Theodor Reppe, Pirat aus Freiburg und Besitzer der Domain wikileaks.de,bekam im März 2009 Besuch von der Polizei. Der Vorwurf lautete auf Verbreitung pornographischer Schriften. Auslöser der Durchsuchung war eine von Wikileaks veröffentlichte Liste mit in Australien zensierten Internetadressen, die auch Links zu kinderpornographischen Seiten enthielt. Im folgenden Prozess wurde ein früherer Vorwurf mit verhandelt: Die Beschaffung von Kinderpornographie selbst. Das stützte sich auf die Beschlagnahmung von Reppes Tor-Exit-Node.
Wir sprachen mit Theodor Reppe über die Vorwürfe, das Verfahren und den Freispruch von allen Anklagepunkten.
Flaschenpost: Theodor, du wurdest vom Vorwurf freigesprochen, die Verbreitung von Kinderpornographie erleichtert zu haben. Wie kam es zu dieser Anklage?
Theodor: Zu dem Vorwurf kam es, da die Staatsanwaltschaft ursprünglich angenommen hat, ich würde Wikileaks betreiben. Auf Wikileaks wurde die australische Internet-Sperrliste veröffentlicht, auf der wohl auch – neben sehr vielen anderen Seiten – wenige Seiten mit kinderpornografischen Inhalten gelistet waren. Als sich dann herausstellte, dass ich nur die Domain wikileaks.de dem Projekt sponsore und mit den Inhalten nichts zu tun habe, wurde mir dann eben vorgeworfen, ich würde über den Weg „wikileaks.de -> Wikileaks -> die australische Sperrliste ->Kinderpornographie“ die Verbreitung unterstützen.
Flaschenpost: Das Thema Kinderpornagraphie besitzt eine hohe Aufmerksamkeit. Die Presse berichtet gerne darüber da es Leser lockt, die Politik schärft ihr Profil daran und auch die Justiz sieht ihre Chance Schlagzeilen zu produzieren. Ist es da klug, eine Bookmarkliste für Pädophile zu veröffentlichen?
Theodor: Die Politik schärft ihr Profil? Ich denke eher sie verwässert das eigentlich schlimme Thema Kinderpornographie, wenn sie es für alles mögliche als Begründung heranzieht. Die Justiz ist gar nicht so scharf auf die Schlagzeilen, v.a. nicht auf diese jetzt konkret, aber auch generell nicht. Die Frage verstehe ich nicht – Bookmarkliste für Pädophile? Wo wurde die denn veröffentlicht? Ich weiss nur von der australischen Sperrliste, dass weniger als 1% der dort gelisteten Seiten wirklich Kinderpornographie sind. Aus dem Gedächtnis – da gab es mal eine Webseite, die das analysiert hat, finde sie aber gerade nicht. (Anmerkung der Redaktion: In einem Blog wurden die auf der Liste vermerkten de-Domains untersucht). Aber es ist leider – auch im Rahmen solcher Berichterstattung – rechtlich nicht erlaubt, auf kinderpornographische Inhalte zu verlinken – anders als z.B. auf Verfassungsfeindliche Symbole o.ä. Themen -, auch wenn man damit den Irrsinn und Missbrauch von Sperrlisten aufzeigen möchte.
Flaschenpost: Wie argumentierte die Staatsanwaltschaft? Vorgeworfen wurde ja dir ja nicht nur die Verlinkung auf eine Seite, die auf in Australien gesperrte Inhalte zeigte. Dein Tor-Exit-Node spielte bei der Anklageerhebung ebenfalls eine Rolle, richtig?
Theodor: Es wurden mir 2 völlig voneinander unabhängige Tatkomplexe vorgeworfen, Tatkomplex I war die Besitzverschaffung von Kinderpornographie – da hat wohl jemand / mehrere über meinen Tor Exit Node Kinderpornographie heruntergeladen. Tatkomplex II war am Anfang die Verbreitung, später die Beihilfe zur Verbreitung und in der Verhandlung dann nur noch die Beihilfe durch Unterlassen – da ging es um die australische Internetzensurliste auf Wikileaks, die wohl auch ein paar wenige kinderpornographische Links enthielt.
Flaschenpost: Von diesen Vorwürfen wurdest du freigesprochen. Allerdings gab es vom Richter durchaus Kritik an deiner mangelnden Kooperationsbereitschaft. Was hättest du – im Rückblick – besser machen können?
Theodor: Ja, es hieß, ich hätte das Verfahren evtl. eingestellt bekommen können, wenn ich mich eher eingelassen hätte. Aber genau das wollte ich nicht. Ich habe mich während der Durchsuchung überhaupt nicht eingelassen, und keiner sollte das tun, da eine Durchsuchung soviel Stress ist, da erzählt man im Zweifel immer nur Sachen, die einen benachteiligen. Wenn man sich wirklich äußern will, kann man das mit seinem Anwalt in Ruhe absprechen und es dann später – am Besten schriftlich – tun. Allerdings sollte man bedenken, dass das Verfahren dann bestenfalls eingestellt wird, was 2 in meinen Augen negative Aspekte hat: Man bekommt seine Aufwendungen – z.B. Anwaltskosten – nicht erstattet und man wird nicht „richtig“ freigesprochen. Es ist das gute Recht eines Beschuldigten / Angeklagten, einfach gar nichts zu sagen, und von diesem Recht muss man – mindestens bis einem der Anwalt etwas anderes rät – Gebrauch machen. Die Gegenseite muss die Schuld beweisen, nicht andersrum.
Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.