Schaut man die Liste der Piraten AGs durch, stösst man auf 129 AGs, die es alle wert scheinen, einem grösseren Kreis bekannt zu werden. Wir werden in lockerer Reihenfolge einige dieser AGs in der Flaschenpost vorstellen. Die Bezeichnung AG Verteiltes Rechnen macht den Anfang dieser Reihe, denn ehrlich gesagt, fehlte mir anfangs jede Vorstellung, was sie wohl tun könnte.
Ich spreche mit Christoph Schönfeld, einem der zwei Koordinatoren der AG.
Flaschenpost: Christoph, womit beschäftigt sich die AG?
Christoph: Wir organisieren und koordinieren das Team der AG Verteiltes Rechnen der Piratenpartei Deutschland. Verteiltes Rechnen ist die Bereitstellung von Rechenleistung für die Wissenschaft.
Flaschenpost: Betreiben wissenschaftliche Institute nicht die weltweit grössten Supercomuter? Was bringt denen ein weiterer PC, der bei einem Piraten neben dem Bett steht?
Christoph: Wissenschaftliche Institute haben ihre Supercomputer, aber wenn man weltweit sehr viele PCs über das Netzwerk zusammenschaltet, entsteht der welweit allergrösste Computer. Dazu trägt dann auch jeder PC mit nur einer CPU seinen Teil bei.
Flaschenpost: Warum sollten Piraten Rechenleistung spenden? Wir sind doch nicht der CCC?
Christoph: Zu unserem Parteiprogramm gehört auch Open Access. Wenn wir den freien Zugang zu wissenschaltlichen Ergebnissen fordern, ist es nur fair, wenn wir dafür auch etwas zurück geben. Freie Rechenkapazität hat wirklich jeder übrig.
Flaschenpost: Beim Verteilten Rechnen wird also nur überflüssige Rechnenleistung abgegeben? Wie funktioniert das?
Christoph: Wir verwenden den Standartclient BOINC (Berkeley Open Infrastructure for Network Computing). Ist diese Software erstmal auf dem PC installiert, muss man sich bei einem Projekt anmelden, das man unterstützen will. Danach gibt es die Möglichkeit festzulegen, wie hoch der Anteil der abgegebenen Prozessorzeit sein soll. Das lässt sich sehr fein definieren, beispielsweise auf bestimmte Uhrzeiten einschränken oder auf eine maximale Anzahl von Prozessoren.
Flaschenpost: Was sind das für Projekte? Wie erfahre ich von ihnen?
Christoph: Beispielsweise durchs Fernsehen. Ich sah damals auf 3Sat einen Bericht über Seti@Home. Dort machte ich mit, da mein Rechner ohnehin 24h pro Tag lief. Darüber kam ich zu Seti.Germany. Das ist Deutschlands grösstes Team im verteilten Rechnen und in den Rechnenstatistiken in den Top 3. Wobei Seti.Germany inzwischen auch grosse Primzahlen sucht oder an Medikamenten gegen AIDS rechnet.
Flaschenpost: Das klingt irgendwie alles nach Nerd, nach Geek, nach Zuhause im stillen Kämmerlein sitzen. Was ist der Beitrag der AG?
Christoph: Wir organisieren Wettkämpfe und unternehmen das sehr öffentlichkeitswirksam. So sieht man uns, also die Piratenpartei, mit den 344 Teammitgliedern, in vielen Rankings. Wir sind da in guter Gesellschaft, denn auch Universitäten haben ihre Teams. Grossen Unternehmen wie IBM schicken auch eigene Teams ins Rennen – mit Firmencomputern der Mitarbeiter. Selbst die SPD hat ein Team, stellt jedoch nur wenig Rechnenleistung zur Verfügung.
Flaschenpost: Wie viele Aliens willst du bis Jahresende gefunden haben?
Christoph: Es geht uns dieses Jahr weniger um die Aliens, als darum eine gute Plazierung beim internationalen Wettbewerb Primaboinca zu erreichen. Dort sind wir zur Zeit auf dem 6. Platz, wollen aber bis zum Jahresende auf Platz 1 stehen. Dafür müssen wir unsere Leistung verdreifachen.
Flaschenpost: Was kann ein Pirat tun um euch zu unterstützen?
Christoph: Er kann sich den Client installieren und dem Team ‚Piratenpartei‘ beitreten. Auch 10% der Rechenleistung sind ein Beitrag. Der Einstieg in das verteilte Rechnen ist nicht wirklich schwer, doch muss anfangs das Zusammenspiel von Client, Team und Projekt verstaden werden. Auf der Seite der AG gibt es nützliche Informationen dafür, auch gibt es Verweise auf unsere Mailingliste und unseren Chatroom.
Redaktionsmitglied Michael Renner
Meine Karriere als Redakteur bei der Piratenpartei startete 2009 beim Bundesnewsletter, aus dem 2010 die Flaschenpost hervorging. Im Sommer 2012 wurde ich stellvertretender Chefredakteur, Anfang 2014 Chefredakteur. Da die unzähligen Aufgaben an der Spitze der Flaschenpost einen Vollzeitjob in der Freizeit mit sich bringen, machte ich nach zwei guten, aber auch stressigen Jahren zwei Schritte zurück und gab die Redaktionsleitung ab. Die gewonnene Freizeit wird in die Familie und mein zweites großes Hobby, den Amateurfunk, investiert.