder sozial Schwache ist weniger wert und arbeitet für sein Einkommen weniger hart. Aber Chinesen sind sich auch nicht zu schade auch Arbeiten zu machen, die in westlichen Augen unwürdig und erniedrigend erscheinen.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.